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SPD lehnt Zulassung von Glyphosat ab

Gero Rueter 13. Mai 2016

In der Bundesregierung gibt es derzeit keine Mehrheit für die weitere Zulassung von Glyphosat in der EU. Minister und Fraktion der SPD haben "gesundheitliche Bedenken". Die EU-Zulassung für Glyphosat ist nun ungewiss.

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Brasilien Traktor bringt Herbizid auf Feld aus
Bild: Getty Images/Wildlife/C. Heumader

Der Schwenk in der Bundesregierung kam für viele überraschend. Am Dienstag in der letzten Woche beschloss die SPD-Bundestagsfraktion, dass Deutschland einer weiteren Zulassung von Glyphosat in der EU nicht zustimmen soll. "Solange wir nicht zweifelsfrei wissen, dass Glyphosat unbedenklich ist, sollten wir diese Chemikalien nicht weiter zulassen", so der Beschluss.

Die SPD-Fraktion beruft sich bei Ihrer Entscheidung auf das Vorsorgeprinzip, dass in der Umwelt- und Gesundheitspolitik in Europa als Grundlage von Entscheidungen dienen soll. Die Agentur für Krebsforschung der WHO hatte das umstrittene Pflanzengift als wahrscheinlich krebserregend für Menschen eingeschätzt.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sieht zwar auch begrenzte Hinweise auf die krebsauslösende Wirkung bei Menschen, kommt aber in der Gesamtbewertung zu dem Schluss, "dass bei sach- und bestimmungsgemäßer Anwendung in der Landwirtschaft nach derzeitiger wissenschaftlicher Kenntnis keine gesundheitliche Gefährdung durch Glyphosat zu erwarten ist".

Eine Bewertung der Chemikalie von der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) steht noch aus und wird noch mindestens ein Jahr dauern. "Solange dieses Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, ist nach Maßstäben des europäischen Rechts offen, ob Glyphosat krebserzeugend ist", heißt es in der Begründung für die Ablehnung in der SPD-Fraktion. Die Stellungnahme der Fraktion liegt der DW vor.

Veto der SPD-Minister gegen Wiederzulassung von Glyphosat

Dem Beschluss der Fraktion folgten am Donnerstag alle SPD-Minister in der Bundesregierung. "Dass Glyphosat negative Auswirkungen auf die Umwelt hat, ist nachgewiesen," sagte Umweltministerin Barbara Hendricks dann am Donnerstag . "Vor dem Hintergrund nach wie vor bestehender Unsicherheiten über die gesundheitlichen Risiken von Glyphosat werden die SPD-geführten Ressorts einer Verlängerung für die Zulassung von Glyphosat nicht zustimmen", so Hendricks.

Glyphosat Europaparlament Urinprobe
Glyphosat in Urinproben gefundenBild: DW/D.Keating

Die Medien und auch der Koalitionspartner erfuhren erst am Donnerstag von dem SPD-Beschluss. Agrarminister Christian Schmidt (CSU) zeigte sich sehr verärgert. "Ich habe überhaupt kein Verständnis für die Rolle rückwärts bei der Zulassungsverlängerung von Glyphosat."

Überrascht von der klaren SPD-Ablehnung wurden auch die Umweltverbände. Sie zeigten sich jedoch sehr erfreut. "Dass die deutschen Sozialdemokraten nein zur Wiederzulassung des umweltschädlichen und nach WHO-Einschätzung für Menschen wahrscheinlich krebserregenden Pestizids sagen, ist ein starkes Signal für den Umwelt- und Verbraucherschutz in Europa", sagt der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. "Es gibt keinen Grund, weiterhin unnötige Risiken einzugehen. Glyphosat gehört verboten. Wir appellieren an alle EU-Staaten, eine Wiederzulassung dieses Pestizids abzulehnen", so Weiger.

Polen Vytenis Andriukaitis EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
Vytenis Andriukaitis, EU-Kommissar für Gesundheit und LebensmittelsicherheitBild: picture-alliance/dpa/NurPhoto/M. Luczniewski

EU-Parlament äußert Bedenken und fordert Einschränkungen

Vor dem Hintergrund ernsthafter Bedenken hatte sich im letzten Monat das EU-Parlament für eine Einschränkungen bei der Zulassung von Glyphosat ausgesprochen.

Statt einer Zulassung des Pflanzengifts um weitere 15 Jahre, so wie es die EU-Kommission ursprünglich vorschlug, sprachen sich die Abgeordneten für eine Zulassung von sieben Jahren aus und dies auch nur mit erheblichen Einschränkungen.

Das Parlament fordert, dass die private Anwendung und der Einsatz in Parks, auf Spielplätzen und in öffentlichen Gärten sowie in der Nähe solcher Orte verboten wird. Auch lehnen die Abgeordneten die Verwendung von Glyphosat zur sogenannten Austrocknung kurz vor der Ernte ab. Dieses Verfahren, das zu einer Erhöhung von Glyphosatrückständen in Nahrungsmitteln und auch bei Menschen führt, bezeichnen die Abgeordneten als "inakzeptabel".

Darüber hinaus beschloss das Parlament, dass Glyphosat in Zukunft nur noch dann angewendet wird, wenn es keine anderen Möglichkeiten der Unkrautbekämpfung gibt. Zudem fordern die Abgeordneten die Offenlegung der wissenschaftlichen Belege, auf deren Grundlage Glyphosat positiv eingestuft und genehmigt wurde.

Außerdem soll die Kommission eine unabhängige Überprüfung einleiten. Hier soll genau geprüft werden, wie giftig, krebsfördernd oder hormonschädigend Glyphosat ist.

Entscheidet EU-Kommission ohne Rückendeckung?

Im neuen Entwurf der EU-Kommission sind die Forderungen des EU-Parlaments für die Begrenzung von Glyphosat nicht enthalten. Die EU-Kommission schlägt jetzt die Zulassung von Glyphosat um weitere neun Jahre ohne verbindliche Beschränkungen vor.

Glyphosat Pflanzenschutzmittel chemische Verbindung
Gibt immer wieder Anlass zu Protesten: GlyphosatBild: Getty Images/AFP / G. Gobet

"Es ist ein Skandal, dass die EU-Kommission einen Vorschlag durchdrücken will, der den Einsatz von Glyphosat ohne Begrenzung zulässt und alle Warnungen vor den Folgen ignoriert", empört sich Martin Häusling, Landwirtschaftsexperte der Grünenfraktion im EU-Parlament.

Am nächsten Donnerstag (19.5.) sollen die 27 EU-Mitglieder über die weitere Zulassung von Glyphosat entscheiden. Frankreich signalisiert bereits seine Ablehnung, bei Probeabstimmungen im März votierten auch Italien und die Niederlande dagegen.

Mit der Enthaltung von Deutschland wäre die nötige Mehrheit für den EU-Vorschlag unwahrscheinlich. Ob dann trotz Bedenken von Politik und Wissenschaft der zuständige EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis sein Entscheidungsrecht nutzt und die Zulassung genehmigen wird, ist offen.