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Kritik nicht gewünscht

Leila Knüppel23. Januar 2008

Entlassungen wegen unliebsamer Äußerungen, weniger Anzeigengeld für regierungskritische Medien - in Slowenien, einem Musterland der EU, ist es um die Pressefreiheit schlecht bestellt, meinen viele Journalisten.

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Quelle: dpa
Zeitungskiosk in Ljubljana: Die Meinungsfreiheit in Slowenien wird offenbar zunehmend eingeschränktBild: picture-alliance / akg-images / Rainer Hackenberg

Ein kurzer Anruf und sein Job war weg - und das ohne ersichtlichen Grund, erzählt Matija Grah, der Wien-Korrespondent der größten slowenischen Tageszeitung, "Delo" ("Arbeit"). Kurz nachdem er einen Kommentar geschrieben hatte, in dem er die Außenpolitik der Regierung kritisierte, wurde er zurückbeordert und seines Postens enthoben. "Formell ging es vom Chefredakteur aus, aber es war klar, dass die Politik im Hintergrund stand. Der Außenminister hatte auch mit dem Chefredakteur telefoniert", meint Matija Grah. Er sieht die Pressefreiheit in Slowenien mehr und mehr bedroht. "Natürlich versuchen Politiker generell, Einfluss zu nehmen, auch vorherige Regierungen haben Chefredakteure angerufen." Doch diese Regierung versuche systematisch, gegen die Medien vorzugehen.

Versetzt, entlassen, behindert

Gemeinsam mit anderen Journalisten hat sich Matija Grah zu einer Initiative für Pressefreiheit zusammengeschlossen. Sie werfen dem slowenischen Ministerpräsident Janez Janša und seiner Regierung vor, die Medienfreiheit im Land zu beschneiden. "Zensur in slowenischen Medien zeigt sich in verschiedensten Formen", steht in einem Schreiben, das sie an die Ministerpräsidenten der EU-Länder verschickten. Regierungskritische Journalisten würden versetzt, entlassen, von Führungsaufgaben entbunden und bei ihrer Arbeit behindert. Sie fordern nun eine internationale Kommission, die die vermeintliche staatliche Medienzensur genauer untersucht. 517 Journalisten unterzeichneten bereits das Schreiben.

Slowenien Flagge
Slowenien gilt allgemein als Musterland in der EU

Während der EU-Ratspräsidentschaft setzt der Vorwurf der Journalisten die Regierung besonders unter Druck, gilt Slowenien bisher doch als ein Musterland der Europäischen Union. Die Antwort der politischen Führung kam daher prompt: Des "Exports von Lügen" beschuldigte Ministerpräsident Janez Janša die Journalisten und warf ihnen vor, das internationale Ansehen Sloweniens herabzusetzen.

Streit schwelt seit 2004

Der Streit zwischen der Regierung und den Journalisten schwelt bereits seit den Wahlen 2004. Damals erließ die neue konservative Regierung ein Rundfunkgesetz, nachdem nun die Parlamentsmehrheit darüber bestimmt, wer im Programmrat des nationalen Radios und Fernsehens sitzt. Die Chefs der Fernseh- und Radiosender wurden ausgetauscht. Auch die Slowenische Presseagentur (STA) hat mittlerweile eine neue Leitung: Alenka Paulin, ehemals Pressesprecherin in Janšas Kabinett, wurde zur neuen geschäftsführenden Direktorin. Aus Protest verließen dutzend Journalisten die staatlichen Medien.

Ein weiterer Vorwurf, dem sich die Regierung stellen muss, ist die indirekte Einflussnahme: Über Vereinbarungen mit Unternehmen soll sie nun auch bei Zeitungsredaktionen die Inhalte mitbestimmen. Dies betrifft vor allem den Verlag Delo, der neben der größten gleichnamigen Tageszeitung noch zahlreiche weitere Zeitungen herausgibt. Wichtigster Aktionär des Verlages ist die Brauerei Lasko, die dank guter Verbindungen zur Regierung den staatseigenen Supermarktskonzern Mercator kaufen konnte. Lasko habe der Regierung im Gegenzug Einfluss auf deren Redaktionspolitik zugestanden, behaupten slowenische Journalisten und stehen mit ihrer Kritik nicht allein. "Geschäftskontakte und Aktienbesitz sollte von der Regierung nicht dazu genutzt werden, unabhängige Medien dazu zu bewegen, positive Artikel zu publizieren", schreibt der Direktor des International Press Institut (IPI), Johann Fritz, in einer offiziellen Stellungnahme zu den Vorfällen.

Ministerpräsident Janez Jansa. Quelle: dpa
Beschimpfte Journalisten als Vaterlandsverräter: Ministerpräsident Janez JanšaBild: Picture-Alliance /dpa

"Eigentlich gibt es nur noch die Zeitungen 'Dnevnik' und 'Mladina', die weiterhin ohne staatlichen Einfluss bestehen", sagt der ehemalige Wien-Korrespondent Matija Grah. Doch diese Zeitungen hätten mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Große öffentliche Unternehmen hätten die Anzeigen bei den kritischen Blättern zurückgezogen, ein wichtiger Teil der Werbeeinnahmen sei daher weggebrochen.

Kultusministerium gibt Studie in Auftrag

Um der Kritik der Journalisten entgegenzuwirken, gab das Kulturministerium nun bei Wissenschaftlern der Universität Ljubljana eine Untersuchung über die Medienfreiheit in Slowenien in Auftrag. Die Berichterstattung in den slowenischen Zeitungen sei ausgewogen, so das Ergebnis der Wissenschaftler. Allerdings räumt selbst der mit der Studie beauftragte Soziologe Matej Makarovic ein, dass es von Seiten der Regierung und anderer politischer Gruppen Versuche gab, die Medien zu beeinflussen.

Der ehemalige "Delo"-Journalist Matija Grah hat inzwischen gegen seine Entlassung geklagt und Recht bekommen. Er arbeitet trotzdem nicht wieder auf seinem alten Korrespondentenposten. Grah wurde zunächst zwar wieder eingestellt, doch ein schlechtes Arbeitszeugnis, das ihm sein Vorgesetzter geschrieben hatte, diente als Vorwand dafür, ihn schnell wieder loszuwerden. Die Beurteilung wurde auf Veranlassung des Vorstandsvorsitzenden des Verlages geschrieben, erfuhr Matija Grah später - von seinem Vorgesetzten.