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Sierens China: China tourt

Frank Sieren8. Februar 2015

Chinas Image schreckt immer mehr Touristen ab. Peking könnte das ändern. Doch es eilt nicht, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Bild: picture-alliance/dpa

Muss sich Chinas Tourismus-Industrie Sorgen machen? Die Zahl von Urlaubern aus dem Ausland geht immer weiter zurück. Reisten 2012 noch mehr als 132 Millionen Menschen nach China, so waren es 2014 gerade einmal noch rund 116 Millionen.

Und wenn man ganz genau hinschaut, dann sind es noch weitaus weniger Ausländer, die sich für eine Reise nach China begeistern können. Denn 75 Prozent der nach China einreisenden Touristen kommen aus Hongkong und Macao: Dem Pass nach sind sie keine Festlandchinesen, in Wirklichkeit sind sie allerdings eher Inlandsreisende. Tatsächlich dürften es so lediglich 24 Millionen auswärtige Reisende gewesen sein, die sich im vergangenen Jahr für einen Urlaub im Reich der Mitte entschieden haben. Das ist erschreckend für ein boomendes Land wie China.

Allein Frankreich bringt es pro Jahr auf etwa dreimal so viele ausländische Touristen. In den USA haben zuletzt 60 Millionen Gäste aus dem Ausland Urlaub gemacht. Bei hohen Smogwerten, die ganze Regionen und ihre Sehenswürdigkeiten unpassierbar machen, und Visumsbestimmungen, die kompliziert und teuer sind, überlegen internationale Gäste eben zweimal, ob sie die Strapazen einer Reise nach China wirklich auf sich nehmen wollen.

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DW-Kolumnist Frank SierenBild: Frank Sieren

Speziell für Europäer wurde im vergangenen Jahr der schwache Euro zusätzlich zum Problem. Wer in China Urlaub machen will, bezahlt dafür jetzt 20 Prozent mehr. Im Konkurrenzkampf mit den wesentlich billigeren und beliebten Nachbarländern hat China so langsam das Nachsehen. Da helfen auch kleine Schmankerl für die Touristen nichts, wie etwa die Idee eines 72-Stunden-Visums für manche Städte in China, um Flugreisende länger im Land zu halten und es ihnen attraktiver zu machen, möglicherweise doch noch mal wiederzukommen.

Binnentourismus boomt

Was man im Westen allerdings nicht so oft liest: Große Sorgen machen sich chinesische Reiseanbieter und Hoteliers deshalb nicht. Zwar geben ausländische Gäste in China deutlich mehr aus als einheimische Touristen. Trotzdem stellen sie nur einen minimalen Anteil der Reisenden. Denn was sich Peking für die gesamte Wirtschaft des Landes wünscht, funktioniert im Tourismus schon gut: ein starker Binnenmarkt. Mehr als zwei Milliarden Chinesen reisen jedes Jahr durch China. Und mehrmals im Jahr – wie etwa in den goldenen Wochen um die Nationalfeiertage im Mai und Oktober oder zum Frühlingsfest, dem chinesischen Neujahr, das dieses Jahr am 18. Februar beginnt – sind Hunderte Millionen Menschen gleichzeitig im Land unterwegs und bescheren der Branche gute Geschäfte.

Und auch ausländische Reiseanbieter können sich nicht beklagen. Auch sie profitieren zunehmend von der Reiselust des Riesenvolkes: Vor zwei Jahren reisten 93 Millionen Chinesen ins Ausland, letztes Jahr waren es schon knapp 120 Millionen. Und jedes Jahr sollen die Touristenzahlen weiter zweistellig zunehmen.

Aus China stammen nicht nur die meisten Touristen auf der Welt, sondern Chinesen geben auch noch am meisten aus auf ihren Reisen. Seit zwei Jahren rangiert die Volksrepublik nun auf Platz eins vor den USA und Deutschland, das mit 83,8 Milliarden US-Dollar bis 2012 noch Ausgaben-Weltmeister war. Die Chinesen sind mittlerweile deutlich an uns vorbei gezogen und geben im Schnitt rund 128 Milliarden US-Dollar jedes Jahr auf ihren Reisen aus. Auf dem chinesischen Tourismus-Markt sind Gäste aus dem Westen also nur noch eine Stelle hinter dem Komma. Überall sonst auf der Welt lässt ihre Bedeutung ebenfalls nach. Damit werden auch unsere Vorlieben immer weniger berücksichtigt.

DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.