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Smith: EU-Türen für Schottland "weit offen"

Brent Goff29. Juni 2016

Die Schotten haben mehrheitlich gegen den Brexit gestimmt und wollen in der EU bleiben. Wie das gehen soll, obwohl Großbritannien ja austreten will, erklärt der EU-Parlamentarier Alyn Smith im DW-Interview.

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Alyn Smith, Europaabgeordneter aus Schottland für die SNP
Bild: DW/B.Riegert

Deutsche Welle: Herr Smith, Sie haben sich nach dem Brexit in einem sehr bewegenden Appell an das Europäische Parlament gewandt und gesagt, Schottland dürfe nun nicht allein gelassen werden, weil es ja in der EU bleiben wolle. Dafür haben Sie im Plenum stehende Ovationen geerntet. Haben Sie damit begonnen, die Unabhängigkeit Schottlands von Großbritannien zu erklären?

Alyn Smith: Nein, ich glaube, so weit sind wir noch nicht. Ich habe das gemacht, wofür man mich hierher nach Brüssel ins Parlament geschickt hat. Ich habe der Stimme Schottlands Gehör verschafft. Ich will unseren europäischen Freunden und Partnern nur klarmachen, dass diese Leute, die für "Leave" stimmten, nicht für mein Land sprechen. Mein Land hat für einen Verbleib in der EU gestimmt. Wir hatten auch eine völlig andere Wahlkampagne bei uns. Wir haben schreckliche Dinge über Immigration im Vereinigten Königreich gehört, die wir zurückweisen. Einwanderung hat Schottland immer gut getan. Unsere europäischen Freunde sind hier willkommen und wertvoll. Diese Politik des Ausschließens und Spaltens weisen wir zurück. Wir wollen in irgendeiner Form in der EU bleiben.

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon sagt, das Brexit-Referendum habe die Lage Schottlands fundamental verändert. Die schottische Unabhängigkeit sei vor zwei Jahren in einem Referendum ja abgelehnt worden, weil die Menschen dachten, wenn sie in Großbritannien bleiben, bleiben sie automatisch in der EU. Das sei jetzt nicht mehr der Fall. Herr Smith, wann wird Schottland also sein neues Referendum für die staatliche Unabhängigkeit ankündigen?

Das wäre jetzt etwas verfrüht. Wir behalten uns das Recht vor, alles zu tun, um die Interessen des schottischen Volkes zu wahren. Aber es gibt eine ganze Menge, worüber man im Laufe dieses Brexit-Prozesses jetzt reden kann. Ich habe den Ausdruck "europäischer Status" geprägt. Das bedeutet nicht unbedingt Mitgliedschaft in der EU. Wir müssen sehen, wie sich das in den nächsten Monaten entwickelt. Wir werden nicht nur zuschauen und ruhig bleiben während dieser Zeit. Wir haben eine starke Führung in Schottland, wir haben ein starkes Team in Brüssel. Wir können über viele Dinge in einem europäischen Rahmen sprechen.

Ihre Regierungschefin, die Erste Ministerin Sturgeon, hat sich mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz getroffen. Sie sieht auch EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Was kann sie anbieten, damit diese Konstruktion gelingt, nicht gleich die Unabhängigkeit Schottlands anzustreben, sondern gleichzeitig im Vereinigten Königreich und trotzdem in der EU zu bleiben?

Es gibt viele verschiedene Szenarien, die man in diesem frühen Stadium durchspielen kann. Unsere Verfassungsexperten schauen sich Optionen an. Es gibt so etwas ja bereits innerhalb des Vereinigten Königreiches für die Kanal-Inseln Jersey und Guernsey. Man kann das verschieden regeln für verschiedene Orte. Sehen Sie sich die Färöer-Inseln und Dänemark in der EU an. Oder Portugal und die Azoren-Inseln. Das passt natürlich nicht eins zu eins auf Schottland, aber das zeigt, dass verschiedene Dinge möglich sind. Wir werden konstruktiv mit unseren europäischen Freunden daran arbeiten.

Würden Sie denn sagen, die Schotten wären jetzt lieber unabhängig, um in der EU bleiben zu können?

Als Mitglieder der schottischen Nationalpartei haben wir weiterhin dieses Ziel. Es geht jetzt aber nicht vorrangig um die schottische Unabhängigkeit. Wir hatten ja erst vor 21 Monaten ein Referendum, bei dem 55 Prozent dafür gestimmt haben, im Vereinigten Königreich zu bleiben. Es geht darum, was wir jetzt und hier machen können. Und das ist eine ganze Menge, und darum wenden wir uns an unsere europäischen Freunde.

Infografik Schottland und das Vereinigte Königreich
Am 18. September 2014 entschieden die Schotten: Wir bleiben Briten

Aber ist es das wirklich wert, dafür Großbritannien zu zerreißen am Ende?

Wir zerreißen ja nichts. Wenn jemand etwas kaputt macht, dann sind das die Lügner und Betrüger der "Leave"-Kampagne! Die haben das Chaos verursacht und die Interessen der Engländer genauso aufs Spiel gesetzt wie die der Schotten.

Glauben Sie, dass die Europäische Union Ihnen beistehen wird?

Natürlich gibt es eine gewisse Zurückhaltung, sich in diese Angelegenheit einzumischen, die von manchen als innerstaatliche Angelegenheit angesehen wird. Ich weiß aber ganz sicher, dass die Türen für uns weit offen sind.

Alyn Smith (44) ist seit 2004 Abgeordneter im Europäischen Parlament. Er gehört der Schottischen Nationalpartei (SNP) an und tritt für die staatliche Unabhängigkeit Schottlands ein. Smith wuchs in Schottland und Saudi-Arabien auf, arbeitete in Indien, Belgien und England. Er studierte unter anderem ein Jahr als EU-geförderter Erasmus-Student in Heidelberg.

Das Gespräch führte Brent Goff.