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Gesteuerte Sensation

29. Juni 2009

Ausgefeilte Regiepläne zu erstellen, gelingt dem Vatikan immer wieder: Pünktlich zum Abschluss des Paulus-Gedenkjahres gab Papst Benedikt XVI. am Sonntagabend in Rom feierlich die archäologische Sensation bekannt.

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Papst Benedikt XVI. steht in der Sankt-Pauls-Basilika in Rom (Foto: dpa)
Papst Benedikt XVI. in der Sankt-Pauls-Basilika in RomBild: picture-alliance / dpa

Bei Untersuchungen hat die katholische Kirche Knochenreste im Grab des Apostels Paulus entdeckt. "In dem steinernen Sarkophag, der niemals zuvor geöffnet wurde, sind mit Hilfe einer durch ein winziges Loch eingeführten Sonde Stoff- und menschliche Knochenreste entdeckt worden", sagte der Papst. Was die in dem Sarkophag entdeckten Funde betrifft, "so wussten wir das seit eineinhalb Jahren, aber es oblag allein dem Papst, das zu verkünden," verriet der für die römische Basilika Sankt Paul vor den Mauern zuständige Kardinal Andrea Cordero Lanza di Montezemolo einer italienischen Tageszeitung. Also eine gesteuerte Sensation, falls es wirklich eine sein sollte.

Datierung mit C-14-Untersuchung

Bei den entdeckten Materialien soll es sich um purpurnes, mit Gold verziertes Leinen und blauen Stoff handeln sowie um einige Körner Weihrauch. Die Knochenreste habe man mit Hilfe einer speziellen C-14-Untersuchung auf das erste oder zweite Jahrhundert nach Christi Geburt datieren können, hieß es. Mit der Radiokohlenstoffdatierung, auch Radiokarbonmethode genannt, lässt sich das Alter von organischem Material wie Knochen bestimmen. Basis der Methode ist der radioaktive Zerfall des Kohlenstoff-Isotops C-14. Auf diese Weise lassen sich Überbleibsel wie Knochen bis zu einem Alter von etwa 50 000 Jahren datieren.

Der echte Paulus?

Die Grabstätte des Apostels Paulus in der Basilika Sankt Paul vor den Mauern in Rom (Foto: dpa)
Das PaulusgrabBild: picture-alliance / dpa

Für Benedikt XVI. scheint nach dieser Untersuchung "zweifelsfrei festzustehen, dass es sich hierbei tatsächlich um die Reste des Apostels Paulus handelt". Er gestand: "Die Entdeckung berührt uns zutiefst." Die Tradition vom Paulusgrab an der südwestlichen Ausfallstraße Roms nach Ostia ist alt. Kirchenhistoriker halten sie für noch gesicherter als die Petrus-Tradition am vatikanischen Hügel. Das Grab des Apostelfürsten, der in Rom stets im Schatten des Petrus steht, wird seit jeher unter dem Hauptaltar der römischen Basilika Sankt Paul vor den Mauern verehrt. Hier befindet sich ein Sarkophag mit einer Platte und der Inschrift "Paulo Apostolo Mart". Anfang des vierten Jahrhunderts wurde über seinem Grab die mächtige Basilika "San Paolo fuori le Mura" gebaut. Vor etwa 500 Jahren wurde die Krypta mit dem Sarkophag geschlossen. Die Kenntnis vom genauen Ort des Grabes ging dann im Laufe der Jahre durch Umbauten, Restaurierungen und einen Brand verloren. Nach jahrelangen Bemühungen entdeckten die Archäologen schließlich 2005 einen römischen Sarkophag aus dem vierten Jahrhundert. Seit Dezember 2006 ist das Paulus-Grab nach 500 Jahren wieder der Öffentlichkeit zugänglich: Ein kleines Fenster unter dem Altar gibt den Blick auf eine Seite des Sarkophags frei. Laut Volksglaube sollen allerdings Schädelfragmente des Heiligen in einer anderen römischen Kirche, der Lateranbasilika beigesetzt sein

Organisator für die Glaubensverbreitung

Das goldene Kopfreliquiar des Heiligen Paulus mit Eichenholzkern (um 1050/70) sowie das Schulterstück mit Filigran und Schmucksteinen (um 1230/40) in der Domkammer vom Paulusdom in Münster (Foto: dpa)
Das goldene Kopfreliquiar des Apostels PaulusBild: picture-alliance/ dpa

Der Apostel Paulus hatte zunächst unter seinem Geburtsnamen Saulus massiv an Christenverfolgungen teilgenommen. Doch eine wundersame Begegnung mit dem auferstandenen Christus vor Damaskus veränderte sein Leben. In der Folge wurde er zum "großen Organisator" der frühen Ausbreitung des Christentums. Außerdem war er einer der wichtigsten Theologen jener Anfangszeit. Auf seinen Missionsreisen nach Kleinasien, Griechenland, Mazedonien und Zypern legte er die Fundamente der neuen religiösen Bewegung. Seine Schriften, von denen zahlreiche in der Bibel zu finden sind, zählen bis heute zum Kern christlichen Glaubens und Handelns. Den Reformator Martin Luther inspirierte das Glaubensvermächtnis des Apostels letztlich zur Gründung einer neuen, der evangelischen Kirche. Paulus, der vermutlich um das Jahr 10 nach Christi Geburt geboren wurde, lernte Jesus von Nazareth allerdings nicht persönlich kennen. Im Jahr 67 erlitt er in Rom den Märtyrertod durch Enthauptung.

Grabesöffnung?

Nach dem sensationellen Fund der Knochenreste im Grab des Apostels Paulus soll der Sarkophag geöffnet werden. "Der Heilige Vater wird uns dies später gestatten, es wird aber eine lange und heikle Arbeit werden, denn es gilt, auch kleinste Schäden zu vermeiden", sagte Kardinal Andrea Cordero Lanza die Montezemolo.

dpa/KNA/KK/ste