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Wahl zementiert den Stillstand

Santiago Saez, Madrid / BA27. Juni 2016

Die Neuwahlen in Spanien sollten die politische Instabilität im Land beenden. Stattdessen ist das Ergebnis kaum anders als das vor einem halben Jahr. Es drohen wieder Neuwahlen, berichtet Santiago Saez aus Madrid.

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Der amtierende spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/AP Photo/D. O. de Olza

Die konservative Volkspartei des amtierenden Ministerpräsidenten Mariano Rajoy ist der größte Gewinner der Wahlen vom Sonntag. Sie erreichte 137 Sitze im Parlament und kann damit ihren Anspruch festigen, die neue Regierung in Spanien zu bilden.

Die oppositionellen Sozialisten erreichten die zweitmeisten Stimmen und damit 85 Sitze. Es ist das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der PSOE - und dennoch besser, als Umfragen es vorhersagten. Entgegen der Erwartungen erreichte das Linksbündnis Unidos Podemos, das gegen eine Sparpolitik eintritt, nur 71 Sitze im Parlament. Die Neuwahl war notwendig geworden, weil sich die Parteien nach der Wahl vom 20. Dezember 2015 auf keine Koalition einigen konnten.

Neuwahlen oder weiter mit Rajoy?

Das wahrscheinlichste Szenario nach diesem Ergebnis ist nach Ansicht von Experten eine schwache Regierung mit einem Ministerpräsidenten Rajoy. Das meint Antonio Barroso, stellvertretender Forschungsdirektor des Londoner Think Tanks Teneo Intelligence. Denn auch wenn die Volkspartei 14 Sitze zulegen konnte im Vergleich zum Dezember, braucht sie einen Koalitionspartner - und dafür kommen nur wenige infrage. Eine Regierung unter Rajoy sei "die einzige Alternative zu einem Patt, der zu einer dritten Parlamentswahl binnen eines Jahres führen würde", sagte Barroso.

Pedro Sanchez ist mit den Sozialisten zweitstärkste Kraft geworden (Foto: dpa)
Die Sozialisten von Pedro Sanchez sind zweitstärkste Kraft gewordenBild: picture-alliance/dpa/F. Villar

Eine Linkskoalition sei keine Option, betonte der Experte: "Eine mögliche Allianz zwischen der Unidos Podemos und der PSOE bräuchte die Unterstützung der Parteien, die eine katalanische Unabhängigkeit fordern. Das kommt für die Sozialisten aber nicht infrage."

Damit können die Sozialisten zum Königsmacher für Rajoy werden. Es ist wahrscheinlich, dass die Unidos Podemos sowie die Unabhängigkeits-Parteien in Katalonien und im Baskenland gegen eine weitere Amtszeit für den Konservativen stimmen. Deshalb braucht Rajoy die PSOE, um weitere Neuwahlen zu verhindern.

Spanier nicht glücklich mit dem Ergebnis

Barroso betonte, es wäre keine gute Idee, ein Parlament ohne klare Mehrheitsverhältnisse zu erzwingen. Das könne dazu führen, dass "andere Parteien das als Grund nennen, warum sie sich bei der Abstimmung über das neue Kabinett enthalten und so eine Regierung der Volkspartei erleichtern."

Am Tag nach der Wahl sind die Menschen in Madrid geteilter Meinung, ob der Vorsitzende der Sozialisten, Pedro Sanchez, ein solches Szenario zulassen würde. "Ich denke, die PSOE wird sich enthalten und so eine zweite Amtszeit für Rajoy ermöglichen", sagte Francisco Javier. Der Computeringenieur ist nicht glücklich mit dem Wahlergebnis: "Schlimmer hätte es nicht kommen können und die PSOE würde einen hohen Preis dafür zahlen, wenn sie Rajoy weiter regieren lässt."

Pablo Iglesias von Podemos konnte trotz guter Umfragewerte nicht zulegen (Foto: Reuters)
Die Podemos-Partei von Pablo Iglesias konnte trotz guter Umfragewerte nicht zulegenBild: Reuters/A. Comas

Auch die Bibliothekarin Aurora ist mit dem Wahlergebnis nicht zufrieden. Sie rechnet allerdings damit, dass die Spanier bald zum dritten Mal abstimmen müssen. "Halten die Parteien sich an das, was sie im Wahlkampf gesagt haben, dann gibt es keine Mehrheit für eine Regierung. Wenn es trotzdem dazu käme, hätte das Folgen für die PSOE. Wenn nicht, wird alles wie immer bleiben."

Linksbündnis und Liberale als große Verlierer

Das Linksbündnis Unidos Podemos und die liberale Partei Ciudadanos sind die großen Verlierer der Wahl. Die Partei Podemos unter Pablo Iglesias profitierte nicht davon, dass sie gemeinsam mit den Vereinigten Linken von Izquierda Unida antrat. Auch wenn sie keine Mandate verlor, hatten Umfragen vorhergesagt, dass sie 90 Sitze gewinnen würde statt der tatsächlichen 71.

Albert Riveras Partei Ciudadanos verlor acht ihrer 40 Sitze im Parlament. Die Liberalen hatten ihren Wahlkampf darauf ausgerichtet, Rivera als Mittelsmann zwischen Rajoy und Sanchez zu präsentieren, der einen Ministerpräsidenten Iglesias verhindert. Nach der Wahl ist Ciudadanos für mögliche Koalitionsverhandlungen aber de facto irrelevant.

Neuwahlen im Winter möglich

Wie es nun weitergeht, wird sich in den kommenden Monaten zeigen: Das neu gewählte Parlament nimmt seine Arbeit in den nächsten 25 Tagen auf. Dann wird der spanische König mit den Vorsitzenden aller vertretenen Parteien sprechen. Er allein entscheidet darüber, welcher Kandidat Ministerpräsident werden soll. Dieser muss dann 176 der 350 Abgeordneten von sich und seiner Regierung überzeugen.

Wenn der Kandidat im ersten Wahlgang nicht diese absolute Mehrheit erreicht, wird 48 Stunden danach erneut abgestimmt. Dann reicht eine einfache Mehrheit, um Ministerpräsident zu werden. In diesem Fall wäre eine Enthaltung der PSOE relevant, denn dadurch könnte Rajoy zu seiner zweiten Amtszeit kommen. Wenn aber niemand genug Stimmen erhält, wird es wieder Neuwahlen geben. Wahrscheinlich würden die Spanier dann im November oder Dezember erneut zur Stimmabgabe aufgerufen.