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Ausnahmen im Vertrag

19. Oktober 2009

Tschechiens Präsident will eine Sonderklausel im EU-Reformvertrag für sein Land und nun zieht der slowakische Ministerpräsident nach. Es geht um die Beneš-Dekrete und die Angst vor Rückgabeforderungen von Vertriebenen.

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Robert Fico (Foto: EU)
Robert Fico könnte sich Klaus' Forderung nach einer Sonderklausel anschließenBild: EU

Nach Tschechiens Präsident Václav Klaus denkt nun auch der slowakische Ministerpräsident Robert Fico über eine Sonderklausel im Lissabon-Vertrag nach. "Wenn Tschechien eine Zusatzklausel aushandelt, können wir nicht außen vor bleiben", sagte Fico in einem Fernsehinterview. Mit der Klausel sollen Rückgabeforderung von Vertriebenen verhindert werden.

Angst vor Rückgabeforderungen

Schwarz-weißes Foto von einem Zug, in den Menschen einsteigen (Foto: AP)
Vertriebene Sudetendeutsche in der Tschechoslowakei (Archivbild: 1938)Bild: AP

Sowohl in Tschechien als auch in der Slowakei wurden nach dem Zweiten Weltkrieg Sudetendeutsche und Ungarn auf Grundlage der so genannten Beneš-Dekrete vertrieben und enteignet. Die Dekrete gelten noch heute in beiden Ländern, die aus der ehemaligen Tschechoslowakei hervorgegangen sind. Mit einer Sonderregelung für Tschechien will Klaus nun verhindern, dass diese Vertriebenen auf Basis der EU-Grundrechte-Charta Ansprüche an sein Land stellen können.

Damit gerate die Slowakei in eine "sehr sensible Position", sagte Fico. Denn die Situation sei in beiden Ländern ähnlich. "Die Beneš-Dekrete sind ein so wichtiger Teil der slowakischen Rechtsordnung, dass wir das Land hier nicht in einer rechtlichen Unsicherheit lassen können." Darum überlege auch er, sich um eine solche Sonderklausel zu bemühen, falls die Tschechische Republik Erfolg damit hat. Die Slowakei hat den Vetrag von Lissabon im April 2008 ratifiziert.

Ein Vertrag, viele Sonderklauseln?

Die Sonderklausel für Tschechien könne als Fußnote an den Vertrag von Lissabon angehängt werden - ohne dass der Vertrag noch einmal von allen 27 EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert werden müsse, sagte Präsident Klaus.

Bislang hat die EU drei Ländern besondere Klauseln im Vertrag von Lissabon zugestanden. Polen wurde zugesagt, dass seine Gesetzgebung zur Homosexualität nicht angetastet werde. Großbritannien setzte durch, dass die Urteile europäischer Gerichte nicht automatisch über britischem Recht stehen. Und den Iren wurde zugesichert, dass sie ihr Abtreibungsverbot, ihre militärische Neutralität und ihre eigene Steuerpolitik behalten dürfen.

Ein Ende in Sicht

Vaclav Klaus (Foto: AP)
Tschechiens Präsident Klaus will nun doch den Vertrag unterzeichnenBild: AP

Dem Vertrag von Lissabon fehlt nur noch die Unterschrift des tschechischen Präsidenten. Nachdem der EU-skeptische Klaus sich lange dagegen gewehrt hatte, hat er nun angekündigt, den Vertrag unterzeichnen zu wollen. Der Vertrag von Lissabon könne "nicht mehr gestoppt oder zur Umkehr gebracht werden", sagte Klaus. Dafür sei der Prozess zu weit vorangeschritten.

Bevor Klaus den Vertrag unterschreiben kann, muss er auf das Urteil des tschechischen Verfassungsgerichtes warten. Es prüft derzeit, ob der EU-Vertrag verfassungskonform ist. Das Urteil wird für den 27. Oktober erwartet. Die EU will bei ihrem Gipfel Ende Oktober in Brüssel über diese Forderungen beraten.


Autorin: Julia Kuckelkorn (rtr/afp)
Redaktion: Arnd Riekmann