1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Silvester-Übergriffe in der Analyse

Helena Baers17. Februar 2016

Die Aufarbeitung der Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht in Köln geht voran. Inzwischen gibt es mehr als 1000 Anzeigen und 73 Beschuldigte. In Düsseldorf tagt jetzt zum ersten Mal ein Untersuchungsausschuss.

https://p.dw.com/p/1Hwpa
Zahlreiche Menschen sind am 31.12.2015 in Köln (Nordrhein-Westfalen) auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofs zu sehen. Foto: Markus Böhm/dpa
Bild: picture-alliance/dpa/M. Böhm

Was genau ist in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof passiert? Das beschäftigt in den kommenden Tagen sowohl Politik als auch Justiz. Am Donnerstag (18.02.2016) kommt der neue Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags zu dem Thema zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Knapp eine Woche später muss sich ein Mann vor Gericht verantworten, weil er einer Frau auf dem Platz vor dem Hauptbahnhof das Handy geklaut haben soll.

Den Landtagsabgeordneten geht es vor allem darum, die Rolle der Sicherheitskräfte in der Nacht zu überprüfen. Die zentrale Frage für den Ausschuss ist, warum Polizisten nicht verhindern konnten, dass am Kölner Hauptbahnhof massenhaft Frauen sexuell bedrängt und bestohlen wurden. Auch die politische Verantwortung soll beleuchtet werden. Mehr als 80 zu beantwortende Detailfragen listen die Abgeordneten in ihrem Antrag auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses auf. Es geht zum Beispiel darum, ob die Polizei aus "vorauseilendem Gehorsam" Herkunft und Status der Verdächtigen zunächst nicht nannte. Um die Geschehnisse aufarbeiten zu können, wollen sich die Abgeordneten auch vor Ort in Köln ein Bild machen. In der ersten kurzen Sitzung wird es vermutlich aber nur um Formalia wie Sitzungstermine gehen.

Polizisten stehen am 06.01.2016 in Köln (Nordrhein-Westfalen) vor dem Hauptbahnhof. Foto: Oliver Berg/dpa
Was hat die Polizei in der Silvesternacht falsch gemacht? Das will der U-Ausschuss klärenBild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Mehr als 1100 Opfer und Geschädigte

Den Ermittlern liegen inzwischen mehr als 1000 Strafanzeigen vor, rund die Hälfte davon wegen Sexualdelikten. Der Zeitung "Die Welt" sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer, man gehe von mehr als 1100 Opfern und Geschädigten aus. Die Zahl der Opfer sei höher als die der Anzeigen, weil einige Betroffene gemeinsam Anzeige erstattet hätten.

Die Staatsanwaltschaft in Köln ermittelt derzeit gegen 73 Beschuldigte. Es handele sich "weit überwiegend" um Asylbewerber, Asylsuchende oder Menschen, die sich illegal in Deutschland aufhielten, sagte Bremer. Die meisten stammten aus Marokko und Algerien. Auch drei Deutsche stünden im Verdacht.

Aktuell sitzen laut Staatsanwaltschaft 15 Verdächtige in Untersuchungshaft. Nur einem von ihnen wird ein Sexualdelikt vorgeworfen, bei den anderen geht es vor allem um Eigentumsdelikte wie Diebstahl. Einem der Verdächtigen wird ab Mittwoch (24.02.2016) der Prozess gemacht. Der 23-jährige Marokkaner soll einer Frau in der Silvesternacht auf dem Bahnhofsvorplatz in Köln das Handy geklaut haben, als sie den Dom fotografieren wollte. Die Frau konnte ihn allerdings einholen. Er wurde von der Polizei festgenommen und sitzt seitdem in U-Haft.

NRW nimmt keine Asylbewerber aus Marokko mehr auf

Die Herkunft der meisten Tatverdächtigen hatte in Deutschland eine Diskussion über junge männliche Zuwanderer aus den Maghreb-Staaten ausgelöst. Die Bundesregierung will Marokko, Algerien und Tunesien zu sogenannten sicheren Herkunftsländern machen. Damit würden Abschiebungen in diese Länder vereinfacht. Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen (NRW), Ralf Jäger (SPD), hat inzwischen durchgesetzt, dass sein Land bis auf Weiteres keine Asylbewerber mehr aus Marokko aufnehmen muss. Das habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zugesagt.

Jäger betonte, NRW habe in der Vergangenheit die mit Abstand größte Zahl nordafrikanischer Asylbewerber aufgenommen, weil das Bundesamt die auf diese Länder spezialisierten Außenstellen in NRW angesiedelt habe. Die Zahl der Asylbewerber aus den Maghreb-Staaten hatte im vergangenen Jahr stark zugenommen. Ihre Anerkennungsquoten seien dagegen im Asylverfahren besonders gering.

Der NRW-Innenminister fügte hinzu: "Gerade mit diesen fast ausschließlich allein reisenden Männern aus den Maghreb-Staaten haben wir wirklich Probleme." Neben der Kölner Polizei hatte auch die in der Landeshauptstadt Düsseldorf über massive Schwierigkeiten mit Asylbewerbern aus Nordafrika berichtet. So hatte die Düsseldorfer Polizei 2244 Verdächtige aus Nordafrika erfasst, die in der Landeshauptstadt als Diebe unterwegs sein sollen.