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Slowakische Pyramiden für 20 Milliarden

15. März 2002

- Dubiose Anlagefirmen bringen Tausende Slowaken um ihr Geld - Hoffnung auf Schadensersatz durch Staat

https://p.dw.com/p/1zS7

Prag, 14.3.2002, PRAGER ZEITUNG, deutsch, Lubos Palata

Noch vor wenigen Wochen wurden die Slowaken von Werbung im Fernsehen, Radio, den Zeitungen und auf großflächigen Werbeplakaten überschüttet. Darauf haben ihnen die Firmen Horizont, Drukos, AGW und weitere für die Anlage ihres Geldes märchenhafte Gewinne in Höhe von bis zu 50 Prozent jährlich und mit 100-prozentiger Sicherung ihrer Einlagen versprochen.

Heute haben mehr als 100.000 Slowaken eine vollkommen gegenteilige Sicherheit - dass sie unwiederbringlich um ihre Geld gekommen sind. Nach ersten Schätzungen handelt es sich um mindestens 20 Milliarden Slowakische Kronen (rund 500 Millionen Euro).

Die Firmen, in die sie investiert haben, waren nämlich nichts anderes als Pyramidenfonds, aus deren Existenz niemand anderes Gewinn zog als deren Besitzer. Die Einlagen, insbesondere das Geld, das die Slowaken in die betrügerischen Fonds als stille Teilhaber einbezahlt haben, waren keineswegs versichert und die bestohlenen Kunden haben fast keine Chance, eine Kompensation zu erhalten.

Steckbrieflich gesucht

Die "Tunnelierung" (finanzielle Ausbeutung von innen – MD) der Fonds erreichte nämlich enorme Ausmaße. Beispielsweise bekannte der Mitbesitzer eines der größten dieser Fonds, die Firma Horizont und BMG, Vladimir Fruni, dass der Realwert des Eigentums sich zwischen drei und vier Milliarden Slowakische Kronen bewege. Allein die Kundeneinlagen schätzte er im selben Atemzug auf zehn Milliarden Slowakische Kronen. "Wir haben nichts Ungesetzliches getan", erklärte Fruni in aller Ruhe.

Die Firmen Horizont und BMG haben im Unterschied zu den anderen immerhin noch etwas investiert. Sie kauften von dem Geld der Kunden die Firma Marshall Bus in Großbritannien, welche zweistöckige Autobusse herstellt, oder die Autohäuser Hummer Slovakia, die bekannte amerikanische Geländewagen verkauft. Den größten Besitz aber, die Lizenz zum Ausstrahlen eines zweiten Vollprogramm-Fernsehens, hat Horizont Ende vergangenen Jahres der Gruppe um den tschechischen Medienmagnaten Vladimir Zelezny verkauft, der daraufhin vorletzte Woche die Ausstrahlung von JOJ TV begann. Wo das Geld für dieses Geschäft - und nicht nur dafür - geblieben ist, das können bereits heute die Untersuchungsbeamten kaum noch feststellen.

Diese haben währenddessen den ersten Erfolg bekannt gegeben. Die kroatische Polizei hat auf Grundlage eines internationalen Steckbriefes vor einigen Tagen Fruni und weitere Bosse von Horizont festgenommen, welche offensichtlich versucht haben, auf einer Yacht im Insellabyrinth der Adria zu verschwinden. Derzeit warten beide auf Auslieferung nach Bratislava.

In der Slowakei, das bereits vollständig im Wahlkampffieber steckt, wurden die bankrotten Pyramidenfonds derzeit zu einem Wahlkampfthema. "Die Regierung hat nicht einmal eine gesetzliche Grundlage, um mit staatlichen Mitteln, also dem Geld der Steuerzahler, solche Verluste zu ersetzen, die den Bürgern durch den Bankrott der Nicht-Bank-Institute entstanden sind", behauptet genau wie Ministerpräsident Mikulas Dzurinda auch sein Stellvertreter für Wirtschaft, Ivan Miklos.

Verdacht auf Geldwäsche

Das Kabinett kann sich aber nur schwerlich der Verantwortung entledigen. Pyramidenfonds wurden schon in der Regierungszeit des Ex-Premierministers Vladimir Meciar gegründet. Laut zahlreichen Medienberichten unter anderem deshalb, damit sie Gelder um die Gruppe von Meciars Bewegung für eine demokratische Slowakei (HZDS) waschen solle. Jedoch hat das Kabinett Dzurinda ihre Tätigkeit stillschweigend toleriert.

Die Fonds, die über riesige Vermögen verfügt haben, erhielten während ihrer letzten Tage vor dem Bankrott nicht nur dank der massiven Reklamekampagne weiter neue Kunden, sondern sollen auch die Polizei und die Staatsanwaltschaft bestochen haben, wie die frühere Finanzministerin Brigita Schmögnerova angedeutet hat. Schmögnerova selbst hatte im vergangenen Jahr Strafanzeige gegen Horizont und weitere Pyramidenfirmen erstattet, die Staatsorgane haben aber dennoch nicht eingegriffen. "Sie haben sich das wie eine heiße Kartoffel zugeworfen. Es folgten keine konkreten Schritte", kommentierte Schmögnerova die Tätigkeit der Polizei und der Staatsanwaltschaft.

Premier Dzurinda behauptet aber trotzdem, dass die Regierung von ihrer Seite aus alles unternommen habe, die Tätigkeit der Fonds zu beenden. "Es war eine Zeitbombe, die uns das Meciar-Kabinett hinterlassen hat", erklärte der derzeitige Regierungsvorsitzende. Der Wahlkampf gibt den Kunden der bankrotten Pyramidenfonds die einzige, wenn auch kleine Chance auf Entschädigung. Zur Zahlung von Entschädigungen an Kleinsparer forderte auch die regierenden SDL, SOP und selbstverständlich die oppositionelle HZDS auf. Das Kabinett hat aber vorerst nur Schritte unternommen, die das Verschwinden jeglichen Eigentums der bankrotten Fonds ins Ausland verhindern sollen. Es ist aber völlig klar, dass dies für eine vollwertige Entschädigung der Kunden nicht ausreichen wird.

Die Werbekampagne für Pyramidenunternehmen hat aber nicht einmal mit dem Bankrott in der Slowakei geendet. In einer neuen Reklamewelle streiten sich "Geier-Unternehmen" um die vielen Tausend bestohlenen Kunden. Sie versprechen ihnen für die Wechsel die Rückgabe ihres Geldes durch die Eroberung der Forderungen der "abgenagten Knochen" aus den bankrotten betrügerischen Unternehmen. (ykk)