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Urteil gegen schwarze Kassen

29. August 2008

In seinem ersten Urteil zu Schmiergeldzahlungen bei Siemens hat der Bundesgerichtshof die Strafbarkeit der Korruption ausgeweitet. Es dürfte als Grundsatzurteil für kommende Korruptionsprozesse gelten.

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Justitia-Statue. Foto: Frank Rumpenhorst +++(c) dpa - Report+++
Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit, bei der ArbeitBild: picture-alliance/dpa

Erstmals bewertete das Gericht mit seiner Entscheidung vom Freitag (29.08.2008) bereits das Führen schwarzer Kassen als Untreue gegen ein Unternehmen. Damit ermöglichten die Karlsruher Richter eine Bestrafung von korrupten Mitarbeitern bereits im Vorfeld von Schmiergeldzahlungen.

Die Entscheidung des höchsten deutschen Strafgerichts hat grundlegende Bedeutung unter anderem für die Aufarbeitung des aktuellen Korruptionsskandals bei der Siemens AG. Darin geht es um dubiose Zahlungen von rund 1,3 Milliarden Euro.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen 300 Siemens-Mitarbeiter. Der Konzern will von elf Spitzenmanagern Schadenersatz, auch von den früheren Vorstandschefs Heinrich von Pierer und Klaus Kleinfeld.

Der BGH hatte über ein Urteil des Landgerichts Darmstadt gegen den früheren Finanzchef der Siemens-Kraftwerkssparte, Andreas K., zu entscheiden. Die Entscheidung - zwei Jahre auf Bewährung wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr und Untreue - hoben die Karlsruher Richter teilweise auf und ordneten eine neue Entscheidung des Landgerichts über die Strafe an. Der Angeklagte soll im Jahr 2000 mit rund sechs Millionen Euro aus schwarzen Kassen Manager des italienischen Elektrokonzerns Enel bestochen haben.

Siemens muss keinen Gewinnausgleich zahlen

Der BGH ersparte Siemens zudem die Zahlung von 38 Millionen Euro "Verfall" an die Staatskasse, den das Landgericht Darmstadt zur Gewinnabschöpfung aus dem illegal eingefädelten Italien-Geschäft angeordnet hatte. Voraussetzung für die "Verfallsanordnung" sei, dass Siemens durch eine Straftat begünstigt worden sei, argumentierte der BGH und hob das Darmstädter Urteil auch in diesem Punkt auf. Tatsächlich sei das Unternehmen durch die Untreue seines Mitarbeiters aber geschädigt worden.

Nach Auffassung des BGH enthält das Landgerichtsurteil entscheidende Fehler: Die Darmstädter Richter hatten als Anknüpfungspunkt für die Untreue erst die Schmiergeldzahlungen gesehen. Dagegen betonte die BGH-Senatsvorsitzende Ruth Rissing-van Saan, Siemens habe schon durch das Führen der schwarzen Kasse einen Schaden erlitten. "Indem der Angeklagte Gelder der Siemens AG dieser vorenthielt und in verdeckten Kassen führte, entzog er das Vermögen seiner Arbeitgeberin."

Heinrich von Pierer (AP Photo/Jan Pitman) ** FILE
Welche Verantwortung Heinrich von Pierer für die Schmiergeld-Affäre trägt ist noch ungeklärtBild: AP

Dabei komme es nicht darauf an, dass der Angeklagte das Geld zugunsten des Unternehmens einsetzen wollte. Zudem könne eine Untreue auch dann vorliegen, wenn die Unternehmensführung diese dulde. "Maßgeblich ist allein der Wille der Anteilseigner", sagte Rissing-van Saan. Sie kritisierte auch die Verurteilung wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr. Im Jahr 2000 habe die entsprechende Vorschrift noch nicht für Zahlungen im Ausland gegolten.

"Eindeutig die Absicht, der Korruption einen Riegel vorzuschieben"

Bundesanwalt Wilhelm Schmidt betonte die grundsätzliche Bedeutung des Urteils: "Der Senat hat seine bisherige Rechtsprechung zur Untreue auf Wirtschaftsunternehmen übertragen." Die Entscheidung habe auch Einfluss auf die laufenden Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft bei Siemens. "Die werden sicherlich Honig daraus saugen."

Nach Ansicht des Rechtsanwalts von Andreas K., Eberhard Kempf, hatte der BGH bei seinem Urteil nicht allein den konkreten Fall im Blick: "Ich erkenne eindeutig die Absicht des Senats, der Korruption einen Riegel vorzuschieben."

Beim Landgericht Darmstadt entscheidet nun eine andere Wirtschaftsstrafkammer über die Strafe für Andreas K. Bundesanwalt Wilhelm Schmidt wollte dazu keine Prognose abgeben. Das Landgericht müsse neben dem Wegfall der Bestechung berücksichtigen, dass das Führen einer schwarzen Kasse als Untreue durch Unterlassen bewertet werde, was prinzipiell eine Strafmilderung ermögliche. Dennoch sei ein milderes Urteil wegen der Vorverlagerung der Untreue-Strafbarkeit nicht zwingend.

Gegen einen weiteren Angeklagten, den das Landgericht wegen Beihilfe zur Bestechung zu neun Monaten auf Bewährung verurteilt hatte, ordnete der BGH eine neue Verhandlung vor dem Landgericht an. Als Berater soll dieser Angeklagte an den Schmiergeldzahlungen mitgewirkt haben. Das Landgericht müsse prüfen, ob nicht auch für ihn eine Strafbarkeit wegen Untreue in Betracht komme, erläuterte die Senatsvorsitzende Rissing-van Saan. (mas)