1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Vergessene Doping-Proben

Florian Bauer30. April 2012

Die eingefrorenen Dopingproben von Olympia 2004 werden in gut drei Monaten vernichtet. Nachgetestet wurden sie bisher nicht. Aber jetzt nimmt die Diskussion um schärfere Dopingkontrollen erneut Fahrt auf.

https://p.dw.com/p/14kmU
Olympische Ringe und eine Spritze (DW-Grafik: Peter Steinmetz)
Bild: DW-Montage/fotolia.com/Kaarsten

Gut drei Monate sind es noch bis zu den Olympischen Sommerspielen (27.07. – 12.08.2012) in London. Und natürlich stehen dann nicht nur die Wettbewerbe an sich, sondern auch die Sauberkeit der Spiele im Blickpunkt. Wieder einmal soll es so viele Dopingkontrollen geben, wie - angeblich - nie zuvor: 6.500 sind geplant. Aber wie ernst nimmt es das Internationale Olympische Komitee (IOC) wirklich mit der Dopingbekämpfung?

Es lohnt ein Blick zurück. Die Olympischen Spiele in Athen 2004 sind olympisches Neuland. Erstmals werden die Dopingproben der Olympischen Spiele eingefroren - und seitdem Proben aller Olympischen Spiele. Acht Jahre lang können sie danach mit neuen oder verbesserten Nachweismethoden für Dopingsubstanzen nachgetestet werden. So sieht es der Welt-Anti-Doping-Code vor.

Über 15.000 olympische Dopingproben von vier Olympischen Spielen lagern im Schweizer Anti-Doping-Labor in Lausanne. Von Athen 2004, Turin 2006, Peking 2008 und Vancouver 2010.

Proben von Athen vor Vernichtung

Die Proben von Athen 2004 werden in gut drei Monaten vernichtet, und ersetzt durch die Dopingproben von London. Doch nach Informationen der ARD-Dopingredaktion wurden die Proben bis heute nie nachgetestet. Nie genutzt. Seit acht Jahren.

3.667 Urin- und Blutproben lagern seit acht Jahren also in Lausanne, ohne dass etwas passiert ist. Es ist ein Skandal, ein Skandal der vergebenen Chance, der vergessenen Proben.

Das Olympiastdion von Athen (Foto: AP)
Die Dopingproben der Olympischen Spiele von Athen 2004 wurden bis heute nicht nachgetestetBild: AP

Der Chef der medizinischen Kommission des Internationalen Olympischen Komitees, Arne Ljungqvist, ist zuständig für die Nachtests. Er sagt nur auf die Frage, warum die 2004er Proben von Athen nicht nachgetestet wurden: "Warum hätten wir das tun sollen? Auf was sollten wir denn nachtesten? Die Methoden damals waren gut genug. Wir haben keine Informationen, dass damals irgendwas genommen wurde, das wir nicht testen konnten."

Neue Testverfahren

Das sehen Experten ganz anders. Viele Laborleiter von IOC-akkreditierten Laboren verweisen auf ausreichend neue oder weiterentwickelte Testverfahren, die für Nachtests eingesetzt werden könnten. So auch Professor Mario Thevis vom Kölner Dopingkontrolllabor. Er war selbst für das IOC bei den letzten Olympischen Spielen. Er gilt als einer der anerkanntesten Dopingforscher weltweit und erklärt, wie man sich das vorstellen könne: "Zum damaligen Zeitpunkt wurde ein Medikament eingenommen und in einem gewissen Zeitraum, etwa sieben bis 14 Tage vor den Spielen wieder abgesetzt. Das wäre damals 2004 in den Tests vor Ort nicht aufgefallen. Heutzutage können wir bei Nachanalysen mit deutlich verbesserten Methoden dieses Medikament oder Rückstände auffinden.“

Auch der Generaldirektor der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) im kanadischen Montreal ist überrascht von den ARD-Recherchen und von der Reaktion des IOC. David Howman verweist darauf, dass seine Agentur seit 2004 mehr als 50 Millionen Dollar in die Verbesserung von Dopingnachweisverfahren investiert habe. "Und zwar, weil wir Dopingsubstanzen besser nachweisen wollen. Und heute sind die Tests viel besser. Wenn man die besseren Tests also auf die Proben von 2004 anwendet, dann ist doch klar, dass es wahrscheinlich ist, dass man bei Nachtests positive Fälle findet", erklärte Howman.

David Howman von der World Anti-Doping Agency WADA. Foto: REUTERS)
Überrascht? David Howman von der Welt-Anti-Doping-Agentur WADABild: Reuters

"Komplette Farce"

Am 18. Mai tagt das Exekutivkomitee der Welt-Anti-Doping-Agentur. Dem will David Howman empfehlen, dem IOC sofort Nachtests vorzuschlagen. Denn am Ende muss das IOC selbst - als Besitzer der Proben - entscheiden, ob doch noch nachgetestet wird. Das legt auch Richard Pound, selbst Mitglied des IOC, seinen Kollegen nahe. In Montreal sagt er: "Im Sommer bei den Spielen in London wird es zu spät sein, dann sind die acht Jahre rum. Wir sollten jetzt die neuen Nachweistechniken nutzen. Da gibt es wahrscheinlich einiges zu finden. Selbst wenn nicht, sollten wir es als IOC trotzdem tun, sonst wäre das doch eine komplette Farce gewesen, dass wir das alles so lange gelagert haben."

Die Zeit läuft ab für das IOC. Über 3.000 Dopingproben warten auf ihre Vernichtung oder doch noch darauf, nachgetestet zu werden. Jetzt ist das IOC am Zug.