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Politik

Sierens China: Im Würgegriff der Großmächte

Frank Sieren
3. Januar 2018

Dass Nord- und Südkorea nun direkt miteinander reden wollen, ist mehr der Wunsch von Peking als von Washington, meint Frank Sieren.

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Symbolbild Nordkorea & China
Bild: picture-alliance/AP Photo/A. Wong

Das ist eine gute Nachricht im neuen Jahr. Der nordkoreanische Staatschef Kim Jong-un hat direkte Gespräche mit Seoul angeboten und der südkoreanische Präsident Moon Jae-in hat signalisiert, dass er dazu bereit ist. Bereits nächste Woche, am 9. Januar, könnten Gespräche im Grenzort Panmunjeom stattfinden. Das jedenfalls sagte Südkoreas Vereinigungsminister Cho Myoung-gyon. Dabei könne über eine mögliche Beteiligung Nordkoreas an den Winterspielen im Februar gesprochen werden, aber auch über andere Themen zur Verbesserung der bilateralen Beziehungen. Das freut Peking.

Washington ist jedoch nicht ganz so erfreut, sind die Amerikaner doch jetzt erst einmal außen vor. "Das kann gut sein oder nicht", twitterte US-Präsident Donald Trump unentschlossen. Das US-Außenministerium glaubt nicht, dass Kim "es ehrlich meint". Und Nikki Haley, die US Botschafterin bei der UN, wetterte bereits: "Wir werden die Gespräche mit Nordkorea nicht ernst nehmen, wenn sie nicht etwas tun, um ihre Nuklearwaffen abzuschaffen." Die Sprecherin des Weißen Hauses, Sarah Sanders, sah sich schließlich sogar gezwungen, zu betonen, dass die Beziehungen zwischen Südkorea und den USA  "besser als jemals sind".

China zeigt sich entschlossen

Da ist es wieder, das alte Problem: Entweder hat Präsident Moon wegen Nordkorea Ärger mit Peking oder mit Washington. Im vergangenen Jahr war Seoul monatelang in Pekings Würgegriff, nachdem die südkoreanische Regierung Washington einen Gefallen getan hatte. China fühlte sich von einem durch die USA in Südkorea installierten Raketenabwehr-System in seiner Souveränität bedroht. Das sogenannte THAAD-System solle Südkorea besser vor Angriffen aus Nordkorea schützen. Peking befürchtet jedoch, dass das zu THAAD gehörende Radarsystem den Luftraum weit nach China hinein ausspionieren könnte. Der Konflikt zwischen beiden Staaten zeigte, wie entschlossen Peking handelt, um seinen Willen durchzusetzen. Und das ganz ohne Bomber und Flugzeugträger, sondern allein mit wirtschaftlichem Druck als schlagkräftiger Waffe.

Aus Protest gegen die Stationierung des Abwehrsystems hatte Peking heimischen Reiseagenturen verboten, organisierte Reisen nach Südkorea zu verkaufen. Charterflüge wurden gestrichen und sogar die in China so beliebte Kosmetika aus Südkorea passierte trotz Freihandelsabkommen nicht mehr den Zoll.

Frank Sieren *PROVISORISCH*
DW-Kolumnist Frank SierenBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

Die Zahl der chinesischen Touristen in Südkorea sank von März bis August um 61 Prozent auf zwei Millionen. Besonders unter Druck geriet die Supermarktkette Lotte, die es gewagt hatte, einen Golfplatz für die THAAD-Batterien zur Verfügung zu stellen. Lotte hat sich schon früh in den chinesischen Markt gewagt, und betrieb bis Anfang des Jahres dort mehr als 100 Filialen. 80 Prozent der Märkte des Konzerns mussten auf Druck der chinesischen Regierung über Nacht schließen. Die offizielle Begründung lautete wie oft in solchen Fällen: Brandschutz.

Ölembargo mit Lücken

Nachdem Südkoreas neuer Präsident Moon Jae-in eingelenkt und Peking versprochen hatte, keine weiteren Einheiten des Systems zu installieren, haben sich die Wogen wieder geglättet. Bei einem Treffen von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und Südkoreas Präsident vor Weihnachten in Peking vereinbarten beide Seiten, ihre Beziehungen wieder zu normalisieren. So rief Moon zu einem "Neustart" auf der Basis von "Freundschaft und Vertrauen" auf. Damit nichts mehr schief geht soll nun sogar eine direkte Hotline zwischen den beiden Staatsführern eingerichtet werden.

Das neue Jahr startet nun jedoch mit einer neuen Episode der schwierigen Dreiecksbeziehung. Einerseits will Moon seine Schutzmacht USA nicht vor den Kopf stoßen, andererseits darf er auch den wichtigen Handelspartner China nicht dauerhaft vergraulen. Wie knifflig das werden kann zeigen die Ereignisse um den jüngsten Verstoß gegen das von den USA und der UN durchgesetzte Ölembargo gegen Nordkorea. Vergangene Woche wurde bekannt, dass Südkoreas Küstenwache ein in Hongkong registriertes Schiff festgesetzt hat, dass 600 Tonnen Mineralölprodukte an Nordkorea geliefert haben soll. Erst kurz zuvor hatte US-Präsident Donald Trump Peking vorgeworfen, sich nicht an die gemeinsam beschlossenen Sanktionen zu halten. Man habe China auf "frischer Tat ertappt", twitterte der US-Präsident dann auch, auf Satellitenaufnahmen verweisend, die die Ölverladung auf hoher See zeigen sollen.

Nordkoreas geschicktes Embargo-Management

Laut einem Bericht der südkoreanischen Zeitung "Chosun Ilbo" habe es seit Oktober rund 30 ähnliche Verstöße gegeben. Die Regierung in Peking wies die Vorwürfe umgehend zurück. Offiziell habe China bereits seit November keine Ölprodukte wie Benzin oder Diesel mehr nach Nordkorea exportiert. Hongkong ist jedoch eine Sonderverwaltungszone. "Das ist ein typischer Fall, wie Nordkorea geschickt die Sanktionen des Uno-Sicherheitsrats umgeht, indem es seine illegalen Netzwerke nutzt", sagte ein Sprecher des südkoreanischen Außenministeriums. Die südkoreanische Linie klang vermittelnd: Es gab die Lieferung, aber Peking wusste nichts davon. Ist das denkbar? Ja, aber sehr wahrscheinlich ist es nicht. Man kann davon ausgehen, dass, wenn Peking unbedingt will, dass nichts geliefert wird, auch nichts geliefert wird, auch nicht hinter den Kulissen. 

Der Uno-Sicherheitsrat hatte erst am 22. Dezember die Sanktionen gegen Nordkorea verschärft. Die USA hatten sich mit China auf ein Lieferverbot für fast 75 Prozent raffinierter Ölprodukte nach Nordkorea geeinigt.

Peking ist jetzt jedenfalls froh, dass Vertreter der beiden Koreas sich treffen. Doch auf welche Seite sich Präsident Moon Jae-in nun auch schlägt, er wird es nicht Washington und Peking gleichermaßen recht machen können. Er ist also gut beraten, sich auf die Interessen Südkoreas zu konzentrieren.

Unser Kolumnist, der Bestseller-Autor Frank Sieren („Geldmacht China"), lebt seit über 20 Jahren in Peking.