1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Letzte Bastion des Kommunismus in Osteuropa

25. November 2009

Die deutsche Wiedervereinigung war längst vollzogen, als das Regime in Tirana Ende 1990 aus den Fugen geriet. Albanien war der letzte Staat in Osteuropa, in dem der Eiserne Vorhang fiel.

https://p.dw.com/p/Kg23
Ein Wahlhelfer beim Leeren einer Wahlurne im Hauptquartier des Wahlkomitees in Tirana.
Am 31. März 1991 fanden in Albanien die ersten demokratischen Wahlen in der Geschichte des Landes statt.Bild: picture-alliance/ dpa

Albanien war ein Sonderfall: Es war neben Jugoslawien der einzige kommunistische Staat Europas, der schon 1961 aus dem Warschauer Pakt ausscherte. Albaniens Diktator Enver Hoxha praktizierte einen harschen Stalinismus, der bereits die Reformen in der Sowjetunion unter Nikita Chruschtschow als Abweichlertum von der Lehre des reinen Marxismus-Leninismus verstand. Albanien hatte mit allen Sozialistischen Staaten gebrochen und pflegte auch kaum Kontakte zur westlichen Welt. Es hatte sich selbst isoliert.

Letzte Bastion des Kommunismus

Nach dem jahrelangen strengen Antikommunismus unter dem inzwischen zurückgetretenen Staatspräsident Sali Berisha erlebt Albanien jetzt eine Nostalgiewelle für den kommunistischen Diktator Enver Hoxha (Foto von 1976). Zu dessen 89.Geburtstag am vergangenen Donnerstag (16.10.97) pilgerten Hunderte Hoxha-Verehrer an sein Grab, um ihre Sympathie für den kommunistischen Staatsgründer zum Ausdruck zu bringen. dpa -- nur s/w --
Albaniens Diktator Enva Hoxha (Archivbild von 1976) war überzeugter Stalinist.Bild: dpa - Bildfunk

Der Repressionsapparat des Landes war um vieles brutaler und gründlicher organisiert als in den anderen osteuropäischen Ländern. Albanien benötigte keine Mauern oder Grenzzäune. Lange Jahre habe Albanien hinter den Menschenrechtsstandards anderer osteuropäischer Staaten gelegen, so Tilman Berger von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. „Es gab keine Verteidigung vor Gericht. Es gab sehr drakonische Strafen“, so Berger. Und: "Es wurde sehr oft die Todesstrafe angewandt.“

Private Autos gab es nicht und selbst Reisen innerhalb des Landes waren nur mit Genehmigung der Behörden gestattet. Jeder Fremde erregte sofort die Aufmerksamkeit von Spitzeln des Geheimdienstes.

Das Regime hatte systematisch alle Institutionen zerschlagen, die ihm Konkurrenz machen konnten. Dies betraf besonders hart die Religionsgemeinschaften, die nicht nur verboten, sondern deren Repräsentanten vielfach auch ermordet wurden.

Wenige Chancen für Widerstand

Neben einem Gerichtsbeamten sitzt der frühere kommunistische Staatspräsident Albaniens, Ramiz Alia (r), am 18.2.1997 vor einem Gericht in Tirana.
Der letzte kommunistische Staatschef in Albanien: Ramiz AliaBild: picture-alliance/ dpa

Aufgrund des Repressions- und Spitzelapparates konnten sich auch keine Dissidentennetzwerke bilden. Nicht selten reichte der Spitzelapparat bis hinein in die Familien. Hinzu kam die systematisch ausgeübte Sippenhaft. Kritische Eltern mussten fürchten, mit ihren Kindern offen zu sprechen. Hätten diese sich in der Schule verplappert, wären ganze Familien von Deportation bedroht gewesen.

Wie in Prag, so begann auch in Tirana der Zerfall des Regimes durch westliche Botschaften. Eine besondere Rolle spielte dabei die Bundesrepublik Deutschland, welche auf Betreiben des bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß 1987 diplomatische Beziehungen zur Volksrepublik Albanien aufgenommen hatte. Strauß hoffte zwar auf eine Öffnung des Landes, machte sich aber damals keine Illusionen: "Meine Gesprächspartner haben das Wort `Reformen´ nicht aufgegriffen, sondern von `Verbesserungen der Effizienz ihres Systems´gesprochen. Als Fremder tut man gut daran, ihnen keine Ratschläge zu erteilen." Aber: "Ich glaube, dass die Öffnung Albaniens jetzt begonnen hat, aber dass sie nur in mikroskopisch kleinen Schritten erfolgen wird", so Strauß damals.

Später Regimewechsel

Albaner steigen am 10.07.1990 in Athen aus einer Maschine der Olympic Airways. Foto: dpa
Albaner fliehen nach Griechenland: 1990 setzt eine Massenauswanderung ein.Bild: picture-alliance/ dpa

Der neue deutsche Botschafter war im Frühsommer 1990 kaum im Amt, als Anfang Juli tausende Menschen in die deutsche und später auch in andere westliche Botschaften flohen.

Um die Situation im Lande unter Kontrolle zu halten, stimmte die Regierung unter Präsident Ramiz Alia einer zügigen Ausreise der Flüchtlinge zu und stattete diese im Schnellverfahren mit Reisepässen aus. Mitte Juli durften etwa 5.000 Botschaftsflüchtlinge in einer Nacht- und Nebelaktion das Land verlassen. Allerdings hielt sich das Regime noch ein weiteres Dreivierteljahr.

Erst im Dezember gab ein Studentenaufstand den entscheidenden Impuls für den Regimewechsel. Aus der Studentenbewegung entstand die Demokratische Partei. Am 20. Dezember stürzten Demonstranten in Tirana die Statue von Enver Hoxha vom Sockel.

Demokratie erst 1992

Im März 1991 fanden die ersten Mehrparteienwahlen statt, in denen sich noch ein letztes Mal die nunmehr in "Sozialistische Partei" umbenannten Ex-Kommunisten durchsetzten. Sie konnten den Wahlprozess kontrollieren. Zwei Monate später erzwang ein Generalstreik den Rücktritt dieser Regierung. Zudem setzte ab Sommer 1991 eine Massenflucht nach Italien und Griechenland ein. Alleine am 8. August erreichten 10.000 Menschen an Bord eines Frachters die italienische Hafenstadt Bari.

Eine Expertenregierung unter Beteiligung der demokratischen Opposition übernahm die Regierungsgeschäfte. Erst im März 1992, fast zweieinhalb Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, gewann die demokratische Opposition die Wahlen.

Autor: Fabian Schmidt
Redaktion: Mareike Röwekamp