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SPD rückt in der Opposition nach links

15. November 2009

Sieben Wochen nach ihrem Debakel bei der Bundestagswahl hat die SPD erste Kurskorrekturen beschlossen. Und: In der Opposition wollen die Sozialdemokraten breiten Widerstand gegen "Schwarz-Gelb" organisieren.

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Sigmar Gabriel (Foto: AP)
Der neue Hoffnungsträger: Sigmar GabrielBild: AP

Im Leitantrag der SPD-Spitze, der von den rund 500 Delegierten des Bundesparteitags in Dresden mit nur einer Nein-Stimme und vier Enthaltungen gebilligt wurde, listen die deutschen Sozialdemokraten eine Fülle von Ursachen für ihre schwerste Wahlniederlage in der Nachkriegszeit auf. So habe die SPD in ihren Kernkompetenzen Arbeit und Soziales "deutlich an Vertrauen und Glaubwürdigkeit verloren". Schädlich ausgewirkt habe sich zudem die Anhebung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent und die gesetzlich festgeschriebene schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre. Außerdem sei es nicht gelungen, die Mehrheit der Bevölkerung am wirtschaftlichen Aufschwung ab 2005 angemessen teilhaben zu lassen.

Zehn statt zwanzig Millionen

Besorgt stellt die SPD im Leitantrag dann auch fest, dass sich die Zahl ihrer Wähler seit 1998 auf etwa zehn Millionen halbiert hat. Abwanderungen habe es teils zur Linkspartei und den Grünen, teils zur Union und FDP gegeben. Ein dritter Teil habe sich der Wahl entzogen. "Für die SPD ist jedoch zentral, dass bei allen Wahlen der letzten Jahre die stärksten Einbußen bei Arbeitnehmern sowie bei Arbeitslosen zu verzeichnen waren", heißt es im Leitantrag. Zur taktischen Ausrichtung bei der letzten Bundestagswahl steht darin: "Die Wählerinnen und Wähler waren unsicher, welche Regierungskoalition sie mit der Stimmabgabe für die SPD letztlich bewirken würden." Bei der Bundestagswahl Ende September hatte die SPD nur noch 23 Prozent erhalten.

Blick in den Saal beim SPD-Parteitag (Foto: AP)
Das kurze Fazit im verabschiedeten Leitantrag: "Unsere Politik hat auch Schwächen gehabt."Bild: AP

SPD will Vermögensteuer

Gegen den ursprünglichen Willen der SPD-Führung wurde die Forderung nach Wiedereinführung einer Vermögensteuer im Leitantrag verankert. Bei diesem Thema hatte die Parteispitze zunächst vor einer Festlegung gewarnt und empfohlen, im nächsten Jahr ein Gesamt-Steuerkonzept vorzulegen. Um eine absehbare Abstimmungsniederlage auf dem Dresdner Parteitag zu vermeiden, schwenkte sie dann aber kurzfristig um und schloss sich einem Vorstoß der Jusos - der SPD-Jugendorganisation - an. Nun heißt es im verabschiedeten Antrag: "Unser Steuerkonzept wird Vermögende stärker in die Verantwortung für das Gemeinwohl nehmen, unter anderem durch die Einführung der Vermögensteuer, und Normalverdiener sowie Familien steuerlich besserstellen."

Die Vermögensteuer wird seit 1997 in Deutschland nicht mehr erhoben, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Berechnungsmethode zur Ermittlung der Steuer als verfassungswidrig verworfen hatte. Grund war eine ungerechtfertigte Besserbehandlung von Immobilien gegenüber anderem Vermögen. Statt Immobilien, wie vom Verfassungsgericht 1995 verlangt, höher zu bewerten und damit stärker zu besteuern, entschied sich die damalige Bundesregierung, die Vermögensteuer gar nicht mehr zu erheben.

"Furcht vor sozialem Abstieg"

Kritisch im Leitantrag bewertet werden die unter der rot-grünen Regierung (1998 - 2005) von Ex-Kanzler Gerhard Schröder durchgedrückten "Hartz-IV"-Arbeitsmarktreformen: Laut Analyse der SPD-Spitze haben diese Reformen "in weiten Teilen der Arbeitnehmerschaft Furcht vor sozialem Abstieg durch Arbeitslosigkeit ausgelöst".

Symbolbild Rente mit 67 (Foto: picture alliance)
SPD beschließt: Keine Abkehr von der Rente mit 67Bild: picture-alliance/chromorange

Zur "Rente mit 67" heißt es, diese werde von vielen Beschäftigten als direkter Eingriff in die eigene Lebensplanung wahrgenommen und habe die Sorge vor Altersarmut verstärkt. Eine Korrektur wird in dem Leitantrag aber ausdrücklich nicht gefordert - ungeachtet heftiger Kritik der Parteibasis. Als Ausweg bekräftigt das Papier die bekannte SPD-Position, die Altersteilzeit samt Teilrente sowie flexiblere Übergänge in den Ruhestand zu fördern. Auch sollen die Erwerbschancen Älterer verbessert werden.

In der Energiepolitik setzen die Sozialdemokraten auf "massive Anstrengungen bei der Energieeinsparung und einen Energiemix, der die Potenziale der Erneuerbaren Energien so weit wie möglich ausschöpft". In einer einstimmig angenommenen Entschließung kündigte die SPD eine Kampagne gegen die von der neuen Bundesregierung geplante Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken an. Gemeinsam mit Umweltverbänden wolle man sich diesem Vorhaben entgegenstellen. Auch anderen Vorhaben von CDU/CSU und FDP - vor allem Steuersenkungen für Unternehmen und Vermögende - erteilte die SPD eine klare Absage.

Kampfansage an Regierung

Frank-Walter Steinmeier (Foto: AP)
Harter Oppositionskurs: Frank-Walter SteinmeierBild: AP

Der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat und jetzige Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf CDU, CSU und FDP eine Klientelpolitik vor. "Schwarz-Gelb" vertiefe die soziale Spaltung, so der Oppositionsführer. Die Koalition verteile Geschenke für Gutverdienende, die auf Pump finanziert würden. "Die Mehrheit in Deutschland wird in die Röhre gucken." Steinmeier sagte den Sozialdemokraten voraus: "Vor uns liegt eine spannende Zeit. Vor uns liegt eine harte Zeit." Die SPD werde sich neu aufstellen. Die erste Bewährungsprobe sei bereits im Mai kommenden Jahres bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen.

Blick zurück nach Godesberg

An diesem Sonntag (15.11.2009) kommt der SPD-Parteitag zu seinen abschließenden Beratungen zusammen. Höhepunkt verspricht eine Rede des mittlerweile 82-jährigen SPD-Vordenkers Erhard Eppler zu werden, der aus Anlass des 50. Jahrestags der Verabschiedung des sogenannten "Godesberger Programms" sprechen soll. In Bad Godesberg hatte am 15. November 1959 eine große Mehrheit der Delegierten für das neue Grundsatzprogramm gestimmt, das den Wandel der SPD von einer sozialistischen Arbeiterpartei zur einer Volkspartei markierte.

Zum Abschluss des dreitägigen Parteitags steht schließlich noch eine Rede des neuen Parteichefs Sigmar Gabriel auf der Tagesordnung. Er war am Freitag mit gut 94 Prozent der Stimmen zum Nachfolger von Franz Müntefering gewählt worden, der in Dresden mit großem Beifall verabschiedet wurde.

Autor: Christian Walz (dpa/ap/afp/rtr)
Redaktion: Michael Wehling