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Sparpaket stößt auf Protest

8. Juni 2010

Opposition und Gewerkschaften haben das milliardenschwere Sparpaket der schwarz-gelben Regierung als "sozial unausgewogen“ und „absolut inakzeptabel" kritisiert. Sogar aus den Reihen der Union wurde Unmut laut.

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Paket mit Deutschlandfahne eingewickelt (Foto: dpa)
Das Sparpaket sorgt für WirbelBild: picture-alliance/dpa

Kurz nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) ihr 80-Milliarden-Sparpaket vorgestellt hatten, weitet sich die Kritik an den Sparplänen am Dienstag (08.06.2010) aus. Opposition, Gewerkschaften, Sozialverbände, Wirtschaft und sogar Stimmen aus den eigenen Parteireihen kritisierten die Ergebnisse der schwarz-gelben Klausurtagung.

Andrea Nahles (Foto: ap)
Die SPD will sich gegen die Pläne wehrenBild: AP

DGB plant groß angelegt Protestaktion

Vor allem auf den Fernsehbühnen und in Zeitungsinterviews waren Spitzenpolitiker und Funktionäre mit ihren Protesten zu hören. Die Maßnahmen seien "extrem feige, weil die Verursacher dieser Krise geschont und Bedürftige rasiert werden“, sagte die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles im SWR. Die SPD werde "diese massiven Einschnitte in der aktiven Arbeitsmarktpolitik nicht hinnehmen“.

DGB-Chef Michael Sommer sprach von einem Dokument der Perspektivlosigkeit und sozialen Schieflage. Er kündigte eine groß angelegte Protestaktion gegen die Sparpläne an. "Dieses verfehlte Sparpaket bleibt nicht ohne eine angemessene Antwort der Gewerkschaften“, sagte Sommer der "Rhein-Neckar-Zeitung“. "Die Diskussion tragen wir jetzt in die Betriebe und Verwaltungen. Auch gegen die Kürzungen im öffentlichen Dienst werden wir mobilisieren.“ Ziel sei es, die soziale Balance durchzusetzen, mit der es nun vorbei sei.

Eurozeichen als Spardose, Hand steckt 20-Euro-Schein hinein (Foto: Bilderbox)
Wo soll gespart werden?Bild: Bilderbox

"Gleich geht anders"

Verdi-Chef Frank Bsirske betonte im ARD-Morgenmagazin, dass es andere Einsparungsmöglichkeiten gebe. Dabei nannte er Besteuerungsmöglichkeiten auf Börsengeschäfte und Erbschaften. Das aktuelle Steuersystem "können wir uns nicht leisten." Unter dem Motto "gleich geht anders" sollen in den nächsten Wochen die Arbeitnehmer in den Betrieben befragt und Reaktionen gesammelt werden.

Auch der Arbeitnehmerflügel der Union stellte die Ausgewogenheit der Maßnahmen infrage. "Wenn man die höheren Einkommen einbezogen hätte, dann wäre das Gesamtpaket sozial noch runder geworden. Damit wäre die soziale Balance deutlicher geworden", sagte der nordrhein-westfälische Sozialminister und Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Karl-Josef Laumann, der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Weiß, bezeichnete das Sparpaket als "sozial unausgewogen". Auch er befürwortet gegenüber dem "Kölner Stadtanzeiger", "die Gutverdienenden in die Pflicht zu nehmen".

Neue Belastungen für Kommunen

Der Bund der Steuerzahler hat das Sparpaket der Bundesregierung als Etikettenschwindel bezeichnet. Die Sparbemühungen gingen nicht weit genug, sagte der Präsident des Bundes, Karl Heinz Däke, dem "Münchner Merkur". So gebe es "eine ganze Reihe von Luftschlössern", etwa die Finanzmarkttransaktionssteuer, die erst eingeführt werden müsse, und das nicht von Deutschland alleine.

Der Deutsche Städtetag rechnet als Folge des Sparpakets der Regierung mit zusätzlichen Belastungen für die Haushalte der Kommunen. "Haushaltskonsolidierung muss sein. Aber ein Widerspruch entsteht da, wo sich der Bund entlastet und die Kommunen dafür aufkommen müssen", sagte Hauptgeschäftsführer Stephan Articus der "Neuen Osnabrücker Zeitung". So würden Hartz-IV-Empfänger, die keine vom Bund finanzierten Beiträge zur Rentenversicherung mehr erhalten, später durch die Grundsicherung für Ältere unterstützt. Diese müssen die Kommunen aus ihren Etats bezahlen.

Koalition verteidigt Pläne

Vizekanzler Guido Westerwelle verteidigte den Plan der Koalition, Hartz-IV-Empfängern das Elterngeld ersatzlos zu streichen. "Das Elterngeld soll ja dafür sorgen, dass Menschen, die arbeiten, Geld bekommen, damit sie in den ersten Monaten zu Hause bei ihren kleinen Kindern sein können. Das ist bei jemandem, der keine Arbeit hat und Hartz IV bezieht, eine ganz andere Ausgangslage“, sagte Westerwelle dem RTL-Nachtjournal.

Ursula von der Leyen (Foto: ap)
Die Arbeitsministerin verteidigt die Einsparungen bei den ArbeitslosenBild: AP

Auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nahm das Sparpaket in Schutz. „Wir haben ganz, ganz hart verhandelt, aber ich musste Prioritäten setzen“, sagte sie am Dienstag im ARD-Morgenmagazin. "Mein Ministerium ist nicht nur für Arbeitslose zuständig, sondern auch für die Renter, Witwen und Waisen, da musste ich den Schwerpunkt setzen." Ihr sei wichtig gewesen, diejenigen zu schützen, die nichts mehr an ihrer Zukunft ändern könnten. So werde die Rente nicht angerührt, betonte von der Leyen. "Aber bei denen, die ihr Leben noch in die Hand nehmen können, da wollen wir Anreize geben für Arbeit."

Wachstumsdämpfer erwartet

Das Sparpaket der Bundesregierung wird nach Ansicht von Ökonomen das Wachstum dämpfen. Der Effekt sei 2011 noch sehr gering, in den folgenden Jahren werde das Bruttoinlandprodukt (BIP) dann durch das Sparprogramm um 0,5 bis ein Prozent weniger wachsen als ohne die Konsolidierungsschritte, sagte der Chefvolkswirt der Deka-Bank, Ulrich Kater, der "Berliner Zeitung“. Die Konjunktur sei aber stark genug, um dies zu verkraften. So profitiere Deutschland von der Erholung der Weltwirtschaft.

Der Direktor des gewerkschaftsnahen Forschungsinstituts IMK, Gustav Horn, sprach von leicht negativen Impulsen auf die Konjunktur. Die Regierung tue nichts, um die Binnennachfrage zu stärken, kritisierte Horn.

Symbolbild: Hand mit Euroscheinen und Babyflasche (Foto: dpa)
Das Kindergeld soll in Hartz-Iv-Familien gestrichen werdenBild: picture-alliance/ dpa

80 Milliarden bis 2014

Die schwarz-gelbe Regierung hatte am Montag in Berlin das größte Sparpaket der bundesdeutschen Geschichte beschlossen. Über 80 Milliarden Euro sollen in den nächsten vier Jahren gespart werden. Die größten Einschnitte kommen auf Arbeitslose und den öffentlichen Dienst zu. Auch die Wirtschaft muss Milliarden zahlen. Union und FDP schlossen eine höhere Mehrwert- und Einkommensteuer aus. Bei einigen Sparvorschlägen müssen Bundestag und Bundesrat noch zustimmen.

Autorin: Marion Linnenbrink (apn, dpa)
Redaktion: Reinhard Kleber