1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

SPD benotet Regierung mit "mangelhaft minus"

4. Februar 2010

Exakt 100 Tage nach Amtsantritt ist die Regierung aus CDU/CSU und FDP vernichtender Kritik ausgesetzt. Nicht nur die Opposition stellt der "schwarz-gelben" Koalition ein schlechtes Zeugnis aus.

https://p.dw.com/p/LreS
Horst Seehofer, Guido Westerwelle und Angela Merkel (Foto: AP)
Seehofer, Westerwelle und Merkel: Ein "Traumtrio"?Bild: AP

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier bescheinigte der schwarz-gelben Koalition nach 100 Tagen einen katastrophalen Start. "Das war kein Fehlstart einer Bundesregierung, das war Versagen auf der ganzen Linie", sagte Steinmeier am Donnerstag (04.02.2010) in Berlin. "Was die Schulnote angeht, müssen wir zu einem eindeutigen 'mangelhaft' kommen, 'mangelhaft minus'."

Union und FDP hätten keinen Kurs, keinen Kompass, und im Koalitionsvertrag fehlten Entscheidungen. "Deshalb wird diese Koalition politisch scheitern." Steinmeier warf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Zaudern vor.

SPD: Weniger statt mehr Netto vom Brutto

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier (Foto: AP)
Heftige Schelte für die Koalition gab es von Frank-Walter Steinmeier (Archivbild)Bild: AP

Der SPD-Fraktionschef rechnet mit großen Einschnitten wegen der geplanten Steuersenkungen und der Gesundheitsreform. "Es wird weniger Netto vom Brutto sein", sagte er unter Bezug auf den gegenteilig lautenden Slogan der Regierung.

Wegen der bereits beschlossenen Steuerentlastungen auch für das Hotelgewerbe hielt Steinmeier der Koalition Klientelpolitik vor. Angesichts des Rückziehers von Nordrhein-Westfalen, das sich für eine Aussetzung des Mehrwertsteuer-Bonus stark gemacht hatte, sagte Steinmeier: "Diese Koalition ist schon auf der Flucht vor sich selbst." Ähnlich kritisch äußerten sich die Grünen über die ersten 100 Tage der Regierung: "Diese Koalition hat keinen Plan, keine Werte, keine Orientierung." Und die Linkspartei bescheinigt Schwarz-Gelb "eine denkbar schlechte Vorstellung". Auch von Gewerkschaften und Sozialverbänden bekommt die Koalition schlechte Noten, selbst aus der Wirtschaft mehren sich kritische Stimmen.

"Unsere Tugenden werden sich noch zeigen"

Doch auch Politiker der Regierungskoalition zeigen sich selbstkritisch."Einen Hundert-Meter-Lauf könnten wir in in der Tat nicht mehr gewinnen", räumte Volker Kauder, der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag ein. Aber die Koalition bestreite nunmehr einen Marathon-Lauf. "Unsere Tugenden und Fähigkeiten werden wir auf dem langen Rest der Strecke noch zeigen", gab sich Kauder optimistisch.

Die "Wunschkoalition" von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und FDP-Chef Guido Westerwelle hatte jedenfalls einen Start mit mehr Tiefen als Höhen: Vor allem die wochenlangen Debatten über Steuersenkungen und der Streit über den Kurs in der Gesundheitspolitik kamen bei der Bevölkerung alles andere als gut an.

Ungeachtet aller Reibereien...

...zogen Merkel und Westerwelle bereits am 99. Tag eine positive Bilanz: "Die christlich-liberale Koalition hat in der Regierungszeit einige wichtige Dinge auf den Weg gebracht", erklärte Merkel. Sie nannte unter anderem steuerliche Entlastungen für Familien und Unternehmen, die schnelle Beratung des Haushaltes 2010 und die Verlängerung der Kurzarbeiterregelung. Jetzt gehe es vor allem darum, "das zarte Pflänzchen Wachstum, was wir jetzt haben, zu beleben". Das Ziel sei, Arbeitsplätze zu sichern und möglichst neue zu schaffen.

Vizekanzler und Außenminister Westerwelle, der immerhin "Anlaufschwierigkeiten" zugab, ergänzte: "Die Leistung einer Regierung wird an ihren Ergebnissen gemessen und nicht an tagespolitischen Stimmungsschwankungen." Gelassen gab sich auch Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU): Schließlich sei "noch keine Bundesregierung nach 100 Tagen mit Lobeshymnen überschüttet worden."

Weichenstellung bei NRW-Wahl

Landtagsgebäude in Düsseldorf (Foto: dpa)
Wer wird künftig im Landtag in Düsseldorf regieren?Bild: picture-alliance/ dpa

Ohnehin dürften für die Bundesregierung die nächsten 100 Tage wichtiger werden als die vergangenen 100. Anfang Mai wird im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen gewählt. Es ist die einzige Landtagswahl in diesem Jahr - und damit ein entscheidender Test für Schwarz-Gelb. Sollten die in Düsseldorf regierenden Koalitionspartner CDU und FDP die Wahl verlieren oder zumindest die Liberalen schwächeln, dürfte es Westerwelle im Bund künftig schwer haben, mit seinen Forderungen durchzudringen.

Westerwelles FDP steht massiv unter Druck, zumal ihr unablässiges Trommeln für Steuersenkungen von den Bürgern offenbar nicht honoriert wird. In Umfragen sind die Liberalen zuletzt deutlich abgesackt - an ihre fulminanten 14,6 Prozent bei der Bundestagswahl kommen sie derzeit jedenfalls nicht mehr annähernd heran.

Autor: Martin Muno/Christian Walz (dpa, afp, apn)
Redaktion: Julia Elvers-Guyot