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Wetterprognosen

13. August 2011

Wie zuverlässig sind Wetterprognosen? Warum funktionieren Langfristvorhersagen nicht? Ist unser Sommer 2011 tatsächlich so schlecht? Diese Fragen beantwortet uns Gerhard Müller-Westermeier vom Deutschen Wetterdienst.

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Ein Gewitterblitz (Bild: AP)
Bild: AP

DW-WORLD.DE: Was ist das nur für ein Sommer in Deutschland? Seit Anfang Juni gab es kaum einen Tag ohne Regen. Richtig warm ist es auch eher selten, und wenn, dann wird es gleich schwül wegen der hohen Luftfeuchtigkeit. Herr Müller-Westermeier, können Sie den Menschen hier in Mitteleuropa und in Deutschland noch Hoffnung auf einen richtigen Sommer machen?

Gerhard Müller-Westermeier: Sehr viel Sommer ist ja nicht mehr übrig. Ende August geht der klimatologische Sommer zu Ende. Es wird sicher nochmal ein bisschen wärmer werden als jetzt im Moment, aber so eine richtige Hitzewelle, die den Sommer noch völlig umkrempelt, ist wohl kaum noch drin.

War denn der Sommer bislang im normalen Rahmen oder lamentieren wir da einfach nur rum? Rudi Carell hat schon in den 70er-Jahren gesungen: "Wann wird´s mal wieder richtig Sommer, Sommer, wie er früher einmal war".

Wir sind da schon ein wenig verwöhnt. In den letzten Jahren, seit 1996, waren alle Sommer zu warm und der jetzige Sommer ist auch noch ein ganz kleines bisschen über dem Schnitt. Denn wir hatten ja, auch wenn es kaum noch in Erinnerung ist, einen recht warmen Juni. Der war 1,2 Grad zu warm. Er war aber auch schon feucht und wolkenreich. Im Juli war es dann zwar 0,9 Grad zu kühl, aber insgesamt immer noch ein bisschen darüber. Und der August ist bis jetzt, was die Temperatur angeht, durchschnittlich aber sehr nass. Es gibt ein paar Stationen in Nordostdeutschland, die haben jetzt schon den nassesten Sommer in der Messreihe.

Richtig heiß und trocken waren die Monate April und Mai. Das war auch schon 2007 und 2009 so. Die heißesten Frühjahre seit Beginn der Wetter-Aufzeichungen 1888. Kann man daraus eine Tendenz ableiten oder war das einfach nur Zufall?

Ein Porträt des Klimaforschers Gerhard Müller-Weltermeier vom Deutschen Wetterdienst (Bild: dpa)
Klimaforscher Gerhard Müller-WestermeierBild: picture alliance/dpa

Wir haben natürlich eine allgemeine Tendenz, dass es wärmer geworden ist in den letzten 130 Jahren - in allen Jahreszeiten, auch im Frühjahr. Dass es jetzt in den letzten paar Jahren so besonders warme Aprilmonate gegeben hat, ist eigentlich nicht das, was wir für die Zukunft erwarten. Es soll zwar weiter überall immer wärmer werden, drei bis vier Grad bis zum Ende des Jahrhunderts, aber das Frühjahr ist da nicht besonders ausgezeichnet. Auch die Trockenheit der letzten Aprilmonate ist nicht das, was durch die Klimatrends zu erwarten wäre. Da soll es in Deutschland feuchter werden - vor allem im Winterhalbjahr und auch im Frühjahr. Nur im Sommer soll es weniger regnen, und da ist dieses Jahr ein leuchtendes Gegenbeispiel.

Wie zuverlässig sind denn eigentlich die Wettervorhersagen. Wenn ich bei verschiedenen Online-Wetterfröschen nachschaue, dann bieten die Prognosen bis zu 16 Tagen an. Nur: die gehen ziemlich selten in Erfüllung...

Bei 16 Tagen sind Sie nicht mehr weit vom Zufall entfernt. Das erreicht dann schon die Grenze des theoretisch Machbaren. Wenn Sie soweit in die Zukunft vorhersagen, kommen schon ganz kleine Störungen irgendwo auf der Welt infrage, die dann das ganze Wettergeschehen umwerfen können. Einigermaßen solide sind unsere Prognosen bis drei Tage. Da kommen wir schon auf rund 90 Prozent Vorhersagegenauigkeit, wobei natürlich immer die Frage ist: 'Was verstehen Sie unter Genauigkeit?' Auf Zehntelgrad genau können wir es natürlich da auch nicht vorhersagen. Danach lässt es dann kontinuierlich nach, und ab einer Woche oder zehn Tagen wird es dann schon sehr unsicher.

Ab wann sind denn die Bauernregeln besser?

Die sind eigentlich auch nicht besser. Die sagen ja über das Wetter im Detail auch nicht sehr viel, wenn es länger in die Zukunft geht. Die sagen dann auch bloß, ob eine Jahreszeit feucht, kühl oder trocken ist. So etwas wird von den Wetterdiensten zum Teil auch schon versucht, indem man die Modelle einfach weiterlaufen lässt. Dann verteilen sich zwar die Hochs und Tiefs zeitlich sehr zufällig, aber die Häufigkeit ist vielleicht noch etwas stabiler und man kann auch herauslesen, ob es eine trockene oder eine feuchte Jahreszeit gibt. Da liegt die Trefferwahrscheinlichkeit bei knapp über 60 Prozent. Viel besser sind die meisten Bauernregeln auch nicht.

Wovon hängt denn die Treffsicherheit von Prognosen ab?

Wir müssen zunächst die Ausgangssituation möglichst genau erfassen. Da fangen die Probleme schon an, denn wir können nicht auf jedem Quadratmeter eine Wetterstation haben. Und dann können selbst unsere größten Computer alle numerischen Modelle in so einem komplexen System nur annähernd wiedergeben. Es sind also immer noch Effekte dazwischen, wie wir nicht alle vollständig abbilden können. Diese Effekte bringen weitere Fehler mit sich, und das schaukelt sich dann im Laufe der Tage immer weiter hoch.

Das heißt, mit besseren Rechnerleistungen, mit besseren Speicherkapazitäten hat sich auch die Zuverlässigkeit der Vorhersagen verbessert?

Ja. Das kann man auch über die letzten Jahrzehnte verfolgen. Am Anfang konnten wir nur einen Tag gut vorhersagen, dann zwei Tage. Jetzt kommen wir schon auf drei Tage und ein bisschen mehr, aber irgendwo bei zehn bis 14 Tagen ist theoretisch Schluss, weil dann die kleinsten Ungenauigkeiten am Anfang schon die größten Veränderungen am Ende produzieren können.

Das heißt, es gibt auch keine Aussicht darauf, dass man auf absehbare Zeit zuverlässigere Langfristprognosen erstellen kann?

Jedenfalls keine Prognosen, die besagen würden: an bestimmten Tagen scheint die Sonne oder es regnet. Was die Aussagen über die Besonderheiten von Jahreszeiten angeht, ob es da trocken, feucht, kalt oder nass ist: da kann es noch ein bisschen besser werden. Eine 100-prozentige Prognose ist aber auch da kaum erreichbar.

Wenn Sie selbst ihren Urlaub planen, richten Sie sich dann nach Ihren Wetterprognosen?

Kurzfristig schon. Langfristig muss man den Urlaub wohl weiter planen, wie es einem passt. Es gibt aber auch für diese Langfristprognosen schon zahlende Kunden, aber das sind dann meistens Leute, die mit Rohstoffpreisen zu tun haben. Da kommt es auf jedes Promill an. Wenn die ein paarmal falsch liegen aber doch überwiegend richtig, sind die auch zufrieden. Aber für eine Prognose für den Urlaub ist das kaum zu beachten.

Gerhard Müller-Westermeier ist Leiter des Bereichs Klimaanalyse beim Deutschen Wetterdienst in Darmstadt.

Das Interview führte Tobias Oelmaier.
Redaktion: Fabian Schmidt