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Sikorski: "Größere Verantwortung für die EU"

Rozalia Romaniec5. Februar 2013

Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski erklärt im DW-Interview, dass Europa auch institutionell besser auf internationale Konflikte vorbereitet sein muss.

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Porträt des polnischen Außenministers Radopslaw Sikorski (Foto: Rosalia Romaniec / DW)
Bild: DW/R.Romaniec

DW: Berlin befürchtet, dass Washington bald sein Engagement bei internationalen Konflikten reduzieren könnte. Dadurch würde Europa vor Herausforderungen stehen, die es vielleicht gar nicht stemmen kann. Was ist Ihre Meinung dazu?

Radoslaw Sikorski: Tatsächlich ist es wichtig, dass sich Europa zum Beispiel in Libyen oder Mali, also in seiner direkten Nachbarschaft, um die eigene Sicherheit kümmert. Zwar mit amerikanischer Unterstützung, aber dennoch in erster Linie als Europa. Das bedeutet eine größere Verantwortung für die EU. Wir müssen als Europa auch institutionell besser auf Konflikte vorbereitet sein, die vor unseren Toren stattfinden oder sich anbahnen. Denn sie erfordern eine schnelle Reaktion.

Wieso kann sich Ihrer Meinung nach Europa in der wichtigen Frage der Sicherheit nicht einigen?

Das Problem ist sowohl ein politisches als auch ein strukturelles. Weil nicht alle europäischen Staaten zu einer gemeinsamen Politik in dieser Frage bereit sind, können wir auch keine institutionelle oder strukturelle Lösung finden. Ich finde, wir sollten nach dem bewährten Prinzip handeln: Wenn sich nicht alle einigen können, dann sollten wir es in einem kleineren Kreis tun. Alle wichtigen Integrationsprojekte der EU wurden zuerst in einer kleineren Gruppe beschlossen, ob Schengen oder die Eurogruppe. Es gibt eben diese Projekte, die nie in allen europäischen Staaten gleichzeitig verwirklicht werden.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und seine Kollegen aus Frankreich und Polen, Alain Juppé (r) und Radoslaw Sikorski (l) gehen am Mittwoch (29.02.2012) vor die Villa Borsig in Berlin. (Foto: dpa)
Sikorski mit Bundesaußenminister Westerwelle und dem ehemaligen französischen Außenminister JuppéBild: picture-alliance/dpa

Also ein neuer Club in Europa? Und wo liegt dabei die Rolle von Polen und Deutschland?

Ich schätze die Zusammenarbeit mit dem deutschen Außenminister Guido Westerwelle sehr. Er unterstützte die Ideen, die wir während der polnischen Präsidentschaft einbrachten. Jetzt zähle ich darauf, dass Deutschland in dieser Frage auch unser Partner wird.

Es gibt aber auch manche Projekte, die Sie einbrachten und die überhaupt keine Euphorie bei den Deutschen hervorriefen. Zum Beispiel wollen Sie die Europäische Stiftung für Demokratie voranbringen, die auf unbürokratische Weise demokratische Kräfte bei den Nachbarn Europas unterstützen würde. Die Deutschen geben aber kein Geld dafür...

Ich sehe das anders. In der EU-Geschichte gibt es nur wenige Projekte, die von der Idee bis zur Umsetzung so schnell realisiert wurden. Die Idee habe ich im Januar 2011 eingebracht und heute haben wir schon Geld auf dem Konto, einige Millionen auch von der EU. Die Stiftung hat ihre Organe, einen Rat und wird in diesem Jahr die ersten Projekte umsetzen. Polen hat dafür fünf Millionen Euro bereitgestellt. Deutschland - als ein Land, das die Demokratie liebt und eine große Wirtschaftskraft hat - wird bei diesem Projekt sicherlich auch zeigen, dass es die demokratischen Werte in anderen Ländern unterstützt.

Klingt das nicht etwas ironisch? Zumal man in Deutschland Stimmen hört, die behaupten, die Bundesrepublik habe schon genug eigene Stiftungen und Projekte, die sehr gut arbeiten. Manche halten eine neue Stiftung für unnötig.

Ich erinnere daran, dass alle in Europa der Meinung waren, dass wir eine solche Stiftung ins Leben rufen sollten. Wir haben das jetzt umgesetzt, denn wir sind überzeugt, dass ein solches Instrument auf der europäischen Ebene wirklich notwendig ist. Diese Stiftung soll eine Lücke füllen, die weder von nationalen Stiftungen noch von europäischen Fonds gefüllt werden kann. Denn in der EU bekommt man nur dann Geld, wenn man sich als Institution darum kümmert und alle strengen Voraussetzungen der europäischen Buchhaltung einhält. Damit sind viele spontane demokratische Kräfte in Nordafrika oder anderen Regionen nicht erfasst und bleiben ohne große Chancen auf eine solche Unterstützung. Wir als Polen wissen, dass man als in einer Diktatur lebender Demokrat auf verschiedenen Ebenen Hilfe benötigt und sich mit vielfältigen Methoden darum kümmern muss. Europa braucht ein solches Instrument, das die demokratische Entwicklung in seiner Nachbarschaft nachhaltig vorantreibt. Und die nationale Ebene ist zu begrenzt. Deutsche Stiftungen leisten in vielen Regionen gute Arbeit, aber das reicht nicht aus.

Welche Projekte werden von der Europäischen Stiftung für Demokratie als erste unterstützt?

Das entscheiden die entsprechenden Gremien. Die Europäische Stiftung für Demokratie darf nicht als Konkurrenz gesehen werden. Denn deutsche Stiftungen und andere dürfen ebenso auf die Mittel für ihre Projekte zugreifen. Die neue Stiftung hat die Mittel von der EU bekommen und damit greift ein Mechanimus, bei dem niemand verliert - und die, die um die Demokratie kämpfen, erhalten die Hilfe. Ich vertraue fest darauf, dass die deutsche Begeisterung und Entschiedenheit für die Unterstützung dieses Projektes noch aufblühen wird. Übrigens steht ein Deutscher an der Spitze der Stiftung.

Ein kurzer Blick nach Osten: Es scheint, als ob die Konflikte im Süden im Moment die Ostpolitik der EU etwas in den Hintergrund drängen - dabei gibt es gerade da einige Gemeinsamkeiten zwischen Deutschen und Polen. Wie steht es um die Integration des Ostens?

Ich meine, es ist umgekehrt. Wir beschäftigen uns mit dem Süden, weil dort Kriege herrschen. Über den Osten sprechen wir gerade weniger, weil wir dort Assoziierungsabkommen verhandeln: Der Osten ist viel näher an Europa als der Süden. Im Süden haben wir kein einziges Land, das auch nur als Kandidat für die Assoziierungsabkommen mit der EU infrage käme. Doch im Osten gibt es ein großes Land, mit dem wir uns diesbezüglich in einem fortgeschrittenen Prozess befinden. Im Moment ist es auch das einzige Land, mit dem wir die Verhandlungen abgeschlossen haben. Ob wir das Abkommen unterschreiben, hängt davon ab, ob die Ukraine die politischen Bedingungen so erfüllt, dass wir überzeugt sind, dass sie sich an die Erklärungen über die Rechtstaatlichkeit und Demokratie hält, die in unserem Vertrag stehen. Ich denke, dass das vor allem im Interesse der Ukraine ist und auch im Interesse der EU. Deshalb setze ich darauf, dass die ukrainische Regierung nichts unternimmt, was die Unterzeichnung des Vertrages gefährdet.

Radoslaw Sikorski ist seit 2007 Außenminister Polens. Nach seinem Studium der Politik, Wirtschaft und Philosophie in Oxford/Großbritannien arbeitete er in den 1980er Jahren als Journalist für diverse britische Zeitungen - unter anderem auch als Kriegsreporter in Afghanistan. 1989 kehrte er nach Polen zurück und begann seine politische Karriere.