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Glücklich am Fjord

20. März 2017

Die Norweger haben es gut: Sie sind die glücklichsten Menschen der Welt. Und das obwohl im Winter in weiten Teilen des Landes nie die Sonne scheint. Wir haben bei zwei Norwegern nachgefragt. Wie macht ihr das?

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Norwegen Famileie an der Bergspitze Lofoten
Happy Family auf den LofotenBild: Reuters/NTB Scanpix/Nils-Erik Bjoerholt

Norwegen, das ist doch irgendwie ein paradoxer Fall. Der erfolgreichste Schriftsteller, den das Land aktuell hervorgebracht hat, Karl Ove Knausgard, verdient sein Geld damit, dass er über die Alkoholsucht seines Vaters schreibt. Der andere, Jo Nesbø, bringt Geschichten über Mord und Totschlag zu Papier. Das bekannteste Gemälde eines Norwegers ist das nicht gerade Glücksgefühle hervorrufende "Der Schrei" von Edvard Munch - und überhaupt, monatelang ist es kalt und dunkel. Trotzdem hat es Norwegen in diesem Jahr auf Platz eins des "World Happiness Reports" geschafft.

"Wir sind wirklich nicht gerade bekannt dafür, dass wir die ganze Zeit lachend und euphorisch durch die Gegend laufen", sagt der Norweger Espen Mowinckel Pettersson. Aber: "Ich glaube wir sind einfach zufrieden mit dem Leben." Der Journalist lebt im Nordwesten des Landes auf einer der zahlreichen Inseln vor der Küste Norwegens. Ob ihm der lange Winter denn nichts ausmache? "Für mich ist das nicht so ein großes Problem." Er trägt dann einfach ein Kopflicht und geht trotzdem wandern.

Espen Mowinckel Pettersson
"Man muss einfach nutzen, was vor der Haustür liegt", sagt Espen Pettersson (Foto). In Norwegen sind das oft FjordeBild: Privat

Die Natur, das betont der alleinerziehende Familienvater, sei ein besonders wichtiger Grund dafür, dass es den Menschen in Norwegen so gut gehe: "Wenn ich mich mal nicht so gut fühle, gehe ich raus in die Berge."

Das sagt auch der in Oslo lebende Erlend Loe: "Ich glaube die Dunkelheit - die in Oslo auch gar nicht so lange anhält wie im Norden des Landes - bringt uns näher zur Natur. Und das ist ein wichtiger Faktor für Glück." Die Bücher des norwegischen Schriftstellers wurden unter anderem auch ins Deutsche übersetzt. Seine Protagonisten sind häufig mit dem alltäglichen Leben überfordert und finden dann den Sinn in den kleinen, einfachen Dingen wieder.

Ohne Sozialversicherungssystem gehts auch nicht

Trotzdem ist es dem Autor wichtig zu betonen, dass das allein nicht ausreicht, um glücklich zu sein: "Wenn Eltern nicht ein Jahr lang mit ihrem Neugeborenen zu Hause bleiben dürften und dafür voll bezahlt würden, wenn Arbeitslose kein Geld bekämen und die Krankenhäuser nicht gut ausgestattet wären, dann wäre die Situation ganz anders." Solange man alles habe, was man braucht und dann auch noch die Natur genießen könne, das wäre "unschlagbar", so Loe.

Erlend Loe Autor
Erlend Loes Roman "Doppler" erhielt 2010 den Deutschen HörbuchpreisBild: picture-alliance/Scanpix/E. Aas

Dass für die wichtigsten Dinge im Leben gesorgt ist, ist auch für Journalist Espen Mowinckel Pettersson von Bedeutung: "Das ist die Grundlage." Und genau das mache auch ihn am glücklichsten: "Ich habe genug, um etwas Butter auf dem Brot zu haben, wie wir Norweger sagen: Ich habe etwas zu essen, ein Haus und eine Arbeit, die mir Spaß macht - und dann auch noch etwas Freizeit, die ich mit schönen Dingen füllen kann." Neben den ausgedehnten Wanderungen spielt er im Theater seiner kleinen Stadt mit und singt im Chor: "Die Möglichkeit zu haben, an so etwas Großem teilzunehmen, obwohl ich nur ein ganz normaler Typ bin, genieße ich sehr."

Sprudelndes Wohlfahrtssystem dank Ölreserven

Dass alle Norweger sozial gut abgesichert sind, wäre ohne eine wirtschaftliche Basis nicht möglich. Und dass diese in Norwegen ziemlich üppig ist, liegt vor allem an den riesigen Ölreserven vor der Küste des Landes. In den 1970er-Jahren begann das Land, diese auszubeuten, die Gewinne jedoch gehen an den Staat und fließen unter anderem in die Sozialsysteme. Doch viel Öl allein macht noch keine glückliche Nation, wie viele andere Beispiele auf der Welt derzeit eindrücklich zeigen. Das betonen auch die Verfasser des Weltglücksberichts: "Manche sagen, dass Norwegen nicht wegen des Öl-Wohlstands stets auf den oberen Rängen des Glücksberichts landet, sondern trotzdem."

Dadurch, dass sich das Land dazu entschieden habe, das Öl langsam zu fördern und die Gewinne eher in die Zukunft, statt in die Gegenwart zu investieren, habe Norwegen sich unabhängiger gemacht als andere rohstoffreiche Länder, heißt es weiter. Um das zu erreichen, bedarf es viel "gegenseitigem Vertrauen, eines gemeinsamen Interesses, Großzügigkeit und guter Regierungsführung". Und genau diese Faktoren würden Norwegen und die anderen Spitzenländer (Dänemark, Island, Schweiz) so kontinuierlich auf den vorderen Rängen halten.

Norwegen  Nordlichter
So schön kann ein dunkler Winter sein: Nordlichter auf den LofotenBild: Getty Images/AFP/O. Morin

Trotz des Lobs der Wissenschaftler ist Espen Mowinckel Pettersson eher verhaltenen stolz: "Wir lieben unser Land zwar sehr, aber wir klopfen uns nicht gerne gegenseitig auf die Schultern", sagt er. Und auch Schriftsteller Erlend Loe will sich keinerlei Euphorie hingeben: "In den letzten 20 Jahren sind wir immer materialistischer geworden und egoistischer", das zumindest sei sein Eindruck: "Wenn man viel hat, will man immer mehr. Es ist nie genug. Diese Krankheit hat uns schon erreicht, meiner Ansicht nach."