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Späte Haft für deutschen "Rockefeller"

15. August 2013

28 Jahre nach einem Mord in Kalifornien hat der Deutsche Christian Karl Gerhartsreiter das Strafmaß erhalten. Der Hochstapler, der sich auch als "Rockefeller" ausgab, muss für mindestens 27 Jahre hinter Gitter.

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Christian Karl Gerhartsreiter bei der Verkündung des Strafmaßes (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Der gebürtige Bayer Gerhartsreiter, der über Jahre mit falschen klangvollen Namen wie "Rockefeller" oder "Chichester" auftrat, saß in blauer Häftlingskleidung im Gericht, als ein Richter in Los Angeles das Strafmaß verkündete. Mindestens 27 Jahre bis lebenslang wird der 52-Jährige für einen fast 30 Jahre zurückliegenden Mord im Gefängnis verbringen.

Im April war er von einem Geschworenengericht schuldig gesprochen worden, 1985 den Sohn seiner damaligen Vermieterin getötet zu haben. Das Opfer John Sohus und dessen Frau Linda waren seinerzeit spurlos verschwunden. Die zerstückelte Leiche des Mannes wurde neun Jahre später bei Bauarbeiten im Garten seines Elternhauses zufällig gefunden. Erst 2008 konnte sie mit neuen DNA-Methoden identifiziert werden. Von der Frau fehlt bis heute jede Spur. Die Ermittler verdächtigen den Deutschen auch, die Ehefrau getötet zu haben - angeklagt war er in diesem Punkt aber nicht.

Keine Tatwaffe, keine Zeugen

Es gab keine Tatwaffe, keine Zeugen und keine Blutspuren, die Gerhartsreiter mit dem Mord direkt in Verbindung brachten. Und doch waren sich die Geschworenen nach einem mehrwöchigen Mordprozess einig. Es kamen Dutzende Zeugen zu Wort, die Gerhartsreiter als notorischen Lügner und Hochstapler beschrieben. Ein "Meister" im Manipulieren, der sich über Jahrzehnte hinter verschiedenen Identitäten versteckte und Zugang zu reichen Kreisen suchte. Mit einer stumpfen Waffe und einem scharfen Objekt tötete er laut Anklage das Opfer kaltblütig.

Vor Verkündung des Strafmaßes beteuerte Gerhartsreiter noch einmal, das Verbrechen nicht begangen zu haben. Er glaube fest daran, dass die Ehefrau des Opfers die eigentliche Täterin sei. Das wolle er in einem neuen Prozess beweisen. Der Deutsche stand als sein eigener Anwalt vor dem Richter. Sein Verteidigerteam hatte er vor wenigen Wochen gefeuert. Mit einem dicken Stapel Unterlagen war er vor Gericht erschienen. Als er jedoch zu einer längeren Erklärung anhob, sprach der Richter ein Machtwort und verkündete das Strafmaß.

Eigene Tochter enführt

Gerhartsreiter war vor mehr als drei Jahrzehnten in die USA emigriert und lebte in den 1980er Jahren unter dem Namen Christopher Chichester in Kalifornien, zeitweise als Untermieter in einem Gästehaus der Sohus-Familie. Nach dem Verschwinden des Paares zog es ihn an die US-Ostküste, wo er unter verschiedenen Namen lebte, darunter als "Clark Rockefeller". Er gab sich als Hollywood-Produzent und englischer Aristokrat aus. Auch seine damalige Frau Sandy Boss, eine reiche Unternehmensberaterin, hielt er mit schillernden Geschichten zum Narren. Ans Licht kam all das 2008 nach einem Sorgerechtsstreit, als er in Boston seine damalige siebenjährige Tochter entführte. Er wurde zu vier Jahren Haft verurteilt, dann folgte die Mordanklage in Kalifornien.

se/haz (dpa, afp, rtre, ape)