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Energiewende am Golf

Irene Quaile20. Februar 2013

Klimakonferenz in Katar, IRENA Hauptquartier in Abu Dhabi – im Herzen der Ölregion steigt das Interesse an erneuerbaren Energien. Ist das nur Imagepflege für Klimasünder oder tatsächlich Zeichen einer grünen Revolution?

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Thermisches Solarkraftwerk (CSP) in Abu Dhabi (Foto: DW/Irene Quaile)
Bild: Shams Power Company

Mitten in einem Wüstengebiet 140 Kilometer von Abu Dhabi, der Hauptstadt des ölreichen Golfemirats, blinzeln Reihen von Spiegeln in der heißen arabischen Sonne. Kleine Fahrzeuge bürsten im Takt den Staub und Sand von den wichtigsten Bestandteilen von SHAMS1 – dem ersten thermischen Solarkraftwerk im Nahen Osten. Hier soll die konzentrierte Kraft der Sonne bald 20.000 Haushalte mit klimafreundlichem Strom versorgen.

Sieben Prozent seines Energiebedarfs will das Emirat bis 2020 durch erneuerbare Energien abdecken. Im Nachbaremirat Dubai ist das Ziel fünf Prozent. Katar, der weltgrößte Exporteur von Flüssigerdgas, will bis 2030 20 Prozent seines Energiebedarfs durch erneuerbare Energien abdecken, der Ölgigant Saudi Arabien bis 2032 fast ein Drittel.

Autoverkehr in Abu Dhabi (Foto: dw/Irene Quaile)
Benzinpreise sind in Abu Dhabi extrem niedrigBild: DW/I. Quaile

Was steckt hinter dem Interesse?

Die vor zwei Jahren gegründete Weltagentur für Erneuerbare Energien (IRENA) hat ihren Hauptsitz in Abu Dhabi. Die Entscheidung für den Standort war eine "sehr bedeutende", sagt der stellvertretende Generaldirektor Frank Wouters im Interview mit der Deutschen Welle. Der Einsatz von erneuerbaren Energien in der Region sei durchaus wirtschaftlich sinnvoll. Saudi Arabien beispielsweise habe erkannt, dass es wesentlich teurer sei, wertvolles Diesel zu verbrennen, das über 100 US-Dollar pro Barrel auf dem Weltmarkt erzielt, als das reichlich vorhandene Potential der Sonne zu nutzen. Das bestätigt Finanzexperte Allan Walker, Executive Director von Masdar Investment in Abu Dhabi. Dass ein Engagement im erneuerbaren Energiesektor das Image von Energieproduzenten zusätzlich aufpoliert, ist für den Geschäftsmann, der früher auch im Öl-, Gas- und Kohlesektor tätig war, selbstverständlich. Greenwashing sei das seiner Meinung nach trotzdem nicht. "Ich investiere in etwas, weil meine Investoren eine Rendite sehen wollen."

Den ökologischen Fußabdruck verbessern

Die Golfländer gehören zu den Staaten mit dem höchsten CO2-Austoß pro Kopf. "Wir sind eine junge Nation, wir wollen wachsen, und das ist energieintensiv", erklärt Bader Al Lamki, Direktor der Abteilung "Clean Energy Business" bei Masdar. Außerdem führe das extrem heiße Klima zu einem hohen Energieverbrauch für Kühlung und die Aufbereitung von Trinkwasser aus dem Meer. Jetzt will das Emirat einerseits den Strombedarf durch Energieeffizienzmaßnahmen senken und gleichzeitig seinen Energiemix erweitern.

Bader Al Lamki (Foto: DW/Irene Quaile)
Erneuerbare Energien sind die Zukunft, sagt al LamkiBild: DW/I. Quaile

"Unser Land ist ein Global Player im Energiesektor. Seit vier bis fünf Jahrzehnten versorgen wir die Welt mit Öl und Gas. Auf diesem Fundament wollen wir die Erneuerbaren aufbauen", erklärt Al Lamki im Gespräch mit der Deutschen Welle während einer Besichtigung des Solarkraftwerks SHAMS1, das gemeinsam von Masdar, Total und Abengoa Solar gebaut wurde. "Wenn der letzte Tropfen Öl verbraucht sein wird, wollen wir auch weiterhin eine zuverlässige Energiequelle für unseren modernen Lebensstil haben." Der zukunftsträchtige Sektor soll Arbeitsplätze und Ausbildungsmöglichkeiten für kommende Generationen sichern.

Thermisches Solarkraftwerk (Foto: Shams Power Company)
Solarenergie: Jobs und Wohlstand auch nach dem ÖlBild: Shams Power Company

Solarzellen auf Dächern sind in Abu Dhabi noch eine Seltenheit. Der Bereich Photovoltaik sei für den Endkunden noch unattraktiv, erklärt der deutsche Energieexperte Simon Breuniger, der seit vier Jahren für die Firma Masdar tätig ist. Über Anreize wie eine Einspeisevergütung nach dem deutschen Modell werde zurzeit nachgedacht.

Grüne Investitionen im Ausland

Erneuerbare Energien sind für das reiche Emirat nicht nur eine Möglichkeit, zu Hause günstigen Strom zu erzeugen und CO2-Emissionen zu senken. Der globale Ausbau der zukunftsfähigen Technologien ist auch ein gutes Investitionsgeschäft. So engagiert sich Masdar beispielsweise im Aufbau modernster Solarkraftwerke in Spanien. Auch der weltgrößte Offshore-Windpark "London Array" vor der Küste Englands wird zu 20 Prozent von dem arabischen Konzern finanziert. In der Finanzkraft der reichen Region sieht die französische Professorin Laurence Tubiana vorerst den Hauptbeitrag der Golfregion zum weltweiten Ausbau der erneuerbaren Energien. Tubiana ist Leiterin des Pariser Institute for Sustainable Development and International Relations (IDDRI). Anfang des Jahres stellte sie auf der Woche der Nachhaltigkeit in Abu Dhabi das neue UN-Netzwerk für nachhaltige Entwicklungslösungen vor. Sie sieht die Bereitschaft, in innovative Technologien zu investieren, die erst längerfristig eine Rendite bringen werden, als großen Vorteil der Ölländer am Golf. So trügen sie zur Marktfähigkeit der Erneuerbaren Energien bei, auch wenn der Anteil am eigenen Energiebedarf nur langsam wachse.

Dr. Sultan Ahmed al Jaber präsentiert Projekte auf dem World Energy Forum in Abu Dhabi (Foto: DW/Irene Quaile)
Masdars internationale Projekte auf dem Weltenergieforum 2013 in Abu DhabiBild: DW/I. Quaile-Kersken

Klimawandel im doppelten Sinne?

Tuviana, die seit 1997 an den UN-Klimaverhandlungen teilnimmt, beobachtet dort eine Wende in der Position einiger Golf-Länder wie Katar oder Abu Dhabi. Inzwischen sähen auch sie die Notwendigkeit, im Kampf gegen den Klimawandel aktiv zu werden. EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard bestätigt diese Eindrücke aus der Golfregion. "Wenn Saudi Arabien als Ziel ankündigt, 32 Prozent seiner Energie aus erneuerbaren Quellen produzieren zu wollen, denken viele Leute, sie hören nicht richtig", sagte die EU-Klimachefin der Deutschen Welle während eines Energiegipfels in Abu Dhabi im Januar. "Für uns ist Saudi Arabien der "König des Öls". Aber sie verstehen, dass sie ihre Wirtschaft diversifizieren müssen. Sie erleiden Wassermangel, fangen an, den Klimawandel zu spüren. Deshalb reden sie nicht nur über erneuerbare Energien, sondern führen Forschungsprojekte durch, bauen Vorzeigeanlagen, investieren große Summen in erneuerbare Energien und in Energieeffizienz. Das finde ich sehr ermutigend", so Hedegaard. Der Weg sei noch weit, in nur wenigen Jahren habe sich aber sehr viel verändert.