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Sokirjanskaja: "IS könnte hinter Anschlag in Grosny stecken"

Mikhail Bushuev/Alexander Warkentin 4. Dezember 2014

Rebellen haben das tschetschenische Grosny attackiert. Für Sicherheitsexpertin Jekaterina Sokirjanskaja war ein solcher Anschlag vorhersehbar. Sie schließt nicht aus, dass der "Islamische Staat" dahinter stecken könnte.

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Zwei Menschen stehen in einem zerstörten Gebäude (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: AFP/Getty Images/E. Fitkulina

Deutsche Welle: Frau Sokirjanskaja, Tschetscheniens Hauptstadt Grosny wurde Ziel eines großangelegten Anschlags. Russische Agenturen melden zehn tote und 28 verwundete Polizisten. Das Presse-Haus im Zentrum ist ausgebrannt, andere Gebäude wurden beschädigt. Der Ministerpräsident von Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, gab bekannt, dass neun Angreifer "ausgelöscht" seien. Die Suche nach ihren Helfern dauert an. Welche Motive, welche Kräfte vermuten sie hinter dem Anschlag?

Jekaterina Sokirjanskaja: Die Verantwortung für diesen Anschlag hat - nach bereits vorliegenden Informationen - die Terrorgruppe "Emirat Kaukasus" übernommen. Die Terroristen behaupten, er sei die Rache für die Verfolgung von muslimischen Mädchen, die den Hidschab tragen. In letzter Zeit war es in Grosny ruhiger geworden. Es gab kaum Anschläge. Aber der Konflikt war nicht ausgestanden. Der Friede in Tschetschenien ist brüchig. Er wird vor allem durch eine harte totalitäre Führung, durch eine allgegenwärtige Militärpräsenz und Propaganda durchgesetzt. Ewig konnte diese Situation nicht anhalten. Früher oder später musste es zu einem Anschlag kommen. So furchtbar es ist, er war vorhersehbar.

Stehen ausländische Drahtzieher dahinter, zum Beispiel die Terrororganisation "Islamischer Staat"?

Das lässt sich nicht ausschließen. Viele Kämpfer aus Tschetschenien sind nach Syrien gegangen, um dort zu kämpfen. Wir stellen einen massiven Exodus von radikalen Islamisten aus dem Nordkaukasus nach Syrien fest. Wie wir wissen, haben diese kaukasischen Terroristen aus Syrien wiederholt mit Anschlägen und Racheakten in Russland und Tschetschenien gedroht. Es gab entsprechende Videos. Also kann man nicht ausschließen, dass der IS dahintersteckt. Ob nun die Terroristen aus Syrien gekommen sind, welche logistische oder finanzielle Unterstützung der IS leistete, ist im Moment noch nicht klar.

Jekaterina Sokirjanskaja (Foto: )
Jekaterina Sokirjanskaja: Terroristen hoffen auf MedienpräsenzBild: Privat

Am 4. Dezember hielt der russische Präsident Wladimir Putin seine Rede an die Nation. Glauben Sie, die Rebellen haben diesen Termin gewählt, um mehr Beachtung zu erzielen?

Ich schätze, das war kein Zufall. Die Terroristen haben bewusst auf eine erhöhte Medienresonanz gehofft. Das ist ja das Hauptziel eines jeden terroristischen Anschlags - die Gesellschaft in Angst und Schrecken zu versetzen. Und sie haben die Resonanz auch bekommen, sie haben ihr Ziel erreicht.

Die Rebellen haben weder Geiseln genommen, noch Forderungen gestellt. Ist das eine neue Strategie?

Nein, Anschläge dieser Art gab es bereits in Inguschetien im Juni 2004, als eine größere Gruppe gleich drei Städte besetzte und dann ungehindert verschwand. Dann gab es einen Anschlag in Grosny und im Oktober 2005 in Naltschik, der Hauptstadt von Kabardino-Balkarien. Das Ziel des neuesten Anschlags ist es zu zeigen, dass der Friede in Tschetschenien eine Fiktion ist, dass Ramsan Kadyrow die Lage nur bedingt unter Kontrolle hat, dass die Islamisten solche großangelegten Operationen durchführen können. Und das in der Hauptstadt von Tschetschenien, die der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew unlängst als "Aushängeschild" Russlands bezeichnete.

Das Interview führte Michail Bushuev.

Jekaterina Sokirjanskaja ist Sicherheitsexpertin der "International Crisis Group" in Moskau.