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Silber zum Abschluss einer gelungenen WM

4. September 2011

Deutschlands Leichtathleten haben die Generalprobe für London 2012 bestanden. Drei WM-Titel und insgesamt sieben Medaillen machen Hoffnung. Am letzten Tag kam eine silberne für Hammerwerferin Betty Heidler hinzu.

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Hammerwerferin Betty Heidler hält ihre Silbermedaille in die Kamera(Foto: AP)
Trotz Medaille unzufrieden: Betty HeidlerBild: dapd

Die drei deutschen Weltmeister Robert Harting (Diskus), David Storl (Kugel) und Matthias de Zordo (Speer) haben die WM-Bilanz der deutschen Leichtathleten vergoldet. Mit den Silbermedaillen für Diskuswerferin Nadine Müller und Hammerwerferin Betty Heidler waren es erneut die Werfer, die den Hauptanteil der deutschen Medaillen sammelten. Hinzu kamen die Silbermedaille für Stabhochspringerin Martina Strutz und die Bronzemedaille für Siebenkämpferin Jennifer Oeser. Im Medaillenspiegel der WM in Daegu belegt der Deutsche Leichtathletikverband (DLV) mit dreimal Gold, dreimal Silber und einmal Bronze einen guten 5. Platz hinter den stärksten Nationen USA (12 x Gold/ 8 x Silber/ 5 x Bronze), Russland (9/ 4/ 6), Kenia (7 / 6/ 4) und Jamaika (4/ 4/ 1).

Diskuswerfer Robert Harting beiß in seine Goldmedaille (Foto: dapd)
Harting - Gold-Hoffnung auch in London 2012Bild: dapd

"Mit Siegertypen wie Harting, Storl und de Zordo gehören wir zu Recht zu den besten Leichtathletik-Nationen der Welt", zog der DLV-Sportdirektor Thomas Kurschilgen eine positive Bilanz. "In Hinblick auf die Olympischen Spiele 2012 haben wir unsere Standortbestimmung hier hervorragend bewältigt und eine exzellente Visitenkarte abgegeben." An die insgesamt neun Medaillen der Heim-WM von Berlin 2009 kam der DLV in Südkorea allerdings nicht heran. Dennoch sieht DLV-Vizepräsident Günther Lohre das deutlich verjüngte deutsche Team auf einem guten Weg zu den Spielen von London. "Ich glaube, wir haben eine sehr gute Basis", sagte er. "Wir haben hier 80 Prozent der Mannschaft gesehen, die wohl auch in London dabei sein wird. Wir sind die zweitbeste europäische Nation, das kann sich sehen lassen."

Jahresweltbeste verliert Gold

Dabei hätte es sogar einen WM-Titel mehr geben können. Doch Hammerwurf-Weltrekordlerin Betty Heidler fand am Schlusstag der WM nicht zu ihrer Form. Noch im März hatte sie mit 79,42 Metern einen neuen Weltrekord aufgestellt und war damit als Top-Favoritin in den Wettbewerb gegangen. Schließlich aber musste sich die 27-Jährige der Russin Tajana Lysenko geschlagen geben, die den Hammer auf 77,13 Meter schleuderte. Heidler selbst kam nicht über 76,06 Meter hinaus. Dritte wurde die Chinesin Wenxiu Zhang (75,03).

Hammerwerferin Betty Heidler beim Andrehen mit dem Hammer im Wurfring (Foto: AP)
Betty Heidler hatte sich mehr ausgerechnetBild: dapd

"Es war ein schwieriger Wettkampf", bilanzierte Heidler hinterher enttäuscht. "Ich habe mich irgendwie auf den Silberrang gerettet und bin überhaupt nicht zufrieden. Ich bin nicht in den Wettkampf reingekommen. Technisch hat mir das nicht gefallen. Beim Höhepunkt so ein Ergebnis - das ist nicht das, was wir uns vorgenommen haben." Auch ihr Trainer Michael Deyle war nicht glücklich: "Wir sehen das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Das lachende hat die Medaille gewonnen. Aber sie kann mehr und sie hat auch mehr erwartet", sagte er. Heidlers Trainingspartnerin Kathrin Klaas verpasste als Siebte mit 71,89 Metern erneut ihr erstes internationales Edelmetall.

Deutsche Staffeln patzen, Weltrekord für Jamaika

Yasmin Kwadwo wird von Anne Möllinger getröstet (Foto: dapd)
Enttäuschung bei Yasmin Kwadwo (l.)Bild: dapd

Eine peinliche Pleite gab es für die deutschen 4 x 100-Meter-Staffeln. Beide Teams – Männer wie Frauen – verloren im Vorlauf den Stab und verpassten so den Endlauf. Bei den Frauen war das allerdings nicht selbst verschuldet: Startläuferin Yasmin Kwadwo wurde kurz vor dem ersten Wechsel von der Schweizer Läuferin auf der Nebenbahn angerempelt und kam aus dem Tritt. Daher konnte sie die bereits los gesprintete Anne Möllinger nicht mehr erreichen. Der DLV legte sofort Protest ein, dem allerdings nicht stattgegeben wurde. Gold ging später an die USA vor Jamaika und der Ukraine.

Die deutschen Männer lagen bis zum letzten Wechsel gut im Rennen, doch dann sprintete Schlussläufer Alex Schaf zu früh los, so dass Sebastian Ernst ihn nicht mehr erreichen konnte. "Das war eine supergeile Woche für mich", wütete Ernst nach dem Rennen. "Über 200 Meter bin ich rausgeflogen, jetzt noch mit der Staffel. Ich bin stinksauer." Der Schuldige Alex Schaf gab sich dagegen kleinlaut: "Ich bin vielleicht ein bisschen zu schnell und ein bisschen zu früh losgelaufen", meinte er. Ohne deutsche Beteiligung siegte die Staffel Jamaikas um Wundersprinter Usain Bolt in Weltrekordzeit (37,04 Sekunden) vor Frankreich und St. Kitts & Nevis. Die ebenfalls favorisierten US-Amerikaner kollidierten beim letzten Wechsel mit der Staffel Großbritanniens. Beide schieden aus.

Afrika dominiert die Laufstrecken

In den weiteren Entscheidungen des letzten WM-Tages gab es kaum Überraschungen: Im Marathonlauf verteidigte der Kenianer Abel Kirui seinen WM-Titel von Berlin 2009. Nach 2:07:38 Stunden erreichte er das Ziel und hatte deutlichen Vorsprung auf seinen Landsmann Vincent Kipruto und den Drittplatzierten Äthiopier Feyisa Lilesa. Auch die letzte Entscheidung über eine Langstrecke wurde von Läufern mit afrikanischen Wurzeln dominiert. Der in Somalia geborene Europameister Mo Farah aus Großbritannien sicherte sich den Titel über 5000 Meter. Er kam nach 13:23,36 Minuten vor dem aus Kenia stammenden Bernard Legat (USA/13:23,64) und dem Äthiopier Dejen Gebremeskel (13:23,92) ins Ziel.

5000-Meter-Weltmeister Mo Farah jubelt (Foto: AP)
Weltmeister Mo Farah aus Großbritannien jubelt - im Hintergrund Bernard LagatBild: ap

Der Titel im Dreisprung der Männer ging mit der Weltjahresbestleistung von 17,96 Metern an den US-Amerikaner Christian Taylor, der vor Titelverteidiger Philips Idowu (Großbritannien/17,77) und Will Claye (USA/17,50) gewann. Über 800 Meter siegte bei den Frauen die Russin Marija Sawinowa. Sie setzte sich in 1:55,87 Minuten gegen Caster Semenya aus Südafrika (1:56,35) und die Kenianerin Janeth Jepkosgei (1:57,42) durch.

Deutsche Läufer nur selten konkurrenzfähig

Hindernisläuferin Gesa Felicitas Krause beim Überspringen eines Hindernis (Foto: dpa)
Deutsche Lauf-Hoffnung - Gesa KrauseBild: picture alliance/Gladys Chai von der Laage

Mit dieser und den weiteren Laufentscheidungen hatten die deutschen Athleten traditionell nichts zu tun, denn auch in Daegu sprinteten und liefen die Deutschen hinterher – oder oft erst gar nicht mit. Aufgeben wollen die Funktionäre bei dieser scheinbar aussichtslosen Aufholjagd auf der Bahn aber nicht. "Wir können jetzt nicht sagen: Nur weil die Kenianer und die Ostafrikaner stark sind, machen wir beim Laufen nicht mehr mit", betonte Günther Lohre. Immerhin konnten mit Georg Fleischhauer und Gesa Krause zwei Talente auf sich aufmerksam machen: Der 22-jährige Fleischhauer war im Vorlauf über 400 Meter Hürden in 48,72 Sekunden so schnell wie kein anderer Deutscher seit zehn Jahren. Gesa Krause erreichte bei ihrem WM-Debüt das Finale über 3000 Meter Hindernis und belegte dort einen hervorragenden neunten Rang. Zudem hat der DLV noch zwei derzeit verletzte Trümpfe in der Hinterhand: 100-Meter-Europameisterin Verena Sailer und die Hallen-Europameisterin über 100 Meter Hürden, Carolin Nytra. Dazu kommt noch Hochspringerin Ariane Friedrich, die ebenfalls verletzt fehlte.

Richtige Ausfälle gab es wenige. So stürzte Raúl Spank als Neunter im Hochsprung ab, die Geherinnen Melanie Seeger und Sabine Krantz kamen nicht ins Ziel, Sebastian Ernst rannte über 200 Meter weit hinterher. Die "Holz-Medaille" – also der vierte Platz – für die hoch gehandelte Speerwerferin Christina Obergföll zählte ebenfalls zu den herben Enttäuschungen. Hoffnung macht den DLV-Verantwortlichen dagegen, "dass im internationalen Trend in einer ganzen Reihe von Disziplinen in der Spitze die Leistungen etwas zurückgehen", wie Lohre sagte. Möglicherweise auch wegen der eingeführten Blutkontrollen. Gleichzeitig behaupten sich, so der frühere Stabhochspringer, "immer mehr kleine Länder in technischen Disziplinen". Und es gebe auch immer mehr Nationen, die Medaillen holen.

Autor: Andreas Sten-Ziemons
Redaktion: Wolfgang van Kann