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Kommunisten, Kapitalisten, Sklavenhalter

Gui Hao 18. Juni 2007

Den chinesischen Behörden wird vorgeworfen, Sklavenhalter gedeckt zu haben. Die schockierenden Bilder aus Ziegeleien und Minen beunruhigen nun auch die chinesische Obrigkeit.

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Sklavenarbeit: Mädchen mit BacksteineBild: AP

Chinesische Eltern, die seit Monaten ihre Kinder vermissen, haben seit vergangener Woche neue Hoffnung, diese wiederzufinden - lebend zwar, aber übel zugerichtet. Als Sklavenarbeiter waren sie nämlich in Ziegeleien und Kohlegruben der zentralchinesischen Provinz Shanxi entführt worden. Seit vergangene Woche das chinesische Fernsehen schockierende Bilder von befreiten Sklavenarbeitern zeigte, die verdreckt und teilweise mit offenen Wunden aus ihren Unterkünften wankten, ist die chinesische Öffentlichkeit wachgerüttelt worden – und die Behörden gezwungenermaßen auch, die über die grausame Praxis offenbar lange Zeit hinweggesehen haben.

Sklaverei und Todschlag

An injured slave laborer with back injury is carried out by Chinese police officers on a stretcher after authorities raided a brick kiln in Hongtong County of Linfen, in China's northern Shanxi Province, on May 27, 2007. Chinese authorities raided illegal brick kilns and coal mines Saturday, June 16, 2007 to rescue hundreds of laborers and child workers kept and made to work in slavery conditions. (AP Photo/EyePress) **CHINA OUT**
China: Ein verletzter Sklave wird geborgenBild: AP

Über tausend Arbeiter wurden nach bisherigen Erkenntnissen in chinesischen Ziegeleien und Kohleminen wie Sklaven behandelt. In den Ziegeleien und Minen mussten diese Menschen 19 Stunden am Tag arbeiten. Mehr als 30 Männer schliefen in engen Räumen auf dem Boden. Die Eingänge der Betriebe waren von Wächtern und scharfen Hunden bewacht, das Produktionsgelände von hohen Mauern umgeben. Die versprochenen Gehälter von umgerechnet 80 Euro im Monat haben sie nie erhalten.

Wer zu fliehen versuchte, wurde misshandelt, in extremen Fällen zu Tode geprügelt, gestand der festgenommene Besitzer einer Ziegelei, Zhao Yanbing, im chinesischen Staatsfernsehen. "Es gab da so einen Opa, 57 oder 58 Jahre alt. Der war nicht mehr so leistungsfähig. Da wollte ich ihn ein bisschen erschrecken und hob die Schaufel. Sie traf den Opa am Kopf und er fiel um. Am nächsten Tag starb er. Nach seinem Tod habe ich ihn in der Nacht mit Hilfe anderer Mitarbeiter auf dem Wagen zu einem freien Gelände transportiert und anschließend begraben."

Die jungen Arbeiter stammen zum größten Teil aus der benachbarten Provinz Henan, eine durch Landwirtschaft geprägte Provinz mit 100 Millionen Einwohnern. Die ungebildeten Arbeitskräfte auf dem Lande suchen Jobs in den Städten und werden so leicht zum Opfer illegaler Arbeitsvermittler. Diese sprechen die jungen Männer am Straßenrand an und versprechen gute Verdienste. Anschließend schicken sie die ahnungslosen Arbeitssuchenden in einem Bus auf die Reise zu einem oft illegal operierenden Minen- oder Ziegeleibesitzer, sie verdienen pro Kopf umgerechnet 40 - 50 Euro.

Die Besitzer der Betriebe verdienen durch den Einsatz von Schwarzarbeitern das Tausendfache. "Was mich wundert und ärgert, ist, dass die lokalen Regierungen, die Polizei, die Arbeitsämter mit den Besitzern der Ziegeleien, mit diesen grausamen Kapitalisten zusammenarbeiten", sagte der unabhängige Gewerkschafter Cai Chongguo. "Es gab sogar einen Fall, wo ein geretteter Kinderarbeiter von dem örtlichen Arbeitsamt an einen anderen Betrieb vermittelt wurde. Den letzten Monatslohn des Kindes behielt der Beamte als Provision für sich."

Spurlos verschwunden

Die breite Öffentlichkeit erfuhr von diesem Skandal, nachdem sich die Vermisstenanzeigen in Zhengzhou, der Provinzhauptstadt von Henan, gehäuft hatten. Jungen und Männer, die auf der Suche nach der Arbeit waren, verschwanden auf immer häufiger spurlos. Bislang hat die Polizei in Zhenzhou immer noch kein genaues Bild davon, wie viele Menschen in der Stadt vermisst werden, so ein Polizeisprecher. An der Statistik werde noch gearbeitet.

Die geretteten Jungen und Männer wurden im Fernsehen gezeigt, um die Effizienz der Behörden zu demonstrieren. Viele Eltern konnten so ihre Kinder identifizieren. Doch kein Betroffener fragt jetzt nach, warum die Behörden gegen den jahrelangen Menschenhandel nichts unternommen haben. Wie die lokale Presse berichtet, sollen die Funktionäre alles gewusst haben.

"Nicht wie ein Mensch"

"Diese Fälle zeigen, dass in China ein Mensch nicht wie ein Mensch behandelt wird", sagt der Gewerkschafter Cai Chongguo. "Diese kaltblütigen Polizisten, Arbeitsaufsichtsbehörden und lokalen Beamten haben nur das Geld im Auge. Ihnen ist Leben oder Tod eines Sklavenarbeiters egal. Was ist denn nun mit der Moral der chinesischen Gesellschaft? Gibt es noch eine Moral oder Zivilcourage? Die Moral lässt sich nicht durch Parteiparolen aus der obersten Ebene aufbauen. Die moralische Krise entsteht aus unserer politischen und wirtschaftlichen Gesellschaftsordnung."

Die Obrigkeit in Peking hinter den roten Mauern der Parteizentrale schlägt Alarm. Jetzt seien auf Anweisungen aus der Hauptstadt mehr als 35.000 Polizisten im Einsatz, um Tausende Ziegeleien und Minen zu kontrollieren, berichtet die amtliche Agentur Xinhua. Die kommunistische Partei fürchtet, dass das von ihr propagierte positive Bild von der "harmonischen Gesellschaft" durch die Sklavenarbeiter im modernen China böse angekratzt werden könnte.