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"Spanien wird Spitzenreiter sein"

Gernot Heller (Reuters)31. August 2015

Spaniens Regierungschef Rajoy ist zurzeit in Deutschland, ökonomisch betrachtet ein "Besuch bei Freunden". Doch sein Land leidet noch immer unter einer hohen Arbeitslosigkeit - und im Herbst wird gewählt.

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Bild: dapd

Die Verfechter der europäischen Anti-Krisenpolitik mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel an der Spitze haben mit dem Beispiel Spanien viele gute Argumente gegenüber Kritikern. Entscheidende Wirtschaftsdaten der viertgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone zeigen nach oben, und zwar teils kräftig.

Regierungschef Mariano Rajoy, der am Montag und Dienstag in Berlin ist und neben Merkel auch Wirtschaftsführer aus beiden Ländern trifft, sagt stolz ein Wachstum in diesem Jahr von 3,3 Prozent voraus. "Spanien wird unter den europäischen Ländern Spitzenreiter sein", schreibt er im "Handelsblatt". Doch die Arbeitslosigkeit bleibt beunruhigend hoch. Zudem werfen anstehende Regional- und Nationalwahlen Unsicherheiten auf.

Unwägbarkeiten im politischen Bereich

Völlig ungetrübt ist der Himmel über Spanien also nicht. Zwar wurden national wie international die Wachstumsprognosen für Spanien angehoben - aber "allesamt unter der Voraussetzung, dass ungünstige Umstände intern und extern ausbleiben", wie die deutsche Investitions-Agentur GTAI gerade erst anmerkte.

Unwägbarkeiten gehen insbesondere von der innenpolitischen Entwicklung aus. Da sind die Regionalwahlen in Katalonien Ende September, dessen Regierung die Abspaltung von Madrid anstrebt und dafür mit dem Urnengang ein Mandat erhofft. Gegen Ende des Jahres stehen dann allgemeine Wahlen in Spanien an. Und da spekulieren insbesondere die Spargegner mit der Protestpartei Podemos auf einen Umschwung.

Allerdings: In den jüngsten Umfragen sieht es für sie nicht mehr ganz so günstig aus wie noch vor wenigen Monaten. Das aber kann sich schnell wieder ändern. Und wie ein radikaler Wechsel einen günstigen wirtschaftlichen Trend umkehren kann, hat man gerade erst bei Griechenland gesehen.

Gewinnt Rajoy, der mit seiner konservativen "Volkspartei" seit Ende 2011 mit absoluter Mehrheit regiert, dürfte alles beim Alten bleiben. "Stabilität, Reformbereitschaft, Rigorosität, Verantwortungsbewusstsein und Sparsamkeit", das nennt er als die Kernelemente einer Politik, die in seinem Land wie für ganz Europa weiter den Wohlstand gewährleisten kann. Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble würden das kaum anders sagen. Podemos und andere kritische Kräfte in der spanischen Politik wollen diesen Sparkurs dagegen kippen.

Anlass zur Hoffnung

Wenn es um das Hier und Jetzt geht, so ist Spanien eine eindrucksvolle Wende vom "kranken Mann Europas" zum aktuellen Wachstumstreiber gelungen. Dabei lag das Land noch vor wenigen Jahren darnieder. Es musste 2012 Finanzhilfen beim Euro-Schutzschirm ESM beantragen, damit seine taumelnden Banken nicht die gesamte Wirtschaft in den Abgrund riss.

Inzwischen verfügt das Land wieder über vielversprechende Wachstumsperspektiven und sticht dabei auch Deutschland aus, das ein absehbares Wirtschaftswachstum um die drei Prozent bis 2018 nicht vorweisen kann. Spanien wächst derzeit so stark wie seit dem Beginn der weltweiten Finanzkrise vor acht Jahren nicht mehr. Das Bruttoinlandsprodukt legte von April bis Juni um 1,0 Prozent im Vergleich zum Vorquartal zu - mehr als doppelt so schnell wie das deutsche. Dazu tragen sowohl der private Konsum wie Investitionen und Exporte bei.

Gut für den deutschen Export

Auch der Appetit auf Waren "Made in Germany" nimmt dabei zu: Die deutschen Ausfuhren nach Spanien legten in der ersten Jahreshälfte um mehr als elf Prozent auf rund 19,5 Milliarden Euro zu, während die in die gesamte EU gerade um sechs Prozent zulegten. Die Chancen für eine Fortsetzung des Aufwärtstrends stehen nicht schlecht. Ein Grund ist der Tourismusboom: Im Juli stieg die Zahl der Besucher im Vergleich zum Vorjahr um 6,3 Prozent auf den Rekordwert von 8,8 Millionen. Damit dürfte der Tourismus, der rund elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht, die Erholung mittragen.

Es gibt aber auch Schattenseiten, etwa die Arbeitslosigkeit. Die Quote liegt bei 22,5 Prozent, trotz eines leicht rückläufigen Trends mehr als doppelt so hoch wie der Durchschnitt in der gesamten Euro-Zone. Es gibt immer noch weit über fünf Millionen Menschen in Spanien ohne Job. Rajoy verweist zwar darauf, dass unter seiner Regierung 2014 und 2015 über eine Million Arbeitsplätze neu entstanden seien. Der Verlust von fast 3,5 Millionen Jobs in den Jahren zuvor ist damit aber beileibe noch nicht ausgeglichen.