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Geht es nach links?

21. Oktober 2009

Seit dem 27.9.2009 gibt es für die SPD einen Schwarzen Sonntag: Noch nie ist die älteste Partei Deutschlands bei einer Bundestagswahl so abgestürzt. Im neuen Bundestag sitzt deshalb eine neue, kleine SPD-Fraktion.

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SPD-Spitzenkandidat 2009 Frank-Walter Steinmeier (Foto: AP)
In der Stunde des Wahldebakels: SPD-Spitzenkandidat Frank-Walter SteinmeierBild: AP

"Ein Schock war da, aber es gab keine Weltuntergangsstimmung", sagt Sonja Amalie Steffen. Die Familienanwältin aus Mecklenburg-Vorpommern wurde neu in den deutschen Bundestag gewählt. Und sie wäre wohl zu Tode betrübt über die um 74 Abgeordnete kleiner gewordene SPD-Fraktion, wenn sie nicht überglücklich wäre über ihr eigenes neues Mandat.

Langjährige Fraktionsmitglieder wie SPD-Sozialexperte Rudolf Dressler haben da eine andere Gemütslage. "Fünf Millionen Wähler hat die SPD verloren", sagt Dressler beinahe ratlos. "Ich glaube, die Dramatik dessen, was das Wahlergebnis der SPD beschert hat, kann nicht mit den gleichen Personen und einem Weiter so behoben werden."

Der Volkspartei SPD, der ihr Wählervolk scharenweise zu den Nichtwählern abgewandert ist, wird Oppositionspartei. Mit 146 Abgeordneten führt sie zahlenmäßig die Opposition an. Neben ihr sitzen die Grünen und die Linkspartei.

Neues Selbstverständnis

Der Vizekanzler der ehemaligen großen Koalition Frank-Walter Steinmeier schwor seine Anhänger wenige Minuten nach der Wahlschlappe bereits auf das veränderte Rollenverständnis ein. "Ganz ohne Zweifel wird die SPD-Fraktion im deutschen Bundestag das Kraftzentrum sein müssen."

Unter dem Beifall der Genossinnen und Genossen nominierte sich Steinmeier dann kurzerhand selbst als zukünftiger Oppositionsführer. "Dafür will ich arbeiten", sagte er lapidar zu einem Vorgang, den andere SPD-Mitglieder als "quasi fast putschistisch" geißelten. Ausgesprochen wurde das von SPD-Mitglied Hermann Scheer, der auch an der Hau-Ruck-Methode zur Fraktions- und Parteierneuerung kein gutes Haar ließ: "Ein solcher Akt der Selbstnominierung eines kleinen Personenkreises ist offen gesagt unerträglich."

Streitlustige Parteiflügel

Bildcombo Sigmar Gabriel und Andrea Nahles (Foto: AP)
Sie sollen den Neuanfang symbolisieren: Sigmar Gabriel und Andrea NahlesBild: dpa

Mit neuen Gesichtern will die SPD starten. Das neue Führungsduo neben dem Fraktionsvorsitzenden Steinmeier sollen Sigmar Gabriel als Parteivorsitzender und Andrea Nahles als Generalsekretärin bilden. Auch wenn über ihre endgültige Nominierung erst auf einem Parteitag im November entschieden wird; eines zeichnet sich bereits deutlich ab: Die Akzente beim neuen Führungsteam liegen politisch weiter links.

Während die SPD unter der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder (1998 bis 2005) und auch unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (2005 bis 2009) harte Einschnitte ins soziale Sicherungsnetz mitgetragen hat, gilt jetzt die Devise: Die neue SPD-Fraktion soll die dadurch entstandenen soziale Härten korrigieren.

So manches Parteimitglied hofft, dass jetzt der Weg frei wird für eine enge Zusammenarbeit mit der Partei "Die Linke". Bündnisse scheiterten bisher oft an persönlichen Abneigungen der Führungsspitzen und an der Dominanz des traditionellen und pragmatischen Parteiflügels der SPD.

SPD-Fraktionsneuling Steffen sieht die Strategie-Debatte gelassen. Es sei gut möglich, dass die Partei jetzt tatsächlich von der Mitte abrücke. Allerdings sei in der SPD die Streitkultur immer lebendig gewesen. "Entsprechend werden auch zukünftig jene, die eher dem traditionell-bürgerlichen Lager angehören, zu Wort kommen."

Zum Zurückschauen bleibe ihr und der SPD keine Zeit, sagt Steffen. Die Fraktionsarbeit rufe. "Ich war überrascht, wie schnell man zu Sachfragen zurückkehrt und sich an die Arbeit macht", sagt sie nach ihren ersten Sitzungen.

Autor: Richard A. Fuchs

Redaktion: Kay-Alexander Scholz