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Skandalblatt veröffentlicht letzte Ausgabe

10. Juli 2011

Mit der schlichten Schlagzeile "Thank You & Goodbye" verabschiedete sich die durch einen Abhörskandal zu Fall gebrachte britische Boulevardzeitung "News of the World". Sie hatte durchschnittlich 7,5 Millionen Leser.

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Redakteure der Zeitung mit der letzten Ausgabe (Foto: AP)
Redakteure der Zeitung mit der letzten AusgabeBild: dapd

Nach einer dramatischen Woche ist an diesem Sonntag (10.07.2011) die letzte Ausgabe der traditionsreichen britischen Boulevardzeitung "News of the World" erschienen. Der zum Imperium von Rupert Murdoch gehörende Verlag News International hatte am Donnerstag bekanntgegeben, dass das Blatt nach 168 Jahren eingestellt wird. Zuvor waren neue Details in dem Skandal um abgehörte Handys ans Tageslicht gekommen, der die Zeitung seit Jahren beschäftigt.

Selbstkritik und Eigenlob

Ausgaben der 'News of the world' in einem Papierkorb (Foto: AP)
168 Jahre lang beherrschte die Zeitung den britischen MedienmarktBild: dapd

Die Redakteure entschuldigten sich in ihrem Nachruf dafür, ihre Leser enttäuscht zu haben. Zu den Anschuldigungen, unter anderem Schmiergelder an Polizisten gezahlt zu haben, äußerten sie sich allerdings nicht.

Auf der letzten Titelseite der Sonntagszeitung sind unter anderem die Worte "Die beste Zeitung der Welt 1843-2011" zu lesen. "Nach 168 Jahren sagen wir traurig, aber sehr stolz unseren 7,5 Millionen Lesern Lebwohl", heißt es in einer zweiten Überschrift. Auf der Vorder- und der Rückseite der letzten Ausgabe war eine Collage mit Bildern der vergangenen Erfolgsstorys der Zeitung zu sehen.

Journalisten arbeiteten mit unlauteren Mitteln

Titelblatt einer Ausgabe von 'News of the World' (Foto: AP)
Jahrelang hörten die Redakteure unerlaubt Telefonate abBild: newsoftheworld.co.uk

Journalisten sollen die Telefone von bis zu 4000 Menschen angezapft haben. Neben Prominenten und Politikern sollen auch Opfer von Straftaten betroffen sein. Außerdem sollen Bestechungsgelder an die Polizei geflossen sein. Im Laufe der Woche hatten immer mehr Firmen ihre Anzeigen für die anstehende Ausgabe des Sonntagsblattes zurückzogen.

Die rund 200 Mitarbeiter des Unternehmens sollen noch drei Monate lang ihr Gehalt erhalten und zum Teil andere Stellen im Unternehmen angeboten bekommen.

Opposition fürchtet Vernichtung von Beweisen

Die Opposition befürchtet in dem Abhörskandal die Zerstörung von Beweisen und Dokumenten und fordert deshalb eine schnelle Untersuchung. Premierminister David Cameron müsse sicherstellen, dass noch an diesem Wochenende konkret Mitglieder für einen richterlichen Untersuchungsausschuss bestimmt würden, hieß es in einem am Samstag veröffentlichten Brief der sozialdemokratischen Labour-Partei an den Regierungssitz Downing Street 10.

Porträt von David Cameron (Foto: AP)
Premierminister Cameron trat die Flucht nach vorne an und versprach AufklärungBild: ap

Zuvor hatten mehrere Medien berichtet, die Polizei gehe dem Verdacht nach, bei dem Boulevardblatt könnten Millionen von internen E-Mails gelöscht worden sein, um die Polizeiermittlungen einzuschränken. Ein Sprecher des hinter "News of the World" stehenden Verlags News International bezeichnete die Berichte als "Quatsch".

Auch Cameron unter Druck

Camerons Büro teilte mit, man handle "so schnell wie möglich und wie es juristische erlaubt ist" und sei bereits auf der Suche nach einem Richter für einen Untersuchungsausschuss. Vermutlich werde es am kommenden Mittwoch Gespräche zwischen Cameron und Labour-Chef Ed Miliband geben.

Cameron war unter Druck geraten, nachdem sein früherer Berater Andy Coulson festgenommen worden war. Coulson kam am späten Freitagabend auf Kaution frei und muss im Oktober erneut bei der Polizei erscheinen.

Cameron hatte angekündigt, nach der derzeit laufenden polizeilichen Untersuchung solle eine unabhängige Kommission dem Skandal auf den Grund gehen. Der Premier kündigte zudem einen Ausschuss an, der die enge Verbindung zwischen Politik und Presse im Vereinigten Königreich beleuchten und die dahinter stehende Ethik sowie die Praktiken untersuchen soll.

Autorin: Annamaria Sigrist (dpa, dapd, rtr, afp)
Redaktion: Siegfried Scheithauer