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Solidaritätszuschlag für rechtens erklärt

21. Juli 2011

Der Solidaritätszuschlag, eine spezielle Steuer zur Finanzierung der deutschen Einheit, ist nicht verfassungswidrig. Das hat der Bundesfinanzhof in einem Musterprozess entschieden. Doch der Fall ist damit nicht erledigt.

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Fünf Richter des Bundesfinanzhofs in München (Foto: dpa)
Der Bundesfinanzhof in München wies die Klagen gegen den 'Soli' abBild: picture alliance / dpa

Solidaritätszuschlag hatten die deutschen Bürokraten und Politiker das neue Steuerkind kurz nach der deutschen Wiedervereinigung genannt. Zwei deutsche Staaten, die zu einem zusammenwachsen sollten - da passte das Wort Solidarität als Verbundenheit und Grundprinzip des Zusammenlebens - auch wenn es letztlich eine Steuer war, die damit deklariert wurde. Sie sollte den Aufbau des deutschen Ostens finanzieren.

Der Solidaritätszuschlag wurde zunächst von Juli 1991 bis Juni 1992 erhoben und betrug - auf das Jahr gerechnet - siebeneinhalb Prozent der Einkommen-/Körperschaftsteuer. Für die Jahre 1991 und 1992 wurde also jeweils 3,75 Prozent der Einkommen-/Körperschaftsteuer zusätzlich als Solidaritätszuschlag erhoben. 1993 und 1994 wurde der Solidaritätszuschlag ausgesetzt, 1995 dann wieder eingeführt. Von 1995 bis 1997 betrug der Zuschlag siebeneinhalb Prozent, seit 1998 beträgt er fünfeinhalb Prozent.

Ein Finger zeigt im Juli 2007 bei einer Liste auf den Posten Solidaritätszuschlag (Foto: dpa/picture-alliance)
Viel Geld für die neuen Länder - auch 20 Jahre nach der WendeBild: picture-alliance/dpa

Mehr als 20 Jahre nach der deutschen Einheit steht der Soli-Zuschlag verstärkt in der Kritik. Zwei Steuerzahler zogen die Konsequenz und zogen vor Gericht. Der Bundesfinanzhof in München wies am Donnerstag (21.07.2011) die Klagen einer Anwältin und eines Unternehmers ab. Die beiden Kläger hatten die Erhebung der Ergänzungsabgabe für die Jahre 2005 und 2007 in Zweifel gezogen. Sie halten die unbefristete Erhebung der Abgabe für verfassungswidrig. Zudem verstoße der Zuschlag gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Der Bundesgerichtshof erklärte in seiner Urteilsbegründung, die 1991 erstmals eingeführte Sondersteuer habe auch im beklagten Steuerjahr 2007 noch zur Deckung der Vereinigungskosten gedient. Zu einem "dauerhaften Instrument der Steuerumverteilung" dürfe der Solidaritätszuschlag allerdings nicht werden, forderte das oberste deutsche Finanzgericht. Die unterlegene Rechtsanwältin kündigte umgehend an, vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu ziehen.

Wirtschaftsexperten fordern Abschaffung

Ein Radfahrer fährt durch eine Straße mit verfallenen Fachwerkhäusern in Quedlinburg (Foto: dpa/picture-alliance)
Aufbauhilfe für marode DDR-InfrastrukturBild: picture-alliance/ZB

Mit dem Soli-Zuschlag kann die Bundesregierunge einige Löcher in ihrem Haushalt stopfen: 2010 nahm sie 11,7 Milliarden Euro über den Soli ein. 2011 sollen es Schätzungen zufolge sogar 12,2 Milliarden sein. Der Solidarpakt soll nach den derzeitigen Plänen der Bundesregierung bis 2019 laufen, das heißt, auch in den nächsten Jahren werden weiterhin große Geldsummen von West nach Ost transferiert werden.

Die Abschaffung der Steuer haben FDP-Politiker im Zuge der Debatte um Steuerentlastungen ins Gespräch gebracht. Die Union aus CDU und CSU ist noch dagegen, jedoch fordern mittlerweile auch Wirtschaftsexperten, dass der Soli abgeschafft wird. Jüngst kritisierte der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle, Ulrich Blum, die Abgabe als "überholt". Der Zuschlag diene längst der Daueraufgabe Staatssanierung", sagte Blum in einem Interview mit der "Financial Times Deutschland". Den Soli beizubehalten sei "grotesk".

Auch der Finanzwissenschaftler Rainer Kambeck vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) schlägt vor, den Solidaritätszuschlag in drei Stufen abzuschmelzen - etwa jeweils um vier bis fünf Milliarden Euro. Andere Experten warnen davor, die Ergänzungsabgabe ganz abzuschaffen. Als Folge müsste man andere Steuern erhöhen, so das Argument, denn Spielräume für Steuersenkungen gibt es nicht.

Autor: Nicole Scherschun/Reinhard Kleber (dpa, afp, dapd)
Redaktion: Marion Linnenbrink/Hajo Felten