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Soziale Themen polarisieren

Christina Bergmann, Washington31. Oktober 2012

Sie entscheiden keine Wahlen, aber polarisieren Wähler: Themen wie Abtreibung, Einwanderung und Rechte für Homosexuelle. Welche Politik vertreten Präsident Obama und sein Herausforderer Mitt Romney - und seit wann?

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Abtreibungsgegner bei einem Protestmarsch (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Es gab einmal eine Zeit, da war es Mitt Romney gleichgültig, ob ein Kollege bei Bain Capital homosexuell war und was er in seiner Freizeit tat - die Arbeit zählte. Und im Rennen um den Gouverneursposten im liberalen Massachusetts erklärte er in einer Debatte, er werde an dem Gesetz des Bundesstaates, das Frauen das Recht auf Abtreibung gewährt, nichts ändern. Inzwischen jedoch ist Romney nach rechts gerückt: Er definiert Ehe als "Verbindung eines Mannes und einer Frau" und fordert einen entsprechenden Zusatz zur amerikanischen Verfassung. Er ist gegen Abtreibung und wünscht sich, dass das wegweisende Urteil des höchsten US-Gerichtes von 1973, Roe gegen Wade, das Frauen das Recht auf Abtreibung garantiert, vom gleichen Gericht wieder aufgehoben wird.

Gleichgeschlechtliche Ehe und Abtreibung gehören zu den vielen Bereichen, in denen Romney, der Präsidentschaftskandidat, eine andere Position vertritt als Romney, der Gouverneur, der eine extrem konservative Basis bedienen muss. "Er scheint keine grundsätzlichen dauerhaften Werte oder Positionen zu haben", sagt der Politikwissenschaftler Thomas Mann im Interview mit DW. Der Experte des Brookings Instituts in Washington DC weist darauf hin, dass Romney die Unterstützung der republikanischen Basis auch braucht, wenn er zum Präsidenten gewählt werden sollte. Er könne also auch nach der Wahl nicht wieder zu seinen liberalen Positionen zurückkehren, denn "dann hätte er überhaupt keine Unterstützer mehr, in keiner Partei."

Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehe

Auch Präsident Obama hat seine Ansichten über gleichgeschlechtliche Ehe erst vor kurzem geändert. Am 9. Mai dieses Jahres erklärte er in einem Fernsehinterview, er sei zu der Erkenntnis gekommen, dass "es erlaubt sein muss, dass gleichgeschlechtliche Paare heiraten." Damit folgte er einem nationalen Trend: Während vor zehn Jahren noch die Mehrheit der Amerikaner dagegen war, dass gleichgeschlechtlichen Paaren die gleichen Rechte wie heterosexuellen eingeräumt wird, ist inzwischen eine knappe Mehrheit dafür. Vor allem Demokraten, unabhängige Wähler und junge Menschen haben die Demokraten mit ihrer liberalen Ansicht auf ihrer Seite.

Auch in Bezug auf Abtreibung ist die Nation ebenfalls gespalten, der Trend geht jedoch in die andere Richtung, weg von der liberalen Auffassung. Das Thema ist wesentlich emotionaler besetzt als die gleichgeschlechtliche Ehe. Hier haben die Abtreibungsgegner in den letzten Jahren eine Mehrheit der Amerikaner von ihrer Ansicht überzeugen können. Präsident Obama allerdings setzt sich seit langem konsequent für das Recht einer Frau auf Abtreibung und für den legalen Zugang dazu ein.

Einwanderungspolitik

Bei der Einwanderungspolitik sind beide Präsidentschaftskandidaten ebenfalls unterschiedlicher Meinung - haben aber auch Übereinstimmungen. Der Präsident ist für die Reform des Einwanderungsgesetzes, er will es den geschätzt über elf Millionen illegalen Einwanderern in den USA ermöglichen, einen legalen Status zu erwerben. Weil die Republikaner den DREAM Act blockieren, eine Gesetzesinitiative, nach der jungen illegalen Einwanderern unter bestimmten Bedingungen eine Aufenthaltsgenehmigung gewährt würde. Dazu gehört beispielsweise, dass sie als Minderjährige in die USA gebracht wurden, ihren High School Abschluss machen, zwei Jahre im Militär dienen oder einen Universitätsabschluss vorweisen.

Weil Obama den DREAM Act nicht durchsetzen konnte, ordnete er per Erlass einen Ausweisungsstopp für junge illegale Einwanderer an. Die Kriterien ähneln denen des DREAM Act, die Maßnahme ist aber zeitlich begrenzt. Für Millionen junger Menschen bedeutet dies, dass sie noch eine gewisse Zeit in dem Land bleiben können, in dem sie aufgewachsen sind. Denn andererseits setzen die Behörden unter Präsident Obama das Aufenthaltsrecht rigoros um: Die Zahl der Abschiebungen ist signifikant gestiegen, mit jährlich rund 400.000 Fällen 30 Prozent höher als während der zweiten Amtszeit von Präsident George W. Bush.

Protestmarsch für mehr Einwandererrechte in Boston (Foto: AP)
Die Einwanderungspolitik spielt eine gewichtige Rolle im WahlkampfBild: AP

Präsidentschaftskandidat Romney will ebenfalls das Einwanderungsrecht reformieren, und er kritisiert Obama, weil er dies in seiner ersten Amtszeit nicht getan hat. Allerdings lehnt Romney eine Amnestie ab. Beide wollen Familien nicht auseinanderreißen und qualifizierten ausländischen Arbeitskräften und Studenten den Aufenthalt in den USA erleichtern. Romneys Vizepräsidentschaftskandidat, Paul Ryan, hat im Kongress gegen den DREAM Act gestimmt, auch Romney ist dagegen. Und er will einen Hightech-Zaun an der gesamten Grenze zu Mexiko installieren.

Langfristige Auswirkungen

Unter den drei sozialen Themen gehört die Debatte um die Einwanderungspolitik zu den wichtigsten Themen, sagt auch Thomas Mann, denn die hispanische Minderheit im Land wächst. "Und die Frage der Einwanderungspolitik  hat für diese Gruppe einen hohen Symbolwert, auch wenn es viele nicht direkt betrifft", sagt er und fährt fort: "Der Rechtsruck der republikanischen Partei seit Präsident George W. Bush hat es den Demokraten erlaubt, unter dieser Wählerschaft einen substantiellen Vorsprung zu erringen und zu halten."

Bei dieser Präsidentschaftswahl stehen Abtreibung, Einwanderung und gleichgeschlechtliche Ehe nicht permanent im Fokus der Wahlkampteams beider Seiten. Es geht, wie so oft, meist um die Wirtschaftspolitik. Aber: langfristig könnten vor allem die Ansichten der beiden Parteien zum Thema Einwanderung und homosexuelle Ehe von Bedeutung sein, so Mann: "Wenn die Republikaner es zulassen, dass die Unterstützung unter der hispanischen Bevölkerung so gering bleibt und wenn die jungen Wähler zu Demokraten  werden, dann könnte es wirklich schwierig für sie werden."