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Gut statt billig?

Frank Sieren, Peking1. April 2015

Dass die EU die Qualität chinesischer Produkte kritisiert, ist nichts Neues. Neu aber ist, dass Peking dies unangenehm ist, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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China Containerschiff, Foto: China Foto Press
Bild: picture alliance/dpa/ChinaFotoPress

Bislang brauchte Chinas Industrie das Billig-Image, um weltweit Märkte zu erobern. Jetzt braucht es Qualität, um sie nicht wieder zu verlieren. Da kommt der Druck von außen gerade Recht. Die Europäische Kommission hat jüngst eine Liste von gefährlichen Gütern vorgelegt, die aus dem Ausland in die EU eingeführt werden. Sie umfasst alle Waren abgesehen von Lebensmitteln und Pharmaprodukten. Seit 2003 in der EU ein Warnsystem eingerichtet wurde, sind insgesamt knapp 20.000 gefährliche Artikel sichergestellt worden. Dieses Jahr allein gelten rund 2500 Artikel nach den Richtlinien der Europäischen Kommission als zu gefährlich. Zwei Drittel davon kamen aus China, wie in den vergangenen Jahren auch. Am häufigsten wurde Spielzeug vom Markt genommen, an dem Kinder sich verletzen oder ersticken könnten, oder aber solche Produkte, die sich durch elektrische Kurzschlüsse selbst entzünden. Bekleidung und Lederwaren, wie Gürtel, aber auch Schmuck gehörten auch mit zu den Problemwaren, da sie oft Allergien auslösende Stoffe oder schädliche Schwermetalle enthalten. Alle Jahre wieder wird der Bericht veröffentlicht.

Inzwischen geht China jedoch anders damit um. Statt sich über die herablassende Art der Europäer zu ärgern, benutzen sie wie in manchen asiatischen Kampfsportarten die Angriffsenergie für ihre eigenen Kräfte. Das Ergebnis der Untersuchung sei "eine Warnung an die heimische Industrie", an ihrer Qualität zu arbeiten, hieß es in der staatlichen Zeitung "Global Times" in einem Kommentar. Würden die eigenen Produkte nicht besser, würden sich nicht nur ausländische Käufer, sondern auch Chinesen von heimischer Ware abwenden und lieber im Ausland bestellen. "Made in China 2025" heißt deshalb das Schlagwort, mit dem Chinas Premier Li Keqiang Anfang März beim Nationalen Volkskongress umschrieb, wie sich Chinas Industrie neu erfinden soll. Li kündigte an, dass China in den kommenden zehn Jahren seine "große Industrie" zu einer "starken Industrie" umwandeln werde. Die Schwerpunkte sollen künftig auf Innovation und Qualität liegen.

Große Gewinne mit billigen Waren

Fragt sich nur, ob die Billigproduzenten sich davon angesprochen fühlen. Denn hauptsächlich geht es Li Keqiang um die Hightech-Produktion. Das Problem der Billigproduzenten ist ja nicht, dass sie nicht besser können, sondern, dass sie nicht besser wollen. Mit billigen Gütern verdienen sie mehr Geld und es gibt noch Hunderte Millionen von Konsumanfängern, die sich noch nichts anderes leisten können. Das gilt auch für andere Kontinente wie Afrika. Insofern werden sie sich von den europäischen Kontrolleuren nicht aus der Ruhe bringen lassen. Ihre Hauptmärkte sind zu Hause und in den Schwellenländern. Und dann schickt man eben noch drei Container nach Europa, vielleicht merkt es ja keiner, dass die Farben nicht kindersicher sind. Das wird sicherlich noch ein paar Jahre so weitergehen.

Die chinesische Regierung hat jedoch einen etwas anderen Blickwinkel auf das Problem. Schluss mit billig. Sie will den Qualitätskonsum fördern. Sie spürt den Druck unzufriedener Mittelschichtkonsumenten. Immer mehr von ihnen weigern sich, chinesische Produkte oder zumindest Produkte, die nicht von westlichen Markenherstellern in China produziert werden, zu kaufen. Denn sie wissen, vieles auf dem chinesischen Markt ist Ramsch oder kopiert. Am liebsten kaufen sie auf Reisen im Ausland ein und nehmen dafür gerne auch etwas höhere Preise in Kauf. Dabei geht es nicht nur um Luxusartikel, sondern auch um alltägliche Notwendigkeiten: von Kochtöpfen über Milchpulver bis hin zu Spielzeug und Möbeln. Manches ist dabei auch "Made in China", hat aber den westlichen Qualitätskontrollen standgehalten. Das ist volkswirtschaftlich teuer und unpraktisch. Doch mit der EU zu drohen, wird dabei wenig helfen. Es helfen nur harte Kontrollen und hohe Strafen, damit die Hersteller auf die schnellen, hohen Margen verzichten. Bis die Kontrollen wirkungsvoll installiert sind, werden noch einige Jahre vergehen.

Frank Sieren Kolumnist Handelsblatt Bestseller Autor China
DW-Kolumnist Frank SierenBild: Frank Sieren

DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.