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Sierens China: Wenn Zwei sich verbünden, was macht der Dritte?

Frank Sieren20. Oktober 2014

Indien und Japan bauen ihre Kooperation aus. Das mag China gar nicht – und es passiert genau aus diesem Grund, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Narendra Modi und Shinzo Abe 01.09.2014 in Tokio
Bild: Reuters

Indiens neuer Premierminister Narendra Modi und Japans Premier Shinzo Abe sind die besten Freunde. Diesen Eindruck erwecken zumindest ihre Twitter-Gespräche in letzter Zeit. Erst gratulierte Abe seinem Kollegen herzlich zum 64. Geburtstag und erinnerte an die schöne Zeit, die die beiden bei einem Staatsbesuch in Japan Anfang September zusammen hatten. Nur ein paar Tage später schon konnte Modi zurück gratulieren: Abe wurde 60, und Modi twitterte Geburtstagswünsche.

Die beiden Premiers zelebrieren ihre Freundschaft öffentlich. Und das hat mindestens einen guten Grund: Peking soll sehen, dass es auch ohne das Reich der Mitte geht. Und auch deswegen wurde bei Modis Staatsbesuch letzten Monat eine Reihe von Beschlüssen gefasst, die die Zusammenarbeit weiter verstärken soll. Noch liegt das jährliche Handelsvolumen zwischen Japan und Indien bei etwa 18 Milliarden US-Dollar. Für das nächste Jahr peilt man allerdings schon 25 Milliarden an. In den nächsten fünf Jahren will Japan darüber hinaus bis zu 35 Milliarden Dollar in indische Projekte investieren.

China bleibt wirtschaftliches Schwergewicht

Es spricht nichts dagegen, dass sich die zweit- und drittgrößten Volkswirtschaften Asiens zusammentun, um ein wenig unabhängiger von der unangefochtenen Nummer eins, China, zu werden. Wettbewerb belebt das Geschäft. Allerdings sollten sie dabei das Augenmaß nicht verlieren. 2013 wurden zwischen Japan und China Waren im Wert von mehr als 312 Milliarden US-Dollar gehandelt. Fast ein Fünftel des Exports ging nach China. In Indien rollt der bilaterale Handel gerade erst so richtig an. Waren es 2005 noch nur 5 Milliarden Dollar, so wuchs das Handelsvolumen 2013 immerhin schon auf über 66 Milliarden Dollar an – also bereits mehr als doppelt so hoch wie das fürs nächste Jahr angepeilte Volumen zwischen Indien und Japan. Die Wahrscheinlichkeit, dass die neue Freundschaft wirtschaftlich die gleiche Bedeutung bekommt wie die jeweiligen Beziehungen zu China, ist jedoch relativ gering.

Dennoch ist es wirtschaftlich sinnvoll, dass sich die Länder in Asien in möglichst unterschiedlichen Konstellationen zusammentun. Mal mit und mal ohne China. Riskant wird es allerdings, wenn die wirtschaftliche Kooperation auch politisch aufgeladen wird. Abe und Modi schlagen gegenüber Peking auch außenpolitisch einen aggressiveren Ton an. Gemeinsam wollen sie sich bald zu trilateralen Gesprächen mit den USA treffen. Dann soll es auch noch gemeinsame Militärmanöver im Ostchinesischen Meer geben. Und auch die Verteidigungsminister beider Länder haben nun vereinbart, sich regelmäßig treffen zu wollen.

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DW-Kolumnist Frank SierenBild: Frank Sieren

Vor allem Symbolpolitik

Das sind eher symbolische Akte, denn von einer militärischen Kooperation hat Peking bei der gegenwärtigen politischen Lage nichts zu befürchten. Ärgern werden sich Pekinger Politiker dennoch. Probleme mit Indien und Japan gibt es schon genug. Mit Indien streitet sich China um den gemeinsamen Grenzverlauf, und Chinas enge Freundschaft mit Pakistan gefällt den indischen Politikern genauso wenig. Die Beziehungen zu Japan sind nicht einfacher. Seit Jahren schwelt ein Streit um die Gewässer rund um die Senkaku-Inseln im Chinesischen Meer.

Und erst vergangene Woche haben wieder japanische Politiker den Yasukuni-Schrein besucht und auch verurteilte Kriegsverbrecher als Helden geehrt, die an Gräueltaten gegen China beteiligt waren. Premier Abe schickte diesmal eine Opfergabe. Im vergangenen Dezember war Abe noch selbst dorthin gepilgert und hatte China und Südkorea damit enorm verärgert. In Peking sieht man die Geste Abes als Zeichen, dass Japan immer wieder abwägt, wie tief die Beziehungen mit China reichen sollen. Der Grund liegt auf der Hand: China und Japan verhandeln derzeit um die Bedingungen eines Treffens zwischen Abe und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping beim Gipfel des Asien-Pazifik Staaten (APEC) im November in der Nähe von Peking. Dann treffen alle Streithähne wieder aufeinander.

Sinnvoll, China zu verärgern?

Was Abe und Modi sich nüchtern überlegen müssen ist, in welchem Maß sie es sich leisten können, China zu verärgern. Japans Wirtschaft braucht China als Produktionsstandort und Absatzmarkt. Und Modi will Indien einen ähnlichen wirtschaftlichen Aufschwung bescheren, wie ihn China in den vergangenen 20 Jahren erlebt hat. Chinas Präsident Xi hat dafür bereits – anders als Japan – seine Unterstützung zugesagt. China wird in den nächsten Jahren Investitionen in zweistelliger Milliardenhöhe in die indische Infrastruktur fließen lassen, beim Bau von Industrieparks helfen und den Handel mit Indien noch mehr ankurbeln. Asien steckt gegenwärtig in Machtverflechtungen, in denen es sich lohnt zweimal nachzudenken, bevor man außenpolitischen Schaden anrichtet, um innenpolitisch ein paar Punkte zu machen. Das gilt selbstverständlich auch für Peking.

DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.