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Sierens China: Neustart gegen Brüssel

Frank Sieren31. März 2016

Der erste Besuch von Chinas Präsidenten Xi in Tschechien ist nicht reibungslos verlaufen. Obwohl der tschechische Präsident Zeman für Investitionen aus Peking wirbt, sind die Tschechen gespalten, meint Frank Sieren.

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Chinas Xi Jinping bei Milos Zeman in Prag (Foto: DPA/M. Krumphanzl)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Krumphanzl

Milos Zeman, Tschechiens Präsident, redete nicht um den heißen Brei herum: In der Vergangenheit seien die Beziehungen zu China "sehr schlecht" gewesen, auch weil das Land sich "zu unterwürfig gegenüber dem Druck der USA und der Europäischen Union" gezeigt habe. Aber damit sei nun Schluss. Künftig werde Tschechien sich nicht mehr in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einmischen. Tschechien sei zudem nunmehr ein "unabhängiges Land", das seine Außenpolitik wieder "auf der Grundlage eigener Interessen" verfolge. Ein Hieb nach Brüssel. Denn obwohl Prag westlicher als Frankfurt an der Oder oder Wien liegt, fühlt sich Zeman von Brüssel als osteuropäisch abgestempelt und vernachlässigt.

Diese Botschaften Zemans sollten Präsident Xi Jinping und seine mitgereiste Wirtschaftsdelegation milde stimmen. Es war das erste Mal seit mehr als 50 Jahren, dass ein chinesischer Staatschef Prag besuchte. Es war überhaupt das erste Mal in der Amtszeit Zemans, dass mit Xi ein so wichtiger Staatsgast in Prag einen Zwischenstopp machte. Und es war zudem auch noch Xis einziger Aufenthalt in Europa, bevor er am Mittwoch zum Nuklear-Gipfel in die USA weiterreiste. Xis Stopp erfüllte Zemans Wunsch, den Beziehungen beider Länder einen "Neustart" zu geben.

Tschechien setzt auf Geld aus Peking

Tschechien braucht auch dringend Investitionen, um seine Infrastruktur zu modernisieren. Und da die Fördermittel aus der EU ausgeschöpft sind beziehungsweise nicht ausreichen werden, um das Land nach vorne zu bringen, setzt Zeman auf Geld aus Peking. Vor zwei Jahren bereits wurde eine Reihe von Verträgen abgeschlossen. Seitdem sind chinesische Investitionsgelder nicht nur in die Finanzbranche und Medienlandschaft Tschechiens geflossen, sondern auch in einen Prager Fußballklub, eine tschechische Großbrauerei und die Luftfahrtindustrie. Allein Xi'an Shaangu Power, eine Maschinenbaufirma aus der Provinz Shanxi, hat 318 Millionen Yuan (43,5 Millionen Euro) für 75 Prozent an Brno Ekol, einen führenden tschechischen Turbinenhersteller, bezahlt.

Chinesische Investitionen in Tschechien haben in den vergangenen zwei Jahren sprungartig von rund 180 Millionen Euro auf 1,4 Milliarden Euro zugenommen. Und die tschechischen Investitionen in China lagen Ende vergangenen Jahres sogar bei über 1,6 Milliarden Euro. Viele tschechische Unternehmer haben erkannt, dass Tschechien in der "One Belt, One Road"-Initiative Chinas eine wichtige Rolle in Mittel- und Osteuropa zukommt. Das Land hat aufgrund seiner Lage eine zentrale Bedeutung als Transport- und Logistikknotenpunkt. Seit Herbst vergangenen Jahres gibt es Direktflüge zwischen Peking und Prag. Und jährlich steigt die Quote der chinesischen Touristen, die nach Prag fahren um über 30 Prozent. Den Chinesen ist Tschechien vor allem bekannt, weil die Volkswagenmarke Skoda dorther kommt, von der im vergangenen Jahr immerhin 270 000 Autos in China verkauft wurden.

Xi nur Teilen der Tschechen willkommen

Viermal haben sich Xi und Zeman in den vergangenen Jahren schon getroffen. Und Tschechien ist eines der Länder, das als eines der ersten Länder wieder diplomatische Beziehungen mit der Volksrepublik China aufnahmen. 67 Jahre ist das her. Tschechische Ingenieure waren es, die in den 50er und 60er Jahren auf Geheiß Moskaus beim Wiederaufbau Chinas mithalfen. Wie wichtig Zeman China ist, konnte Brüssel im vergangenen September bei der Gedenkfeier des 70. Jubiläums des Sieges des chinesischen Volkes gegen Japan beobachten. Obwohl es aus Brüssel die Empfehlung gab, dies nicht zu tun, reiste Zeman als einziges Staatsoberhaupt der EU nach Peking. In Brüssel hat man sich darüber schon geärgert, den Ärger aber heruntergeschluckt.

Bei vielen der tschechischen Bürger und dem alten Staatspräsidenten Vaclav Havel, dem Vorvorgänger von Zeman, war der Dalai Lama ein gern gesehener Gast in Tschechien. Und so gerieten Befürworter und Gegner des Kurses von Zeman auf den Straßen Prags aneinander. Die hohen Sicherheitsmaßnahmen, die getroffen werden mussten, legten den Luftraum über Prag teilweise lahm. Präsident Xi wird auf seiner Reise mitbekommen haben, dass er nur von Teilen der Bevölkerung freundlich empfangen wurde. Xi nahm das in Kauf. Wichtiger als die Kritik aus der Bevölkerung an China war ihm die Kritik der Bevölkerung an Brüssel, die von der tschechischen Regierung geteilt wird.

Osteuropa große Bedeutung für China

Der Ärger über Brüssel, ob er berechtigt ist oder nicht, hilft Xi, China tiefer in Osteuropa zu verankern, natürlich ohne Brüssel um Erlaubnis zu fragen. Denn Osteuropa ist schon seit einigen Jahren eine zentrale Region bei der wirtschaftlichen Expansionsstrategie Chinas. Lag das Handelsvolumen zwischen 16 mittel- und osteuropäischen Ländern mit China 2010 noch bei 43.9 Milliarden US-Dollar, waren es 2014 schon 60.2 Milliarden. Allein bis 2019 soll es auf über 120 Milliarden steigen. Damit beeinflusst Xi - trotz seines Postulates der Nichteinmischung - natürlich auch die innereuropäischen Machtverhältnisse. Denn nun ist Brüssel am Zug, sich um das aufmüpfige Mitglied der EU-Familie zu kümmern. Darauf wartet Zeman gespannt. Auch hier gilt: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Zumindest solange die Tschechen sich nicht deutlicher gegen China stellen.

Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit über 20 Jahren in Peking.