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SPD will 2013 wieder mit den Grünen regieren

26. September 2010

Auf einem Sonderparteitag in Berlin will die SPD ihren künftigen Kurs festzurren. Parteichef Gabriel strebt eine rot-grüne Mehrheit im Bund an. Zugleich spielt er die Bedeutung seines Wunschkoalitionspartners herunter.

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Sigmar Gabriel (Foto: AP)
Bald wieder im Boot mit den Grünen? Parteichef Sigmar GabrielBild: AP

SPD-Chef Sigmar Gabriel sieht als strategisches Ziel seiner Partei die Bildung einer rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2013. Nach ihrer Niederlage bei der Bundestagswahl vor einem Jahr hätten viele die SPD abgeschrieben, aber "wenn heute Bundestagswahl wäre, dann hätten SPD und Grüne eine eigene Mehrheit", sagte Gabriel am Sonntag (26.09.2010) auf dem außerordentlichen SPD-Bundesparteitag in Berlin.

Zusätzliche Chancen für die SPD biete die Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), betonte Gabriel. Mit ihrem Eintreten beispielsweise für längere Laufzeiten von Atomkraftwerken habe die Kanzlerin und CDU-Chefin "die politischen Lager wieder sauber getrennt". Damit mache Merkel für die SPD "Platz in der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft". Die CDU sei "nicht ostdeutsch, weiblich und liberal, sie ist westdeutsch, männlich und rechts."

Angesichts von Umfragen, die derzeit vor allem den Grünen Zugewinne verheißen, riet Gabriel seiner Partei zur Gelassenheit. Deutschland könne "nicht nur nach den Wünschen einer gebildeten Oberschicht gestaltet werden", es gehe auch um gewerblichen und industriellen Erfolg. Dafür stehe die SPD. Entscheidend sei aber eine politische Mehrheit für Rot-Grün.

"Emotionaler Schutt"

Im Vorfeld hieß es bei den Sozialdemokraten, es werde ein "Arbeitsparteitag": Keine festliche Stimmung und keine Fanfaren - stattdessen inhaltliche Diskussionen über die Integration, über die Wirtschafts- und Steuerpolitik und die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre.

Der Parteitag findet ein Jahr nach der Bundestagswahl statt, bei der die SPD mit 23 Prozent der Wählerstimmen auf einen historischen Tiefpunkt gestürzt war. Generalsekretärin Andrea Nahles nannte die eintägige Veranstaltung einen "ersten Stimmungstest". In den vergangenen Monaten habe man "viel emotionalen Schutt weggeräumt", so Nahles. Ihre Partei habe sich mittlerweile einem erstaunlichen Erneuerungsprozess unterzogen: "Wir haben ein neues Selbstbewusstsein, es gibt keine Depressionen in der Partei. Wir haben im Grunde genommen jetzt wieder Schwung aufgenommen. Und wenn wir da so viel aufholen wie in den letzten zehn Monaten, dann bin ich sehr zuversichtlich für die SPD."

Andrea Nahles (Foto: AP)
Die Optimistin: Andrea NahlesBild: AP

Doch was die Wählerstimmen angeht, hat die SPD nicht allzu viel aufgeholt im zurückliegenden Jahr: Nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa liegt sie bei 24 Prozent - gleichauf mit den Grünen. Das "Politbarometer" des Zweiten Deutschen Fernsehens sieht sie immerhin bei 30 Prozent. Doch auch dies ist kein Grund für Jubelstimmung, räumt Andrea Nahles ein. Die SPD sei "von Selbstzufriedenheit weit entfernt. Wir sind auf einem guten Weg, aber wir sind noch nicht am Ziel".

Noch ist es SPD-Chef Sigmar Gabriel nicht gelungen, der Partei einen klaren Kurs zu geben und die Sozialdemokraten wieder als Alternative zur schwarz-gelben Regierung zu positionieren, die seit ihrem Amtsantritt ebenfalls im Stimmungstief ist, wie Umfragen zeigen. Noch immer schlingert die Partei zwischen ihren beiden Lagern, zwischen denen, die für die Rückbesinnung auf die sozialdemokratischen Werte stehen und denen, die an der Politik der Ära von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder festhalten wollen, während derer unter anderem Einschnitte im sozialen Bereich vorgenommen wurden.

"Nicht zurück!"

Peer Steinbrück (Foto: dpa)
Der Mahner: Peer SteinbrückBild: picture alliance / dpa

Zu denen, die Schröders Kurs fortführen wollen, gehört auch der ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück. Er soll auf dem Parteitag eine Rede zur Finanz- und Steuerpolitik halten und damit die Aussprache eröffnen. Er wolle nicht mit dem pädagogischen Zeigefinger auftreten, sagte er in einer Talkshow im deutschen Fernsehen, aber: "Es wird den ein oder anderen Satz geben, wo ich der SPD raten werde: Begebt euch auf die Höhe der Zeit, wir haben es mit einem rasanten Wandel zu tun, ökonomisch, demografisch. Wir haben erhebliche konvergierende Fliehkräfte in dieser Gesellschaft - und die SPD kann nicht zurück in die 1990er Jahre!"

Steinbrück steht für die "Agenda 2010", das soziale Reformprogramm der Schröder-Regierung. Viele SPD-Mitglieder verlangen die Abkehr von genau diesem Programm, das sie mit sozialem Abbau und einer Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich gleichsetzen. Vor allem die Jusos (Jugendorganisation der SPD) wollen die Partei wieder nach links rücken.

Auf Abstand

Unterstützung finden sie bei Parteichef Gabriel, der damit begonnen hat, sich vorsichtig von seinen Vorgängern zu distanzieren: "Linke Politik muss heute mehr denn je soziale Gerechtigkeit und faire Teilhabe ins Zentrum ihres Handelns rücken. Sie muss denen eine Sprache geben, die sich sprachlos fühlen."

Das soll auch der außerordentliche Parteitag in Berlin deutlich machen. Er soll nicht Neuaufbruch markieren, sondern drängende politische Themen debattieren, die Parteiflügel integrieren und die Positionsbestimmung ein Jahr nach der Bundestagswahl fortsetzen.

Autorin: Bettina Marx (afp, dpa)
Redaktion: Thomas Grimmer