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Solarstrom soll noch günstiger werden

Gero Rueter15. Juni 2012

Fünf Prozent des deutschen Stroms kommen bereits aus Sonnenkraft. Trotzdem gehen deutsche Solarfabriken in die Insolvenz. Das aber war abzusehen und ist nicht weiter ungewöhnlich, meint Solarexperte Philippe Welter.

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Bildunterschrift: Philippe Welter, Herausgeber vom Solarstrom-Magazin Photon copyright, Bildnachweis Frederic Neema / photon-pictures.com. Die Nutzung ist für die DW kostenfrei.
Philippe WelterBild: Frederic Neema/photon-pictures.com.

Deutsche Welle: Herr Welter, die Photovoltaik boomt, wird immer billiger, aber andererseits gehen viele deutsche Fabriken in den Konkurs. Wie passt das alles zusammen?

Philippe Welter: In der historischen Betrachtung kann man dies gut verstehen. Die Photovoltaik wurde in den USA kommerzialisiert und dort gab es die ersten Firmen. Dann stiegen die Japaner in den Markt ein, sie hatten damals eine bessere Technologie und mehr Know-how in der Produktion. Dies führte zum Sterben von US-Firmen und die Japaner wurden sehr groß. Dann gab es ab den 2000er Jahren in Europa eine sehr dynamische Entwicklung, weil es sogenannte Einspeisetarife gab. Daraufhin entstanden viele Firmen. Diese wuchsen sehr schnell und nahmen den Japanern Marktanteile ab. Die neueste Entwicklung ist jetzt, dass die wirklich großen Märkte zukünftig in Asien sein werden. Dort leben viel mehr Menschen als in Europa, es gibt dort wenig Energie und sehr große Kapazitäten müssen aufgebaut werden. Das haben Länder wie China frühzeitig erkannt und eine eigene Industrie etabliert.

Und diese Hersteller haben jetzt den Vorteil, dass sie den moderneren Produktionspark haben und zudem geringere Lohnkosten. Und all die europäischen Hersteller, die diesen Kostenfortschritt, der durch die Technologie bedingt ist, nicht mitgegangen sind, kommen jetzt in Schwierigkeiten.

Wo stehen derzeit die Preise für Solarstrom in Deutschland?

Der Preis für eine typische private Anlage auf dem Hausdach liegt jetzt zwischen 1500 und 1800 Euro pro Kilowatt. Inklusive Kredit kostet der erzeugte Strom zwischen 18 und 20 Cent pro Kilowattstunde (kWh). Große Anlagen auf Fabrikdächern oder auf dem Feld sind entsprechend billiger und produzieren den Strom für 12 bis 18 Cent pro kWh.

Was wird der Solarstrom in Deutschland 2020 kosten?

Die Schätzungen liegen zwischen fünf und zehn Cent pro kWh. Wenn wir uns den technologischen Fortschritt und den Preisverfall anschauen, dann sollte der Strom vom Hausdach bei zehn Cent und der Strom von großen Anlagen zwischen fünf bis sechs Cent pro kWh liegen.

Infografik Sonnenenergie senkt Stromkosten DEU DW-Grafik: Peter Steinmetz Datum: 06.06.2012
In Deutschland ist schon heute der Strom aus neuen Solaranlagen deutlich billiger als vom Energieversorger

Was kostet der Solarstrom in sonnenreichen Regionen?

Man kann ganz grob sagen, dass sich bei doppelter Sonneneinstrahlung der Preis pro Kilowattstunde halbiert. Im Mittelmeerraum ist der Solarstrom im Vergleich zu Deutschland etwa 30 Prozent billiger und am Äquator kann man fast mit einer Halbierung rechnen. In diesen Ländern ist Strom aus einer Solaranlage schon heute billiger als vom Dieselgenerator.

Das Problem ist hier ein anderes. Bei der Photovoltaik braucht man das Geld am Anfang, man braucht den Zugang zu Krediten, um diese Investitionen zu tätigen. Da hat der Dieselgenerator leider einen erschreckenden Vorteil: Er ist in der Anschaffung unglaublich billig. Dann muss man allerdings ständig Öl rankarren. Also hier braucht es entsprechende Strukturen für Kredite.

Infografik Deutsche Welle
Sonnenstrom wird welweit günstig

Was bedeutet der Trend zu billigem Solarstrom für die Energiewirtschaft?

Für die konventionelle Energiewirtschaft bedeutet dies mit Sicherheit einen Paradigmenwechsel. Das erkennt man derzeit sehr deutlich an den Statements der großen deutschen Energieversorger. Der ehemalige RWE-Vorstandsvorsitzende Jürgen Großmann sagte bei seinem Ausscheiden, dass die Photovoltaik der konventionellen Energiewirtschaft quasi das Geschäft kaputt macht, indem sie die Preise an den Strombörsen drückt. Ein Vorstand von E.ON sagte vor wenigen Tagen, dass sich unter den derzeitigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Bau von Kraftwerken in Deutschland nicht mehr lohnt, weil die Erneuerbaren Energien auf dem Vormarsch sind und die Preise drücken.

Die konventionelle Energiewirtschaft wird sich ganz schnell auf eine dezentrale Energieversorgung umstellen müssen, sofern sie es denn überhaupt kann. Nach meiner Ansicht ist das schwierig. Das Problem ist, dass diese Firmen Milliarden in konventionellen Kraftwerken festgesetzt haben und an dieses Geld nicht mehr ran kommen. Selbst wenn sie wollten und sich heute entscheiden würden, nur noch in Erneuerbare Energien, Stromspeicher und Netze zu investieren, sie könnten gar nicht genug Geld aufbringen, um die Verluste, die sie im konventionellen Bereich schon jetzt erleiden, zu kompensieren.

Das scheint mir auch einer der Gründe zu sein, warum die deutsche Regierung entgegen ihrer Beteuerung bei der Energiewende auf die Bremse tritt. Sie will diesen Firmen offensichtlich Zeit geben, um aus ihren alten Investments herauszukommen und in neue hineinzukommen.

Und wie ist die Situation in Entwicklungs- und Schwellenländern?

Hier sieht die Situation etwas anders aus. In Entwicklungs- und Schwellenländern geht es nicht um Kohlekraftwerke, die noch lange laufen müssen, sondern um neue Kraftwerke, die noch gebaut werden. Und ich denke, so wie die Erneuerbaren preiswerter werden und auch das Speicherthema zunehmend gelöst wird, fällt zunehmend die Entscheidung auf die Investition in Wind- und Sonnenenergie. Zudem haben diese auch einfach den Vorteil, dass man sich zukünftig nicht mehr um CO2-Zertifikate, die teuer werden, oder Besteuerung von C02 oder Kohle sorgen muss.

Deutschland Messe Intersolar 2011 in München Foto: Gero Rueter/DW auf der Intersolar 2011 in München
Der globale Boom mit Solarparks und Dachanlagen geht weiter. über 60.000 Besucher kamen zur Intersolar in MünchenBild: DW/G.Rueter

Jetzt beginnt die Intersolar in München, die weltweit größte Fachmesse für Photovoltaik. Welche Themen stehen im Fokus?

Die Preisdebatte ist grade das große Thema. Die Frage, die sich jeder stellt: Wie billig kann es denn noch werden? Viele Experten hätten vor zwei Jahren keine Wette darauf gemacht, dass Solarstrom so billig wird.

Ein weiteres wichtiges Thema auf der Intersolar scheinen Speicher zu werden. Wir haben inzwischen in Deutschland die Situation, dass man seinen Solarstrom vom eigenen Dach billiger produzieren kann als man ihn aus der Steckdose bekommt. Dann möchte man natürlich auch so viel wie möglich von diesem Strom selbst verbrauchen. Da sind Speicher ein Mittel der Wahl auch ohne Förderung.

Ein weiteres Thema werden große Speicher sein, die in Stromnetze integriert werden. Sie können den Netzausbau vermeiden helfen. Auch geht es um die Frage der Systemintegration. Wie kriegt man immer mehr Erneuerbare Energie in das Stromnetz? Wie sieht am Ende das Stromversorgungssystem aus, wenn es rein regenerativ arbeitet?

Philippe Welter ist Herausgeber von Photon. Das Solarstrom-Magazin erscheint in den Sprachen Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, Mandarin und Italienisch und ist das führende Fachmagazin für Solarenergie in der Welt.