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Politik

Türkisch-deutscher Streit nimmt zu

3. März 2017

Der Ton zwischen Ankara und Berlin wird immer schärfer. Nach der Absage für den Auftritt des türkischen Justizministers Bozdag in Gaggenau hatte eine Bombendrohung die Debatte zusätzlich angeheizt.

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Symbolbild Spionage BND Türkei Deutschland
Bild: picture-alliance/dpa

Nach der Bombenwarnung durchsuchte die Polizei das Rathaus von Gaggenau, konnte aber nach wenigen Stunden Entwarnung geben. Ein Anrufer hatte die Drohung mit der Absage des Auftritts des türkischen Justizministers Bekir Bozdag in der Stadt begründet, wie der Leiter des Bürgerservices, Dieter Spannagel, der Nachrichtenagentur AFP sagte. 

Polizistin mit Spürhund
Spürhunde konnten im Rathaus von Gaggenau keinen Sprengstoff findenBild: picture-alliance/dpa/U. Deck

Die Stadt hatte die für Donnerstagabend geplante Veranstaltung, bei der der Minister auftreten sollte, aus Sicherheitsgründen untersagt. Sie begründete dies damit, dass die Kapazitäten der angemieteten Festhalle nicht für den erwarteten Besucherandrang ausreichten. Als Reaktion auf das Auftrittsverbot sagte Bozdag seine gesamte Deutschlandreise ab, bei der auch ein Treffen mit Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) geplant war. Bozdag wollte in Gaggenau um Zustimmung bei dem Referendum über das Präsidialsystem werben, das Staatschef Recep Tayyip Erdogan anstrebt. Bei dem Referendum sind auch rund 1,4 Millionen Türken stimmberechtigt, die in Deutschland leben. Im Fall einer Einführung des Präsidialsystems bekäme Erdogan deutlich mehr Macht.  Weite Teile der türkischen Opposition befürchten bereits eine Eine-Mann-Herrschaft.

Auch ein für Sonntag in Köln geplanter Auftritt des türkischen Wirtschaftsministers Nihat Zeybekci war von den dortigen Behörden gestoppt worden. Der Saal, in dem Zeybekci für das geplante Präsidialsystem in der Türkei werben wollte, stehe nicht zur Verfügung, erklärte die Stadt Köln. Zeybekci will nun am Sonntag eine Veranstaltung eines türkischen Kulturvereins im Forum Leverkusen besuchen, wie der "Kölner Stadt-Anzeiger" schreibt.

Empörung in Ankara

Die Absage der beiden geplanten Wahlkampfauftritte heizte die diplomatischen Spannungen zwischen Ankara und Berlin weiter an. Ankara warf der Bundesregierung vor, die geplante Volksabstimmung über das  Präsidialsystem verhindern zu wollen. Berlin wolle keine Wahlkampfveranstaltungen zu der Verfassungsreform in Deutschland und keine "starke Türkei", sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu. "Sie wollen nicht, dass die Türkei da Wahlkampf macht, sie arbeiten für ein 'Nein'", sagte Cavusoglu mit Blick auf das Referendum. "Sie wollen sich einer starken Türkei in den Weg stellen."

Die Absage von Auftritten türkischer Minister in Deutschland stieß auch bei der größten türkischen Oppositionspartei CHP auf Widerspruch. "Das ist ganz und gar nicht in Ordnung", sagte CHP-Chef und Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu nach einer Meldung der Nachrichtenagentur DHA in Istanbul. An die Adresse Deutschlands fügte er hinzu: "Einerseits belehrt Ihr die Welt über Demokratie, andererseits wollen zwei Minister einer Partei sprechen, aber aus diesem oder jenem Grund verbietet Ihr diese Rede. Das finden wir keineswegs richtig."

Das Außenministerium in Ankara bestellte nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Donnerstagabend den deutschen Botschafter in Ankara, Martin Erdmann, ein. Ihm sei das "Unbehagen" der Türkei über die jüngsten Entwicklungen vermittelt worden, sagte ein ranghoher türkischer Beamter. Das Verhältnis zwischen Berlin und Ankara ist wegen der Inhaftierung des deutsch-türkischen "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel in der Türkei ohnehin belastet.

Deutscher Botschafter in Ankara einbestellt

Wachsender Unmut hierzulande

In Deutschland wird derweil die Kritik an Wahlkampfauftritten türkischer Minister in der Bundesrepublik lauter. "Wenn türkische Politiker unsere freiheitliche Grundordnung ausnutzen, um für einen demokratiefeindlichen Staatsumbau in ihrem Land zu werben, missbrauchen sie das Gastrecht", sagte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer der "Süddeutschen Zeitung".

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen, betonte: "Es ist legitim zu sagen, dass innenpolitische Konflikte anderer Länder nicht in Deutschland ausgetragen werden sollten." In Deutschland solle nicht für die Abschaffung demokratischer Rechtsstaatlichkeit in einem anderen Land geworben werden, erklärte der CDU-Politiker. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Armin Laschet unterstrich: "Wir lassen nicht zu, dass durch Auftritte von Erdogans Regierungsmitgliedern innertürkische Konflikte in Deutschland ausgetragen werden, die auch die türkische Gemeinde spalten."

In diesem Zusammenhang mahnte der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kuschaty ein klares Wort der Bundeskanzlerin an. Es sei "unerträglich, wenn auf deutschem Boden Werbung gemacht werden soll für eine Verfassung, die alles andere als demokratisch und rechtsstaatlich ist".

Auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat mit einem Brandbrief, der dem "Spiegel" vorliegt, seinen türkischen Kollegen Bozdag deutlich kritisiert. Er warnte darin im Zusammenhang mit der Inhaftierung des "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel vor einem "Abbau der Rechtstaatlichkeit". 

kle/fab (afp, dpa)