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Geschäft ist dicker als Blut

Frank Sieren11. März 2015

Im Norden von Myanmar kämpft eine chinesische Minderheit für mehr Autonomie. Auf Hilfe aus Peking dürfen die Rebellen allerdings nicht hoffen, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Soldat aus Myanmar vor einem Tor mit chinesischen Schriftzeichen (Foto: picture-alliance/dpa/Lynn Bo Bo)
Bild: picture-alliance/dpa/Lynn Bo Bo

Wenn in den vergangenen Jahren von Kämpfen in Myanmar die Rede war, ging es dabei meistens um die muslimische Minderheit, die von radikalen Buddhisten verfolgt wird. Seit Mitte 2012 sind mindestens mehrere hundert Menschen bei Zusammenstößen zwischen den beiden Religionsgruppen ums Leben gekommen. Und mehr als 140.000 Muslime sollen auf der Flucht in sichere Landesteile sein. Seit einigen Wochen rückt nun ganz im Norden des Landes ein anderer Konflikt in den Fokus.

Auf den ersten Blick erinnert die Gemengelage an Chinas Grenze zu Myanmar an die Ukraine-Krise, wo pro-russische Rebellen von Russland für ihren Unabhängigkeitskampf unterstützt werden. Auch die chinesisch-stämmigen Rebellen in Myanmar haben Peking schon mehrfach dazu aufgerufen, ihnen im Kampf gegen die Armee Myanmars zur Seite zu stehen. Doch Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping tickt nicht nur anders als Putin, die Lage unterscheidet sich auch deutlich von der in der Ukraine, wenn man sich den Konflikt näher anschaut.

Vor einigen Wochen griffen die Kokang-Rebellen unter ihrem lokalen Führer, Phone Kya Shin, Militärstützpunkte an und versuchten, die Grenzstadt Laukkai unter ihre Kontrolle zu bringen. Rund 130 Soldaten auf beiden Seiten wurden seitdem in Straßengefechten getötet. Über 30.000 Flüchtlinge haben sich inzwischen über die Grenze in die chinesische Provinz Yunnan gerettet. Die chinesisch-stämmigen Kokang-Rebellen kämpfen für mehr Autonomie in der mehrheitlich von Chinesen bewohnten Region.

Vergleiche mit der Ukraine weit hergeholt

Doch Peking nutzt anders als Russland die Gunst der Stunde nicht. Aufrufe zur Solidarität mit den Kokang-Rebellen wurden rasch nach ihrer Veröffentlichung wieder von den chinesischen Zensurbehörden aus den sozialen Netzwerken gelöscht. Und auch Vergleiche, die sich in irgendeiner Form auf die Ukraine-Krise beziehen, wurden von Chinas Staatsmedien als "Unsinn" bezeichnet. Und tatsächlich waren die westlichen Vergleiche mit der Ukraine ein wenig weit hergeholt. China hat anders als Russland auf der Krim nicht fast seine gesamte Flotte in Myanmar stationiert. Und Myanmar bandelt auch nicht mit den Amerikanern an. Im Gegenteil: China ist der größte Waffenlieferant Myanmars.

Frank Sieren (Foto: Frank Sieren)
Frank SierenBild: Frank Sieren

Myanmar strategisch wichtig für Peking

Peking ist mehr denn je an einer stabilen Regierung in Myanmar gelegen, seitdem es an seiner neuen Seidenstraße baut. In dem Handelsnetz, das bis in den Nahen Osten und nach Europa reichen soll, spielt auch Myanmar eine wichtige Rolle, weil es China einen direkten Zugang zum Indischen Ozean bietet. Von dort, der Westküste Myanmars, fließt seit Ende Januar Öl, das von Tankern aus Afrika geliefert wird, über eine neue 771 Kilometer lange Pipeline quer durch Myanmar bis nach China. Die strategisch wichtige Pipeline versorgt nun zwei der wichtigsten Wachstumszentren im Süden des Landes – nämlich die industriellen Konglomerate um die Städte Chongqing und Kunming, die gleichzeitig Startpunkte der neuen Seidenstraße sind. Der große Vorteil der neuen Ölversorgung per Landweg liegt auf der Hand. Nicht nur, dass sich die Transportzeit im Vergleich zum Seeweg um 30 Prozent verkürzt. Durch die Pipeline quer durch Myanmar lässt sich vor allem die Straße von Malakka umgehen, eine Meeresenge, die den Indischen Ozean mit dem Pazifik verbindet. Bisher nutzten dieses Nadelöhr 80 Prozent alle Tanker, die Öl aus Afrika und dem Nahen Osten nach China lieferten.

Militärstrategen in Peking hatten schon seit Jahren gewarnt, dass dieser Seeweg das Land in einer geopolitischen Krise gegenüber den USA verwundbar machen würde, weil die mit ihrer Sechsten Flotte mit nur kurzem Vorlauf durch eine Blockade des Kanals Chinas Energieversorgung empfindlich treffen könnten. Doch das Pipeline-Projekt, das sich Peking 2,5 Milliarden US-Dollar hat kosten lassen, ist noch verhältnismäßig klein im Vergleich zu dem, was als Nächstes auf der chinesischen Investitionsliste für das Nachbarland steht. Parallel zur Pipeline soll eine neue 20 Milliarden Dollar teure Bahnstrecke entstehen, über die dann künftig nicht nur Öl, sondern auch alle sonstigen Waren schneller vom Indischen Ozean nach China gelangen können. Und auch die Regierung in Myanmar will davon profitieren. Die Rebellen stören in dieser Symbiose die Politik sowohl in Peking als auch in Myanmars Hauptstadt Naypyidaw. Deshalb sind anders als in der Ukraine ihre Chancen gering, auf der weltpolitischen Bühne jemals eine Rolle zu spielen.

DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.