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Kampf um Arbeitsplätze

10. Februar 2010

In Spanien ist ein merkwürdiger Wettbewerb ausgebrochen. Welche Gemeinde bekommt den Zuschlag für ein Atommüll-Lager. Mehr als zehn Ortschaften haben sich beworben. Die meisten leiden unter Abwanderung.

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Das stillgelegte Atomkraftwerk Vandellos I in Tarragona (Foto: dpa)
Atommüll wurde in Frankreich zwischengelagertBild: picture alliance/dpa

In Deutschland versuchen Gemeinden wie Gorleben mit aller Macht, ein Atommülllager loszuwerden oder zu verhindern. In Spanien kämpfen dagegen zehn Ortschaften um das Privileg, Atommüll-Standort zu werden. Besonders kleine Gemeinden hoffen auf Wohlstand durch den Bau eines solchen Lagers. Das Dorf Melgar de Arriba in der Provinz Valladolid zählt nur 224 Einwohner. Die meisten sind damit einverstanden, hier das Atommüll-Zwischenlager bauen zu lassen, für das die spanische Regierung nach einem geeigneten Ort sucht. Dort sollen radioaktive Nuklearabfälle aus ganz Spanien lagern.

Melgar de Arriba ist nicht die einzige Gemeinde, die sich freiwillig als Standort bewirbt. Mehr als zehn spanische Ortschaften haben bereits Interesse an dem Atommüll-Zwischenlager gezeigt. Dieses soll zusammen mit einem technologischen Forschungszentrum und einem Industriepark errichtet werden. Das brächte eine Investition von rund 800 Millionen Euro und zwischen 300 und 500 Arbeitsplätze an seinen zukünftigen Standort. "Wir machen das nicht wegen der Krise", versichert Óscar Fernández, der Bürgermeister von Melgar de Arriba: "Es ist für unser Dorf. Das hier ist eine ländliche Gegend, die von stark sinkenden Bevölkerungszahlen betroffen ist. Wir hoffen, dass die Arbeitsplätze helfen werden, den Landkreis wieder zu beleben."

Perspektivlose Gemeinden

Atomkraftgegner protestieren am 24.01.2010 gegen die Bewerbung der Stadt Asco bei Tarragona für das Atommülllager (Foto: dpa)
Nicht in allen Gemeinden waren die Bürger über die Bewerbung begeistertBild: picture alliance/dpa

Wie in vielen anderen Gemeinden in Zentralspanien auch, wandern die Menschen aus Melgar de Arriba ab, weil sie dort keine Persepektive für sich sehen. Noch vor vier Jahren hatte die Gemeinde 55 Einwohner mehr. Damit hat sie fast 20 Prozent der Bevölkerung verloren. Die Karrierechancen in den großen Städten oder Küstenregionen sind besser. Auch in der Region Guadalajara, haben sich einige Gemeinden beworben. "Abgesehen von wenigen Ausnahmen liegen alle Ortschaften, deren Bürgermeister das Zwischenlager in ihren Ort holen möchten, in strukturschwachen Regionen, die historisch benachteiligt sind," erklärt Daniel Martínez, ein Vertreter der Partei Vereinte Linke (Izquierda Unida).

Spanien hat heute acht aktive Atomreaktoren sowie zwei, die vom Netz genommen wurden: Zorita, das 2006 geschlossen wurde, und Vandellòs I, bei Tarragona. Dieses AKW war nach einem Brand 1989 abgeschaltet worden. Bis auf Vandellòs I bewahren alle spanischen AKWs ihre Abfälle in Wasserbecken innerhalb der Anlagen auf. Doch die Kapazität ist begrenzt, und dass die Becken in wenigen Jahren voll sein werden, ist längst bekannt.

Hohe Aufbewahrungskosten im Ausland

Die Situation in Spanien unterscheidet sich kaum von der in Deutschland, sagt Christina Hacker vom Umweltinstitut in München. "Bis 2005 hat Deutschland seine abgebrannten Brennelemente entweder nach Frankreich oder nach England geliefert, um sie dort wieder aufzuarbeiten. Da sind sie dann über einige Jahre verblieben. Jetzt muss aber der Rest, der nicht weiter verarbeitet werden kann, ins Ursprungsland zurückkommen. Das ist in Spanien genau so."

Dort wurden die Abfälle, die nach dem Unfall nicht mehr in Vandellòs I lagern konnten, zur Aufarbeitung nach Frankreich geschickt. Das war bisher das einzige Mal, dass in Spanien hoch radioaktive Abfälle transportiert wurden. Insgesamt gab es 149 Fahrten zwischen 1974 und 1994. Das Kraftwerk war gemeinsam von Spanien und Frankreich betrieben worden. Deshalb übernimmt Frankreich auch die Verantwortung für einen Teil des Atommülls. Ein Abkommen zwischen beiden Ländern sieht jedoch vor, dass Spanien bis zum 31. Dezember 2010 fast 250 Millionen Euro an Frankreich zahlen muss – dafür, dass das Land sich seines Atommülls annimmt. Danach sind zusätzliche Strafzahlungen von 60.000 Euro täglich fällig. Deshalb will Spanien seinen Teil des Atommülls bereits 2011 zurücknehmen. Dafür benötigt das Land dringend das Zwischenlager.

Autor: Luna Bolívar-Manaut
Redaktion: Fabian Schmidt