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Zur OP nach Valencia

23. April 2009

Patienten sollen in der EU zukünftig frei wählen dürfen, ob sie sich in der Heimat oder einem anderen Mitgliedsland zum Beispiel operieren lassen. Vor allem Spanien sträubt sich heftig gegen diese Pläne der Union.

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Zwei Ärzte in grünen Kitteln mit Hauben und Mundschutz im OP (Foto: Bilderbox)
Europäer sollen bald wählen dürfen, wo sie operiert werdenBild: Bilderbox

Grüne Pinienhügel erstrecken sich bis ins Tal, in der Ferne liegt tiefblau das Mittelmeer. Der Blick durch die große Fensterfront des Speisesaals der deutschen Seniorenresidenz "Montebello" an der Costa Blanca ist ein Traum. In der spanischen Region Valencia verbringen Hunderttausende Ausländer aus der EU ihren Lebensabend. Doch auch hier werden die Leute krank. Rentnerin Ingeborg Lukat hilft manchmal bei Arztbesuchen: "Ich habe eine Dame betreut, die sehr krank war und kein Spanisch sprach. Ich bin mit ihr zu den Ärzten gefahren oder habe für sie Termine ausgemacht. Die bekamen wir manchmal erst in 14 Tagen oder drei Wochen, aber die Termine wurden eingehalten."

Gesundheitssystem völlig überlastet

Viele Menschen in Badekleidung liegen dicht an dicht am Strand (Foto: AP)
Nicht nur die Strände, auch die Wartezimmer könnten in Spanien bald überfüllt seinBild: AP

Alle sind sich einig: Die Ärzte in Spaniens staatlichem Gesundheitssystem sind zwar gut, aber die Wartezeiten auf Behandlungstermine viel zu lang. Darum haben viele eine private Zusatzversicherung, mit der sie in privaten Kliniken behandelt werden.

Udo Lyhs, Pflegedienstleiter der Residenz, hält das staatliche Gesundheitssystem in der Region Valencia schon jetzt für völlig überfordert. Ein Grund seien die vielen Altersresidenzen - alte Menschen würden eben öfter krank, so Lyhs. In Bezug auf die EU-Pläne sagt er: "Ich kann die Sorge mancher schon verstehen, die nicht noch mehr Freizügigkeit wollen. Oder man muss die Zahlungsmodalitäten zwischen den Staaten verändern", sagt Udo Lyhs.

Keine Operationen ab 75 Jahren

Viele der Hunderttausenden an der Costa Blanca lebenden Nordeuropäer melden sich nicht bei den Behörden an, sondern gehen einfach mit der europäischen Gesundheitskarte ihres Herkunftslandes zum Arzt. Das ist ein Missbrauch, denn die Karte gilt nur für Notfälle auf Reisen. Für deutsche Patienten sei das staatliche System mit seinen langen Wartezeiten nicht sehr attraktiv, aber für britische Rentner sei es oft die letzte Rettung, erzählt Lyhs:

Eine Karte von Europa
Spanische Ärzte fürchten ein Europa ohne Grenzen für Patienten

"Da prallen zwei staatliche Systeme aufeinander: Das spanische funktioniert relativ gut, aber in England würden die Leistungen rationiert. Ab einem bestimmten Alter gibt es manche Operationen einfach nicht mehr." Die Grenze liege bei 75 Jahren für Hüften, Knie und "alle Ersatzteile, die mal ausgewechselt werden müssen", so der Pflegedienstleiter.

Die spanischen Gesundheitspolitiker hätten geradezu Angst davor, dass die Rechte europäischer Patienten, in andere EU-Staaten zu gehen, ausgeweitet würden. In Großbritannien würden Reisen angeboten, Hotelaufenthalt und Operation im Paket, sagt Luis Rosales, der in der Region Valencia für die Gesundheitsagentur zuständig ist.

Er berichtet auch von den Tricks mancher Patienten, wenn sie zum Beispiel unter einer chronischen Krankheit leiden, die eigentlich im Heimatland behandelt werden müsste: "Sie gehen einfach in Spanien zum Arzt und natürlich ist dieser verpflichtet zu helfen. Der Arzt wird einen Herzschrittmacher einsetzen oder einen Bypass machen - schließlich ist der Patient akut herzkrank. Diese gewisse Bauernschläue gibt es, und chronische Krankheiten werden dann hier als Notfälle behandelt", schildert Rosales.

Teure Patienten werden an andere Länder abgeschoben

Eine Ärztin im Gespräch mit einem Patienten (Foto: BilderBox)
Schon jetzt kommen viele Patienten in Spanien aus NordeuropaBild: Bilderbox

Manche nordeuropäischen Länder exportierten ihre teuren Patienten in den Süden. Diesen Vorwurf hört man in Spanien oft. Mehr als die Hälfte der im staatlichen Krankenhaus in Alicante an den Herzkranzgefäßen operierten Patienten seien Bürger aus anderen EU-Staaten, erzählt der Arzt Antonio Gómez. Bevor das europäische Parlament die Patientenrechte ausweite, solle es sich auf einen gemeinsamen Leistungskatalog festlegen, fordert er.

"Es wäre ein Desaster, wenn das Vorhaben im EU-Parlament durchkäme", findet der Arzt. Man müsse erst genau festlegen, welche Krankheiten im grenzüberschreitenden Patientenverkehr mit welchen Maßnahmen behandelt würden. "Was nicht geht, ist, dass die Bürger eines Landes mit ihren Steuergeldern die Defizite der Gesundheitssysteme der anderen Länder ausgleichen", sagt Antonio Gómez.

Autor: Hans-Günter Kellner

Redaktion: Sandra Voglreiter