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Spaniens harter Weg

Michael Altenhenne6. Oktober 2012

Spanien ringt noch immer mit einem Hilfsantrag für den Rettungsschirm. Warum das keine leichte Entscheidung ist, erklärt Walther von Plettenberg, Geschäftsführer der Deutschen Handelskammer für Spanien.

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Eine spanische 1-Euro-Münze, aufgenommen am Freitag (08.06.2012) in Düsseldorf. Spanien wird nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur voraussichtlich noch an diesem Samstag (09.06.2012) beim Euro-Rettungsfond EFSF einen Antrag auf Hilfe für seine kriselnden Banken stellen. Foto: Martin Gerten dpa/lnw +++(c) dpa - Bildfunk+++
Eine spanische 1-Euro-MünzeBild: picture-alliance/dpa

DW: Wie stark sind die deutsch-spanischen Handelsbeziehungen von der schweren Krise betroffen?

Walther von Plettenberg: Spanien leidet seit vier Jahren unter einer Rezession. Das hat dazu geführt, dass die deutschen Exporte nach Spanien seit dem Höchststand im Jahr 2007 von 43 Milliarden Euro auf 30 Milliarden Euro im Jahr 2011 gesunken sind. In dem gleichen Zeitraum sind die spanischen Exporte nach Deutschland kontinuierlich gestiegen und beliefen sich im letzten Jahr auf 21 Milliarden Euro. Diese Entwicklung ist makroökonomisch zu begrüßen, da sie zu einem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht führt. Für die deutsche Exportwirtschaft ist diese Entwicklung natürlich negativ, da sie auf anderen Märkten die entsprechenden Ersatzkäufer suchen muss.

Warum ist es so wichtig für Spanien, dass sich die Außenhandelsbilanz ändert?

Wie viele andere Länder auch, hat Spanien seit der Einführung des Euro - und den damit einhergehenden günstigen Zinsen - nicht genügend gespart, sondern mit Hilfe von Krediten aus dem Ausland gewirtschaftet. Spanien ist insofern kein Einzelfall - Länder wie die USA und viele andere europäische Länder, vor allem der Peripherie, weisen analoge Fehlentwicklungen auf. Das hat dazu geführt, dass sich das Leistungsbilanzdefizit von Spanien im Jahr 2007 auf 106 Milliarden Euro belief, also ungefähr 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Dieses Leistungsbilanzdefizit dürfte im Jahr 2013 auf Null geschrumpft sein, das heißt, Spanien wird zum ersten Mal wieder eine ausgeglichene Leistungsbilanz haben. Die Importe sind natürlich radikal gedrosselt worden, das Beispiel Deutschland mit knapp 30 Prozent Rückgang seit 2007 zeigt das sehr deutlich.

Walther von Plettenberg, Geschäftsführer der Deutschen Handelskammer für Spanien (AHK Spanien); Copyright: AHK
Walther von PlettenbergBild: AHK

Welche Rolle kann die Zusammenarbeit mit Deutschland spielen, damit Spanien einen Weg aus der Krise findet?

Es sind etwa 1.200 deutsche Unternehmen in Spanien tätig, knapp die Hälfte davon in der Industrie. Dies beinhaltet den Transfer von Know-how und Innovation im Lande. Darüber hinaus ist die deutsche Industrie direkt und indirekt für sehr viele Arbeitsplätze verantwortlich. Die Zahl der Direktbeschäftigten dürfte zwischen 200.000 bis 300.000 liegen, die Zahl der indirekten Arbeitsplätze ist möglicherweise etwa dreimal so hoch. Wir sprechen also von einer ganz erheblichen Anzahl von Arbeitsplätzen, die durch deutsche Investitionen in Spanien geschaffen werden.

Inwieweit ist Deutschland ein Vorbild für Spanien?

Ein Thema, das man in diesem Zusammenhang nennen muss, ist die duale Ausbildung - also die parallele Ausbildung in einer Berufsschule und einem Betrieb. Deutschland, Österreich oder die Schweiz haben ein stark dual ausgeprägtes Ausbildungssystem. In diesem Jahr hat Spanien ganz erhebliche Schritte in Richtung Duales System gemacht. So hat die Regierung im September einen Entwurf für eine Ausbildungsreform vorgestellt, die die Ausbildungsverträge in Richtung Duale Ausbildung weiter verbessern soll. Seat wird sich beispielsweise auf das deutsche Ausbildungsmodell einlassen und hat jetzt gerade bekanntgegeben, seine Ausbildung umzustellen: Sie wird auf drei Jahre verlängert, die Lehrlinge bekommen ab dem ersten Tag Geld, was früher nicht der Fall war. Das Gleiche kann ich von vielen anderen Unternehmen in Spanien berichten.

Warum ist das Thema Ausbildung so wichtig für Spanien?

Bislang ist die Ausbildung der Jugendlichen in Spanien sehr verschult. Nur ein Drittel der spanischen Jugendlichen wählt den Weg einer Ausbildung, der Rest studiert oder bricht die Schule ab. Das heißt, etwa ein Viertel der Jugendlichen hat überhaupt keine weitere Ausbildung und viel zu viele studieren an der Universität und finden dann keine Arbeit. Dementsprechend hoch ist die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien. Insofern ist das Thema Duale Ausbildung ganz wichtig, um den spanischen Jugendlichen eine attraktive Alternative zum Schulabbruch oder zum Abitur bieten zu können.

Geht es um "Bildung versus Bauen"? Wo soll künftig Spaniens Wirtschaftskraft herkommen?

Der Bausektor wird die nächsten Jahre brach liegen. Die vielen Arbeitskräfte, die dort gebunden wurden, auch die wirtschaftlichen Ressourcen, müssen umstrukturiert werden. Das führt dazu, dass viele Jugendliche, die ihre Ausbildung abgebrochen haben, um auf dem Bau zu arbeiten, plötzlich nach- bzw. umgeschult werden müssen. Die zweite ganz wichtige Tendenz ist es, den Export weiter zu fördern. Es ist nicht tragbar, dass Spanien immer weiter mit Leistungsbilanzdefiziten agiert. So lange das Ausland eine zunehmende Verschuldung zulässt, kann das gutgehen, aber irgendwann machen die Kapitalmärkte nicht mehr mit, das gilt für Spanien wie für jedes andere Land. Und in dem Moment wird klar: Wir müssen exportieren, wir können nicht nur importieren, die Leistungsbilanz muss ins Gleichgewicht kommen. Gegenüber einer Vielzahl von Ländern ist das bereits gelungen: Spanien erzielt im Handel mit Frankreich, Italien oder Portugal klare Überschüsse.

Wird die Regierung in Madrid an ihrem Sparkurs festhalten?

Diese Regierung ist fest entschlossen, ihr Sparprogramm durchzusetzen. Sie ist zum Glück noch am Anfang ihrer Legislaturperiode, sie hat noch drei Jahre vor sich, und ich glaube kaum, dass sie die sehr harten Opfer, die sie der Bevölkerung durch die Reformen der letzten neun Monate zumutet, aufs Spiel setzen wird. Ich bin der Meinung, hier wird ernsthaft umstrukturiert.

Die Fragen stellte Michael Altenhenne.