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Spaniens leere Kassen

Ralf Bosen19. Juli 2012

Während die meisten EU-Beamten in den Ferien sind, ringt Spanien mit den Sparauflagen aus Brüssel. Die Regierung in Madrid muss weiter Gehälter kürzen und Steuern anheben. Möglicherweise wird das nicht ausreichen.

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Die spanische Flagge vor einem Gebäude (Foto: Fotolia)
Die spanische FlaggeBild: Fotolia/elxeneize

Die Glasbauten der Europäischen Union am Brüsseler Robert-Schumann-Platz sind verwaist, fast wie leergefegt. Selbst der sonst übliche Verkehrsstau hat sich weitgehend aufgelöst. Es ist Ferienzeit. Die meisten EU-Beamten erholen sich im Sommerurlaub, nur wenige Büros sind besetzt. Rund 1.300 Kilometer Luftlinie entfernt, in Madrid, kann sich dagegen kein Spitzenbeamter reinen Gewissens eine Auszeit gönnen. Denn die Suche nach Wegen, das in Brüssel beschlossene Sparprogramm zu erfüllen, bereitet ihnen so manche schlaflose Nacht.

Die Regierung in Madrid muss das Haushaltsloch um 65 Milliarden Euro verkleinern. Bis 2014 soll sie das Defizitziel von 2,8 Prozent erreichen. Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy sieht sich gezwungen, den Takt im Streichkonzert zu erhöhen und kündigte an, den öffentlichen Dienst zu reformieren, Arbeitslosenhilfen zu kürzen und die Mehrwertsteuer von 18 auf 21 Prozent zu erhöhen. Könnte sich das größte europäische Sorgenkind damit aus eigener Kraft aus dem Schuldensumpf ziehen? Daran gibt es Zweifel. Die Tageszeitung 'El Pais' beispielsweise errechnete, dass das jüngst vorgestellte Reformpaket voraussichtlich nicht genügend Geld in die Kassen spült. Rajoy wird also möglicherweise nachjustieren und weitere 'Grausamkeiten' verkünden müssen.

Rajoy während einer Parlamentssitzug mit der Hand am Kinn (Foto: REUTERS)
Mariano Rajoy hat große Aufgaben vor sichBild: Reuters

Abhängig von der Weltwirtschaft

Walther von Plettenberg, Geschäftsführer der Deutschen Handelskammer für Spanien, weist darauf hin, dass das Erreichen der Sparziele auch von Faktoren abhänge, die Madrid nicht beherrschen könne. Spanien halte sich zwar durch eine gut funktionierende Exportwirtschaft über Wasser, "aber wenn sich die Weltwirtschaft nicht ordentlich entwickelt, haben Spaniens Exporte und damit Spaniens Steuereinnahmen erhebliche Schwierigkeiten. Dann wäre das ambitionierte Ziel, mehr als 60 Milliarden Euro einzusparen, in Gefahr", sagt von Plettenberg der Deutschen Welle.

Walther von Plettenberg (Foto: ahk)
Walther von Plettenberg weist auf die Weltwirtschaft hinBild: AHK

Angesichts der Schwankungen in der internationalen Wirtschaft bewegen sich die spanischen Reformpolitiker auf dünnem Eis. Dies gilt auch für den sozialen Frieden in dem Land. Noch ist die Lage nicht eskaliert, noch halten sich die gewaltsamen Ausschreitungen am Rande von Protestkundgebungen in Grenzen – zumindest im internationalen Vergleich. Bisher seien die Spanier erstaunlich gut mit der Situation umgegangen, urteilt von Plettenberg. Man wäre sich eben bewusst, "zehn bis fünfzehn Jahre lang weit über die Verhältnisse gelebt zu haben." Insofern sei die Bereitschaft zu einem starken Verzicht relativ groß. "Aber mittlerweile wird es heftig, denn bei den neuen Einsparungen bleibt keiner mehr verschont. Die Staatsangestellten, die auf die in Spanien so wichtige Weihnachtsgratifikation verzichten sollen, werden möglicherweise nicht stillhalten." Der ohnehin angeknackste soziale Frieden könnte damit in eine noch größere Schieflage geraten.

Demonstranten mit Transparenten (Foto: Reuters)
Proteste in Valencia gegen Kürzungen im öffentlichen DienstBild: Reuters

Angst vor EU-Kontrollen

Noch vor ein paar Wochen hatte sich Spanien etwas Luft verschafft. Wegen seines wirtschaftlichen und politischen Gewichts konnte es bei der EU Sonderkonditionen bei der Hilfe aushandeln. Erstmals musste sich nämlich ein Staat nicht komplett der Überwachung durch die Geldgeber unterwerfen. Die bis zu 100 Milliarden Euro, die der Rettungsfonds EFSF bereitstellt, dienen der Sanierung der spanischen Banken. Dafür wird Spanien nicht wie zuvor Griechenland, Portugal und Irland als Ganzes Schutz unter dem Europäischen Rettungsschirm suchen müssen. Dies wäre mit EU-Kontrollen sowie der teilweisen Abgabe staatlicher Souveränität und Unabhängigkeit an Brüssel verbunden. Aus Sicht der stolzen Spanier käme dies dem Eingeständnis einer Niederlage gleich. Außerdem fürchten sie, dass sie damit das Vertrauen der Finanzmärkte vollends verlieren könnten.

Stefan Schneider (Foto: DB Research)
Stefan Schneider dämpft Hoffnungen zur EU-BankenhilfeBild: DB Research

Mit den möglichen EFSF-Hilfen für die Banken ist die Hoffnung verbunden, dass die rekapitalisierten Geldhäuser endlich wieder Kredite für notwendige Investitionen vergeben und die Wirtschaft an Fahrt aufnimmt. Stefan Schneider von "DB Research" hat allerdings Zweifel, ob dieser Plan aufgeht. Man müsse sehen, dass zu einem Kredit immer auch eine Nachfrage gehöre. Und ein Phänomen der Krise in Spanien sei, dass der private Sektor, die Unternehmen und die Haushalte insgesamt sehr hoch verschuldet seien - bei über 200 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. "Die Neigung neue Kredite aufzunehmen, dürfte deshalb bis auf weiteres sehr begrenzt sein", erläutert der Ökonom des Think Tanks der Deutschen Bank im Gespräch mit der DW. Daher sei es eher unwahrscheinlich, dass die spanische Konjunktur durch eine massive Kreditvergabe schnell wieder an Fahrt gewinne.

Solidarischer Kraftakt gefordert

Was kann Spanien also noch tun, um seine Kassen zu füllen? Bisher seien alle Maßnahmen gut und effizient umgesetzt worden, sagt der Geschäftsführer der Deutschen Handelskammer für Spanien, Walther von Plettenberg. Als einzige Hausaufgabe für die Regierung sieht er noch, "die autonomen Regionen dazu zu bringen, sich an dem solidarischen Kraftakt zu beteiligen, in dem sie ihre Ausgaben radikal kürzen und wahrscheinlich auch Staatsangestellte freigestellt werden, was bisher nicht geschehen ist. Das ist noch ein Tabuthema." Kein Wunder, denn im föderal strukturierten Spanien kann die Zentralregierung den Regionalregierungen nicht ohne weiteres in die Haushaltsführung reinreden.

Auch der Bankenexperte Ricardo Wehrhahn von der Unternehmensberatung Roland Berger in Madrid glaubt, dass es nicht mehr viel Spielraum für die Regierung gibt. Er sieht die autonomen Regionen Spaniens ebenfalls in der Sparpflicht, sagte er gegenüber der Deutschen Welle. Alternativ müsste überlegt werden, wie man Wachstum generieren könne: "Es gibt viele Möglichkeiten die Exportwirtschaft zu unterstützen, um die Marke Spanien besser im Ausland zu verkaufen." Als Beispiel nennt er die Auslandsreisen deutscher Politiker, die von Wirtschaftsdelegationen begleitet würden. Bei diesen Reisen könnten Unternehmer ihre Produkte vorstellen und Geschäftskontakte schließen. Zudem schlägt Wehrhahn vor "auch kleinere, mittelständische Firmen zu unterstützen, in dem man ihnen bei Auslandsgeschäften Steuervorteile verschafft."

Bauruine auf Fuerteventura (Foto: dpa)
Wegen der Immobilienblase wurden Bauvorhaben eingestelltBild: picture alliance/Franz Pritz/picturedesk.com

Beistand vom Königshaus

Seit dem Bauboom und der anschließend geplatzten Immobilienblase befindet sich Spanien in einer tiefen Wirtschaftskrise, bei der tausende Firmen pleite gegangen sind. Mit einem Rekordstand von 23 Prozent Arbeitslosen (5,3 Millionen) hat das Königreich die höchste Erwerbslosigkeit der EU. Bei den unter 25-Jährigen sind sogar fast 50 Prozent ohne Job - Tendenz steigend.

Die Zeiten sind hart für Spanien. Und wenn es dem Volk so richtig schlecht geht, dann ist in Spanien der König gefordert. Der will nun auch seinen Gürtel enger schnallen - zumindest ein bisschen. Juan Carlos und Kronprinz Felipe kündigten an, auf 7,1 Prozent ihres Bruttojahresgehalts zu verzichten. Bisher bekommt der König vom Staat jährlich etwa 272. 000 Euro, sein Sohn bekommt die Hälfte. Das Gehalt des Königs verringert sich somit um rund 21.000 Euro. Kronprinz Felipe kassiert fast 10.500 Euro weniger. Angesichts des Vermögens und sonstiger Einnahmen des Königshauses ist der Verzicht wohl eher eine symbolische Geste. Oder aber der Versuch des Monarchen, sein ramponiertes Image aufzupolieren. Erst im April war Juan Carlos wegen eines luxuriösen Jagdausflugs in Botswana heftig kritisiert worden. Während seine Landsleute unter der Finanzkrise litten, hatte der Blaublüter Elefanten gejagt. Möglicherweise könnten die Kosten des Jagdausflugs ähnlich hoch gewesen sein, wie die Summe auf die Juan Carlos nun jährlich verzichten will.

Juan Carlos und Felipe vor dunklem Hintergrund (Foto:AP/dapd)
Zwei, die geben wollen: König Juan Carlos (r.) und Kronprinz FelipeBild: dapd