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Simbabwe Veränderungen

26. August 2011

Im Interview mit der Deutschen Welle spricht Karin Roth, Mitglied im Entwicklungsausschuss des Bundestags, über die schwierige Menschenrechtslage in Simbabwe. Doch die Sozialdemokratin sieht auch Zeichen der Hoffnung.

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Bild: Stefanie Duckstein

DW-WORLD.DE: Sie hatten Gelegenheit, sich Mitte des Jahres die politische und soziale Lage in Simbabwe selbst anzuschauen. Was ist Ihre Bilanz, wo steht das Land?

Karin Roth: Das Land braucht dringend eine Veränderung hinsichtlich der politischen Situation. Alle leiden darunter, dass die politischen Verhältnisse mit Mugabe so festgezurrt sind. Alle warten letztendlich darauf, dass Mugabe entweder zurücktritt - was er wahrscheinlich nicht machen wird - oder dass eine andere Lösung gefunden wird.

War es nach den letzten Wahlen richtig, durch politischen Druck Mugabe dazu zu bringen, die Oppositionspartei MDC mit in die Regierung zu nehmen? Eine These ist: Im Grunde schadet sich die MDC dadurch, dass sie in der Regierung nicht viel zu sagen hat.

Man spürt Morgan Tsvangirai an, dass die Attentate, die er alle überlebt hat, für ihn persönlich nicht einfach waren - einschließlich seiner Frau. Gleichzeitig sieht man aber auch, dass seine Partei in den letzten Jahren dadurch an Profil gewinnen konnten, dass sie in der Regierung ist. Man sieht die Differenz zwischen MDC und der Partei Mugabes sehr stark - auch im Parlament. Der Vorsitzende des Parlaments ist ja ein Abgeordneter der MDC-Partei - auch dort spürt man, dass die Wahrnehmung der Verantwortung eine Sache ist, die sehr stark von dieser Partei getragen wird. Aus meiner Sicht war es keine falsche Entscheidung, sich an der Regierung zu beteiligen. Dadurch kann die MDC zeigen, was sie in den einzelnen Ressorts kann - und gleichzeitig sieht man auch, dass Mugabe und seine Partei, die sich jetzt krampfhaft an der Regierung hält, keine Antworten für die Zukunft hat. Und das ist eine Chance für die anstehenden Wahlen.

Antworten auf die Zukunft – welche Fragen muss das Land denn klären?

Eine ganz große Frage ist die ländliche Entwicklung, auch die Frage der Klimaveränderung und was in Simbabwe dagegen gemacht wird. Ein Beispiel ist die Rolle der Parks, und der durchaus wichtige Bereich des Tourismus, der eine ökonomische Entwicklungsmöglichkeit darstellt. Dann sehe ich im Bereich Gesundheit natürlich die großen Herausforderungen, die in allen Ländern Afrikas bestehen: die Gesundheitssystementwicklung. Ein anderes Thema ist das Nachholen dessen, was man versäumt hat, nämlich die Bildung wieder auf den Stand zu bringen, den sie einmal hatte. Das ist die Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung. Die Simbabwer sind sich sehr bewusst, dass sie früher einmal sehr viel stärker den Takt in der Hochschulwelt und im Bereich der Bildung in Afrika bestimmt haben. Dass sie das wieder aufholen müssen, darüber sind sich alle einig.

Ein Wiedererstarken Simbabwes hätte ja tatsächlich große Auswirkungen für die Region...

Ja, vor allem, weil die Potenziale vorhanden sind! Und das wird von der MDC Partei gesehen. Es ist eine große Herausforderung. Neue Dynamik ist in diesem Land aber schnell zu erreichen, weil die notwendigen Strukturen noch erhalten sind.

Sie hatten Gelegenheit mit der Zivilgesellschaft zu sprechen. Können Sie uns etwas über deren Arbeit sagen?

Übergriffe sind an der Tagesordnung. Wir haben auch mit Menschenrechtsverteidigern gesprochen. Sie sehnen sich möglichst baldige Neuwahlen herbei und sie sind sich auch darüber bewusst, dass sie in Zeiten des Übergangs sind. Doch die Gefahren sind nicht zu übersehen. Trotz alledem sind die Menschen bereit, für ihre Rechte einzutreten - bis hin zur Kirche. Wir haben auch mit einem Bischof gesprochen, der in Deutschland gelebt hat und jetzt wieder zurück ist in seinem Heimatland. Alle wollen mithelfen, dass das Land sobald wie möglich wieder auf die Beine kommt.

Haben Ihnen Ihre Gesprächspartner aus der Zivilgesellschaft auch gesagt, woher der Druck auf das System kommen kann?

Die Hoffnung, dass die Europäer und die SADC-Länder Druck ausüben, ist groß, sie ist sehr groß. Ich denke das gilt auch für die Afrikanische Union insgesamt. Die Menschen erhoffen sich Beistand der internationalen Gemeinschaft bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahlen - und auch für die Zeit danach. Doch auch oppositionelle Strukturen, die von unten kommen, sind inzwischen sehr gut gefestigt.

Haben Deutschland und die EU denn den richtigen politischen Umgang mit dem Regime in Simbabwe gefunden? Ist die Sanktionspolitik richtig? Oder sollte Deutschland und Europa seine Politik noch einmal überdenken?

Es ist schon so, dass die Investitionsbeschränkungen ein politisches Signal waren. Aber je länger es dauert, umso schwieriger wird es. Ich glaube, dass die Internationale Staatengemeinschaft mit dieser Entscheidung politisch gut reagiert hat, aber wir brauchen jetzt dringend Strategien für den Übergang. Es fängt damit an, dass wir im Gesundheitsbereich einiges mehr machen könnten, aber auch in dem Bereich für Frauen und Mütter. Organisationen der Zivilgesellschaft können die Lücken natürlich nicht alleine schließen. Wir haben auch mit Vertretern von Mercedes Benz und VW gesprochen, die vor Ort sind. Sie setzen große Hoffnungen in neue Investitionen. Nach einem Regierungswechsel geht es damit mit Sicherheit ganz schnell. Bestimmte finanzielle Investitionen, die wir unterhalb der Investitionsbeschränkung zugesagt haben, sollte man durchaus tätigen. Zum Beispiel Wege zur Entwicklung des ländlichen Raumes. Das ist ein Infrastrukturprojekt, das dem Land wirklich hilft, wieder auf die Beine zu kommen.

Das Gespräch führte Ute Schaeffer

Redaktion: Jan-Philipp Scholz