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Spaß mit SMS

Monika Dittrich28. Februar 2003

Die Chinesen haben eine neues Hobby: Sie schicken sich massenweise Kurzmitteilungen und Bilder aufs Handy. Die Mobilfunkanbieter freuen sich über wachsende Gewinne; die Zensur schaut tatenlos zu. Noch zumindest.

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Jeder sechste Chinese hat ein HandyBild: AP

Es ist noch nicht sehr lange her, da war der Besitz eines Telefons in China purer Luxus. Fast niemand hatte einen eigenen Apparat. Wer jemanden anrufen wollte, radelte zum nächsten Nachbarschaftskomitee. Auslandsgespräche waren nur beim Zentralen Telegrafenamt möglich. Von diesem Rückstand ist heute nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil: In Sachen Telekommunikation hat das Reich der Mitte gleich mehrere Entwicklungsstufen übersprungen. Heute gibt es in China mehr Handys als Festnetzanschlüsse.

Rasante Entwicklung des Mobilfunkmarktes

"China ist der größte Mobilfunkmarkt der Welt", sagte der Politologe Zhang Junhua im Gespräch mit DW-WORLD. Der gebürtige Chinese forscht am Berliner Otto-Suhr-Institut über die zunehmende Bedeutung von Internet und Telekommunikation in seiner Heimat. "Es ist eine rasante Entwicklung, die wir hier zurzeit beobachten", sagt Zhang. Jeder sechste Chinese besitzt inzwischen ein eigenes Handy; das sind insgesamt 210 Millionen Menschen. Die wenigsten von ihnen waren jemals an ein Festnetz angeschlossen.

Frau mit SMS Handy
Bild: AP

Das Mobiltelefon hat das chinesische Leben erobert, zumindest in den Städten. Überall hört man die elektronischen Klingeltöne – auf der Straße, im Bus, im Restaurant. Doch die Chinesen telefonieren nicht nur gern. Noch viel lieber versenden sie kurze SMS-Nachrichten (Short Message Service). Denn das Verschicken von kleinen Texten und Bildern ist nicht nur blitzschnell und einfach. "Es ist außerdem sehr preiswert ", sagt der Politologe Zhang. Eine SMS zu versenden kostet nur 15 Fen (etwa 1 Euro-Cent).

SMS-Grüße zum chinesischen Neujahrsfest

Einen wahren SMS-Boom erlebte China beim traditionellen Neujahrsfest am 1. Februar. Die meisten Handy-Besitzer verschickten ihre Glückwünsche per SMS und legten damit die Telefonnetze zeitweise lahm. Insgesamt wurden eine Milliarde elektronischer Neujahrsgrüße gefunkt. Da klingelt nicht nur das Handy, sondern auch die Kasse: 800 Millionen Yuan (90 Millionen Euro) haben die Anbieter dadurch eingenommen. Im gesamten Jahr 2002 wurden mit SMS-Diensten 1,5 Milliarden Yuan (169 Millionen Euro) umgesetzt.

Und was sagen die Hüter der kommunistischen Moral? Schließlich herrscht in China eine strenge Zensur: Die Regierung hat ein scharfes Auge vor allem auf die modernen Kommunikationswege wie Internet und E-Mail. Es ist ein Dilemma, das die kommunistische Führung umtreibt: Man will die ökonomischen Vorteile der neuen Informationstechnologien nutzen, ohne das Monopol der Partei anzukratzen. Deshalb legen die chinesischen Sicherheitsdienste immer wieder Internetseiten lahm. "Auch E-Mail-Dienste werden zensiert", erzählt Zhang.

Belanglose Freizeitbeschäftigung?

Siemens Handy S40, Quiz

Die Kommunikation via Handy und SMS hingegen wird kaum kontrolliert. Vermutlich wurde das Verschicken der kleinen Texte und Bilder bisher als belanglose Freizeitbeschäftigung eingestuft. Doch wie die in Hong Kong erscheinende "South China Morning Post" berichtet, macht sich die chinesische Regierung zunehmend Sorgen über den SMS-Kult. Es werde darüber nachgedacht, spezielle SMS-Filter einzuführen, schreibt das Blatt.

Wahrscheinlich ist das gar nicht notwendig. Denn eine demokratische Revolution per SMS ist nach Ansicht des Politologen Zhang Junhua nicht zu erwarten. Zwar ist es durchaus möglich, auf diese Weise staatsfeindliches Gedankengut auszutauschen und demokratische Ideen zu verbreiten. Doch der SMS-Boom ist eher banal als politisch. Es sind vor allem Witze und lustige Sprichwörter, die sich die Chinesen gegenseitig aufs Handy schicken. Auch einen Liebespartner kann man per SMS suchen. "Eine ganze Menge Porno-Angebote sind dabei, und natürlich Werbung", erzählt Zhang. Eine rebellische Subkultur sei das mit Sicherheit nicht.