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Das fliegende Teleskop

16. September 2011

Ein Jumbojet trägt ein Teleskop in 14 Kilometer Höhe. Dort oben bekommen die Astronomen einzigartige Informationen darüber, wie sich Sterne und Planeten bilden oder aus welchen Stoffen Gas- und Staubwolken bestehen.

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SOFIA während eines Testflugs (Foto: NASA)
So sieht der Orionnebel durchs Radioteleskop ausBild: NASA

Astronomen bauen ihre Teleskope auf hohen Bergen, in öden Wüsten, sie schicken sie mit Satelliten hinaus ins All – oder sie setzen sie in einen umgebauten Jumbo-Jet. SOFIA, das Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie, ist eine Boeing 747. Wenn die Maschine vom Heimatflughafen Palmdale in Kalifornien abhebt, sind aber keine Touristen an Bord. In der spärlich möblierten Kabine voller elektronischer Geräte und Computerkonsolen sitzen nur einige Wissenschaftler, die gebannt verfolgen, welche Daten das Teleskop liefert, das im Heck des Jumbo untergebracht ist. Während des Fluges öffnet sich eine große Klappe auf der linken Seite der Maschine. In zwölf bis 14 Kilometern Höhe blickt dann das Teleskop mit 2,7 Metern Spiegeldurchmesser in die Tiefen des Alls.

"In dieser Höhe sind wir oberhalb von 99,9 Prozent des Wasserdampfs der Atmosphäre," erläutert Eric Becklin, Astronom an der Universität von Los Angeles und Chefberater der NASA für das SOFIA-Projekt. Wassermoleküle absorbieren das Infrarotlicht, also die Wärmestrahlung aus dem All und sorgen so dafür, dass die Strahlung nicht den Erdboden erreicht. Doch in der Flughöhe von SOFIA hebt sich dieser Schleier, freut sich Eric Becklin: "Im Infrarotlicht sehen wir durch die Staubwolken im Weltall hindurch. Wir verfolgen selbst im Zentrum der Orionwolke, die im sichtbaren Licht gar nicht zu beobachten ist, wie dort gerade die ersten Sterne entstehen." Das hoch fliegende Teleskop liefert einzigartige Daten über die Entstehung von Sternen, über die Atmosphäen von Planeten, über die chemische Zusammensetzung von Gaswolken im All und über Staubmassen in der Umgebung Schwarzer Löcher.

SOFIA während eines Testflugs (Foto: NASA)
Das Radioteleskop SOFIA schaut aus dem Rumpf des Jumbojets herausBild: NASA / C. Thomas

Vom Urlauberjet zur Sternwarte

SOFIA ist ein Gemeinschaftsprojekt der USA und Deutschlands, das mit 20 Prozent beteiligt ist. Herzstück des Observatoriums ist das Spiegelteleskop, das im Auftrag des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gebaut wurde. Ebenso wichtig ist die Lagerung des Instruments, die automatisch kleine Unregelmäßigkeiten in der Bewegung des Flugzeugs ausgleicht. "Das Teleskop könnte eine Euro-Münze noch in fünf Kilometern Entfernung präzise anpeilen," betont Eric Becklin. Dank dieser Genauigkeit liefert das Teleskop gestochen scharfe Bilder, auch wenn SOFIA mit fast 900 Kilometern pro Stunde durch die Luft rast.

Die Maschine, eine Boeing 747-SP, stand unter dem Namen Clipper Lindbergh lange Zeit in Diensten der Fluggesellschaft Pan American. In den 90er Jahren hat die NASA den Jumbojet gekauft und später aufwändig umgebaut. Eine Spezialfirma in Texas hat die große Öffnung in den Rumpf geschnitten und ein Druckschott in der Kabine eingebaut. Während die Astronomen in der Kabine normale Flugbedingungen wie in einer Linienmaschine erleben, befindet sich das Teleskop in der dünnen, kalten Luft.

Das Radioteleskop SOFIA von innen (Foto: NASA)
Die Innenansicht von SOFIA - die aufgenommenen Signale werden an Computer weitergeleitetBild: NASA

Flugzeug statt Satellit

Infrarot-Blicke ins All sind vom Erdboden aus nicht möglich. Eine Alternative wären nur Satelliten, doch die wären viel kostspieliger als SOFIA, das etwa 100 Millionen Dollar im Jahr kostet. Zudem lässt sich eine fliegende Sternwarte, anders als ein Satellit, stets auf dem neuesten Stand der Technik halten, erklärt Hans Zinnecker, stellvertretender Direktor des SOFIA-Wissenschaftsbetriebs: "SOFIA ist nie fertig. Das Observatorium kommt jeden Tag wieder nach Hause und wir können es bei Bedarf umrüsten und mit neuen Instrumenten ausstatten, je nachdem, welche wissenschaftlichen Projekte gerade auf dem Programm stehen."

Derzeit gibt es erst zwei Kameras, die an das SOFIA-Teleskop angeschlossen werden können. Etwa im Jahr 2015 sollen sieben Instrumente zur Verfügung stehen, um optimal Planetenatmosphären, kleine Körper am Rande des Sonnensystem, Gas- und Staubwolken in der Milchstraße und fernen Galaxien zu untersuchen. Noch befindet sich SOFIA in der Aufbauphase. Im Routinebetrieb ab dem Jahr 2014 sind bis zu 150 Flüge im Jahr geplant. Mehr als zwanzig Jahre lang soll die fliegende Sternwarte im Einsatz sein.

SOFIA zu Besuch in Deutschland

Normalerweise dreht der Jumbo von Kalifornien aus große Runden über den Pazifik oder über den Westen der USA. Zum Tag der Raumfahrt kommt SOFIA an diesem Wochenende ausnahmsweise mal nach Deutschland. In einigen Jahren sind auch Flüge über der Südhalbkugel vorgesehen, um die Objekte des südlichen Sternenhimmels zu erforschen.

Forscher bei der Arbeit im Rumpf des SOFIA-Flugzeugs (Foto: NASA)
Die Forscher werten die Daten von den Meßgeräten noch während des Fluges ausBild: NASA

Die Beobachtungsplanung ist bei SOFIA eine Kunst für sich. Das Teleskop blickt nur in Flugrichtung nach links. Zudem kann es nur Objekte anvisieren, die zwischen 20 und 60 Grad hoch am Himmel stehen. Die Piloten müssen die Maschine zum Teil stundenlang perfekt auf Kurs halten. Andernfalls würden die Bilder unscharf. Allerdings muss die Maschine irgendwann auch wieder Kurs auf den Ausgangsflughafen nehmen. An Bord sorgt ein Missionschef eigens für die optimale Abstimmung zwischen Forschern und Cockpitbesatzung.

Beinahe hätte die NASA den Geldhahn zugedreht

Vor einigen Jahren hatte die NASA aus Kostengründen sogar den Abbruch des Projekts erwogen. SOFIA war da schon fast auf der Zielgeraden. Nach einigem Hin und Her haben die Amerikaner auf die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Deutschland Rücksicht genommen und das Projekt fortgeführt – zum Glück für die Astronomen. Denn betätigt der Bordingenieur im Cockpit den Knopf, um die Teleskoptür aufzuklappen, so öffnet sich buchstäblich ein neues Fenster, durch das die Forscher einmal quer durch das Kosmos blicken.

Eric Becklin, einer der Grandseigneurs der Infrarotastronomie, hat lange für seinen großen Traum gekämpft, jetzt endlich eines der großen Rätsel des Universums zu lösen: "Ich wüsste gern, wie genau Sterne und Planeten entstehen – es geht dabei letztlich darum, wie unsere Erde zu dem werden konnte, was sie heute ist."

Autor: Dirk Lorenze
Redaktion Fabian Schmidt