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Eine Frage der Gewichtung

Frank Sieren13. April 2016

Der australische Premier Turnbull reist derzeit mit einer 1000-köpfigen Delegation durch acht chinesische Städte. China wird für Australien immer wichtiger - auch im Vergleich zu den USA, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Der australische Handelsminister Andrew Robb während seines China-Besuchs (Foto: dpa)
Sucht die Kooperation mit chinesischen Konzernen: der australische Handelsminister Andrew RobbBild: picture-alliance/dpa/Stringer

Das schaffen nicht einmal die Briten, die unter den Europäern derzeit als die treuesten Anhänger der Chinesen gelten: Australiens Premier reist derzeit mit einer Delegation von tausend Mitgliedern durch China. Neben Peking, Schanghai und Hongkong stehen noch fünf andere Städte an. Peking weiß dies zu würdigen und rief diese Woche offiziell die Australien-Woche aus, die AWIC. Und das, obwohl auch noch unter anderen der nigerianische Präsident im Land ist. Das Ziel dieser Reise ist nun wirklich nicht zu übersehen: Australien will mehr Geschäfte mit China machen. Das hat schon vor zwei Jahren funktioniert. Damals haben die Australier Exporte im Wert von 760 Millionen US-Dollar abschließen und Investitionen im Wert von mehr als 2,4 Milliarden Dollar reinholen können.

Dieses Mal funktioniert es offensichtlich noch besser. Die Chancen, dass die jetzige Reise noch mehr Geld abwirft, sind groß. Warum? Ganz einfach: Der Handel zwischen den beiden Ländern lohnt sich seit dem 20. Dezember 2015 noch viel mehr. Ende vergangenen Jahres trat das China-Australia Free Trade Agreement, kurz ChaFTA, in Kraft. Mit ihm wurden verschiedene Handelsbarrieren, wie etwa Zölle, spürbar gesenkt. 95 Prozent der australischen Warenexporte nach China sind seitdem zollfrei. Hinzu kommt, dass australische Dienstleister freieren Zugang zum chinesischen Markt bekommen, und Investitionen in China ebenfalls leichter werden. Im Gegenzug gewährt Australien jährlich 5000 chinesische Arbeits- und Urlaubsvisa, was die Tourismusbranche befeuern dürfte.

Enorme Bedeutung für Exporte

China ist Australiens größter Exportmarkt. Ein Drittel aller Waren geht in die Volksrepublik. In Deutschland sind es knapp sechs Prozent. Früher war China vor allem an Rohstoffen interessiert. Das hat sich inzwischen geändert. Die Chinesen lieben die hochwertigen sauberen Nahrungsmittel, die Australien liefern kann. Angesichts der großen Probleme bei der chinesischen Lebensmittelsicherheit greifen die chinesischen Konsumenten gerne tiefer in die Tasche, um australische Milch- und Fleischprodukte oder auch Honig zu kaufen. Das Freihandelsabkommen zwischen den beiden Ländern zeigt ersten Analysen zufolge bereits Wirkung.

Porträt Frank Sieren (Foto: DW)
DW-Kolumnist Frank SierenBild: Frank Sieren

In den ersten zwei Monaten stiegen etwa die Rindfleischverkäufe um 44 Prozent im Vergleich zur gleichen Zeit im Vorjahr. Die Weinverkäufe stiegen sogar um 122 Prozent. Die AWIC dürfte den Zahlen noch neuen Schwung geben. Die Delegation strebt in verschiedenen Bereichen neue Programme an. In Schanghai will Handelsminister Ciobo eine große Tourismus-Kampagne seiner Regierung starten, die noch mehr Touristen anlocken soll. Keine Frage: Ohne China ginge es Australien wirtschaftlich viel schlechter. Und China braucht Australien als Zulieferer. Auf der wirtschaftlichen Seite ist es eine Win-Win-Situation. Auf der politischen Seite hingegen bleiben die Fronten verhärtet.

Spagat zwischen Wirtschaft und Politik

Es ist eine paradoxe Situation, die China nicht nur mit Australien pflegt, sondern auch mit einigen anderen Ländern – besonders denen in der Nachbarschaft. Vietnam ist da zuerst zu nennen. Für Peking scheint es offensichtlich in Ordnung zu sein, einerseits eine Australien-Woche auszurufen, sich andererseits aber von Premier Turnbull anzuhören, dass Chinas Handeln im Südchinesischen Meer provoziert. Der dortige Inselstreit ist der größte Konfliktpunkt in den Beziehungen. Beim Streit Chinas mit seinen Nachbarn spielt Australien eine zentrale Rolle. Mittlerweile werden fast alle australischen Militärflüge in der Region von den Chinesen kritisch beäugt. Dass Peking nach der G7-Erklärung zum Territorialstreit im Südchinesischen Meer deren Botschaftsvertreter einbestellt hat, kann Premier Turnbull auf der Reise nicht einfach ignorieren. Peking verlangt, dass die G7 die "Streitigkeiten nicht hochspielen". Turnbull vertritt jedoch im Grunde die G7 Position.

Gut für ihn, dass Peking nicht die schärfste Maßnahme ergriffen hat, sondern ausschließlich den japanischen Botschafter einbestellte, während die anderen Länder nur ihre Stellvertreter schicken durften. Dennoch ist es für Turnbull nicht einfach, nun den richtigen Ton auf seiner Shoppingtour zu finden. Offensichtlich ist es jedoch beiden Seiten ganz recht, so zu tun, als seien Politik und Wirtschaft Parallelwelten. Australien protestiert und macht Geschäfte. Peking zieht Australien nicht unnötig tief in den Streit hinein, investiert kräftig, baut aber gleichzeitig auf den umstrittenen Inseln unbekümmert weiter. Vor einer Woche erst hat China einen Leuchtturm in Betrieb genommen. Sobald Turnbull zurück ist, muss er sich allerdings ein paar überzeugende Argumente für seine Alliierten einfallen lassen. Dieses Arrangement und auch der Zeitpunkt der Reise haben den Amerikanern und den Japanern gar nicht gefallen.

Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit über 20 Jahren in Peking.