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Pekings Ärger über Athen

Frank Sieren1. Juli 2015

Auch China war lange Zeit ein Bankautomat Griechenlands, aus dem Geld kam, wenn die griechische Regierung klamm war. Doch auch Peking vergeht langsam die Lust an der Regierung Tsipras, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Chinesischer Premier Li Keqiang mit EU-Kommissionspräsident Juncker und Donald Tusk
Chinesischer Premier Li Keqiang mit EU-Kommissionspräsident Juncker (li.) und EU-Ratspräsident Donald Tusk (re.)Bild: AFP/Getty Images/J. Thys

Der Besucher war wichtig, aber eigentlich stand er im Weg. Ausgerechnet in dieser Woche, in der das Verhältnis zwischen der griechischen Regierung und Europa sich zuspitzte wie nie zuvor, kam Chinas Premier und Regierungschef Li Keqiang nach Brüssel. Das war Pech. Anlass seiner Reise war der EU-China-Gipfel am Montag, aber auch der 40. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Europäischen Union und China.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat sich über die Zusage gefreut, dass China seinen EU-Investitionsfonds (EFSI) unterstützen wird. Doch Brüssel konnte den hohen Gast am Montag nicht wirklich gebrauchen. Lis Eröffnungsrede beim EU-China Gipfel musste wegen der möglichen Zahlungsunfähigkeit Griechenlands verschoben werden. Überhaupt drängten die Griechenland-Schlagzeilen die Milliarden-Investitionen, die China in Belgien und bei Airbus unterzeichnete, im Nachrichtenfluss völlig in den Hintergrund. Statt Motiven von Li auf Europatour gingen Bilder von Griechen, die vor den Bankautomaten Schlange stehen, um die Welt.

Klare Position Pekings

Li bezog bei der Pressekonferenz mit EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionschef Juncker ungewöhnlich deutlich Position zum aktuellen Geschehen und machte klar, wo Chinas Interessen liegen: "Als Investor will China ein vereintes, prosperierendes Europa und einen starken Euro sehen." Unter diesen Bedingungen entfalten die chinesischen Investitionen ihre größte Wirkung. Deshalb ist Peking dafür, dass Brüssel den Griechen weiterhin Geld schickt. So wie Peking das mit seinen rückständigen Provinzen im Westen des Landes macht. Oder auch mit rückständigen Regionen in aller Welt. Dazu zählt eben auch Griechenland.

Lange lief es ja nach Plan in Chinas Beziehungen zu Griechenland: Erst im Frühjahr waren der griechische Vizepremier Giannis Dragasakis und Außenminister Nikos Kotzias mit einer Delegation in Peking. Sie warben um Investitionen aus dem Reich der Mitte um die Haushaltskasse aufzufüllen. So wurde der Weg geebnet, den Verkauf des Hafens von Piräus wieder aufzunehmen, nachdem die Regierung Tsipras Anfang des Jahres zunächst die Privatisierung des Hafens gestoppt hatte. Piräus ist einer der verkehrsreichsten Häfen der Welt. Seit 2008 gehören dem chinesischen Staatsreeder Cosco 70 Prozent des Frachthafens. Das Staatsunternehmen aus China will nun noch mehr Anteile kaufen. Jetzt, da Griechenland so dringend Geld braucht, steht dem wohl nichts mehr im Wege.

Frank Sieren Kolumnist Handelsblatt Bestseller Autor China
DW-Kolumnist Frank SierenBild: Frank Sieren

China will ein starkes Europa

Doch wenn Griechenland nun unkontrolliert in den Bankrott schlittert, würde das China einen Strich durch die Rechnung machen. Über Griechenland will Peking den europäischen Markt als einen wichtigen Abnehmer für Produkte aus China weiter erobern. Im 40. Jahr der Beziehungen zwischen der EU und China werden täglich Waren im Wert von einer Milliarde Euro gehandelt. Und die EU importiert deutlich mehr, als sie ihrerseits nach China exportiert.

Ein schwaches Europa würde nicht nur bedeuten, dass die Nachfrage nach Waren aus dem Reich der Mitte nachlässt, sondern auch, dass Chinas geopolitisches Interesse an einem starken Europa als Gegengewicht zu den USA sich nicht erfüllt. Deshalb zeigt sich Premier Li konziliant: "Europa kann sich Chinas Unterstützung bei der Bewältigung der internationalen Finanzkrise und dem Schuldenproblem in Griechenland sicher sein." Vorausgesetzt allerdings, dass die griechische Regierung nicht immer alles aufs Spiel setzt. Auf die Frage, ob Li auch Griechenland unterstützen würde, blieb er in Brüssel eine klare Antwort schuldig.

Unser Kolumnist Frank Sieren gilt als einer der führenden deutschen China-Spezialisten. Er lebt seit 20 Jahren in Peking.