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Politik

Solidaritäts-Lesung für Deniz Yücel in Berlin

Ceyda Nurtsch
16. März 2017

Kultur- und Medienschaffende haben als Protestaktion in Berlin Texte von Deniz Yücel vorgetragen. Der deutsch-türkische Journalist ist seit Mitte Februar in der Türkei inhaftiert. Ceyda Nurtsch berichtet.

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Deutschland Solidaritätslesung für Deniz Yücel in Berlin
Bild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Hunderte von Menschen waren gekommen. Dicht gedrängt standen sie im zum Bersten gefüllten Festsaal im Berliner Bezirk Kreuzberg, um Deniz Yücel ihre Solidarität zu zeigen. Yücel, ein deutsch-türkischer Journalist, ist seit Mitte Februar in der Türkei in Haft. Und mit ihm weitere 150 Journalisten. Eingeladen hatten Prominente aus der Kultur- und Medienlandschaft. So unter anderem die Schauspieler Robert Stadlober und Pegah Ferydoni (im Artikelbild oben), die Autoren Maxim Biller und Sven Regener und die Publizistinnen Özlem Topçu und Mely Kiyak.

"Wir wollen das Meer sehen"

Auf einer Bühne war ein projiziertes Foto von Deniz Yücel zu sehen, zusammen mit den Worten "Wir wollen das Meer sehen" - ein Wortspiel mit Deniz' Vornamen, der "Meer" bedeutet. Die Vortragenden lasen Texte des Journalisten vor. Yücel hatte erst für "Jungle World", später für die "Taz" geschrieben und zuletzt für die Tageszeitung "Die Welt" aus der Türkei berichtet. Allein einer der vorgelesenen Texte stammte nicht aus Yücels Feder: Die Taz-Autorin Doris Akrap trug das Vernehmungsprotokoll der Staatsanwaltschaft vor, die Yücel darin der Terrorpropaganda und der Volksverhetzung beschuldigt.

Deutschland Solidaritätslesung für Deniz Yücel in Berlin
Die Gäste tauchen ein in Deniz Yücels TexteBild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Die vorgetragenen Texte nahmen die Zuschauer mit an den deutschen Männerstammtisch mit seinem ambivalenten Verhältnis zu Frauenfußball, ins Ausländeramt, auf eine Pegida-Demonstration oder zur Gezi-Bewegung im Sommer 2013. Und dabei auch immer wieder in das tiefste Innere von Yücel selbst: Ein Identitätssuchender, der es vermag, die vermeintlich selbstverständliche Identität anderer ins Wanken zu bringen. Die Texte zeugen von einem Vollblutjournalisten, der das Vermögen hat, sowohl deutsche als auch türkische kulturelle Sonderlichkeiten pointiert zu entlarven.

Unter den Vortragenden war auch der Moderator Michel Friedman. Hinsichtlich der jüngsten Beschuldigungen des türkischen Staatspräsidenten Erdogan, Deutschland sei mit der NS-Zeit zu vergleichen, sagte Friedman: "Deutschland ist alles andere." Gerade aufgrund der Geschichte habe es aber die Verantwortung überall dort, wo die Einschränkung von Freiheit nicht verhindert wurde, sich zu engagieren.

Redefreiheit überall verteidigen

Die Schauspielerin Pegah Ferydoni beunruhigt der zunehmende Populismus in Europa. Für sie war die Solidarität des Abends nicht alleine eine Botschaft in Richtung Türkei. "Wir verteidigen damit auch unsere Freiheit hier. Viele Menschen vergessen unter welchen Voraussetzungen wir hier zusammenleben dürfen", so die Schauspielerin.

Deutschland Solidaritätslesung für Deniz Yücel in Berlin
Schriftstellerin Mely Kiyak im Festsaal KreuzbergBild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Auch für die Publizistin Mely Kiyak ist Solidarität mehr als nur ein Signal an einen Machthaber. "Mit unserer Solidarität senden wir vor allem ein Zeichen, auch an die Angehörigen von Inhaftierten, die ja häufig mit inhaftiert sind", erklärt die Publizistin Kiyak. "Es ist auch ein Signal zurück an die Bevölkerung, um zu zeigen, wir sind hier als Künstler, als Menschen mit einer politischen Einstellung." Dass man versuche, Menschen das Wort zu beschneiden, sei auch in Europa, besonders im Hinblick auf die jüngsten Entwicklungen in Polen und Ungarn, nicht unbekannt, so Kiyak.

Wie es mit Deniz Yücel weitergeht ist bislang noch ungewiss. Im Fall der türkischen Schriftstellerin Asli Erdogan, die bereits in U-Haft saß und bis zum Urteil auf Kaution frei gelassen wurde, forderte die Staatsanwaltschaft gerade lebenslänglich. Der Vorwurf: Terrorpropaganda. Doch wie Yücel selbst in einem seiner Texte geschrieben hat: "Die Türkei ist ein irres Land." Alles ist offen.