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Spesen pauschal

8. Juni 2009

Ob es um die Moral deutscher Parlamentarier grundsätzlich besser bestellt ist als um die ihrer englischen Kollegen, darüber darf spekuliert werden. Die Versuchungen sind hierzulande jedenfalls weit geringer.

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Deutscher Bundestag (Foto: AP)
Der deutsche Bundestag in BerlinBild: AP

Gewissermaßen als Entschädigung für eine zugunsten des Mandates aufgegebene Berufstätigkeit erhalten die deutschen Volksvertreter Diäten in Höhe von monatlich 7668 Euro, die noch versteuert werden müssen. Alle Abgeordneten bekommen zudem ein komplett eingerichtetes Büro am Sitz des Bundestages. Und sie dürfen Personal einstellen, das dann direkt von der Bundestagsverwaltung bezahlt wird: Maximal 14712 Euro Brutto stehen dafür monatlich zur Verfügung, allerdings nur für Mitarbeiter, die mit dem Abgeordneten nicht verwandt, verheiratet oder verschwägert sind.

Pauschale statt Spesenzettel

Für alle anderen Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Mandat stehen, brauchen deutsche Parlamentarier im Gegensatz zu ihren englischen Kollegen erst gar keine Spesenzettel einzureichen. Denn dafür gibt es eine steuerfreie Kostenpauschale in Höhe von derzeit 3868 Euro monatlich. In diese Pauschale fließen auch Kosten ein für Fahrten in den Wahlkreis oder einen Zweitwohnsitz am Sitz des Parlamentes.

Ein Deckel gegen Spesenexzesse

Quittungen und Münzen (Foto: AP)
Quittungen sammeln brauchen Abgeordnete eigentlich nichtBild: AP

Christian Humborg, Geschäftsführer der deutschen Sektion von "Transparency International", einer Organisation, die sich weltweit dem Kampf gegen Korruption verschrieben hat, sieht in der deutschen Pauschalregelung Vor- und Nachteile: Wenn die tatsächlich angefallenen Kosten niedriger seien als die Pauschale, dann könne Spesengeld in der Privatschatulle des Abgeordneten landen. Andererseits sei die Summe aber klar gedeckelt und ein exzessiver Missbrauch ausgeschlossen.

Die Bundestagsverwaltung jedenfalls ist froh über die Pauschalregelung: Wo es keine Einzelabrechnungen gibt, da gibt es auch nicht viel zu prüfen.

Wenn einer eine Reise tut ...

Etwas Interpretationsspielraum besteht eigentlich nur noch bei den Reisekosten. Für ihre Fortbewegung, wohlgemerkt nur für die "in Ausübung des Mandates", dürfen sich Abgeordnete nämlich im Stadtgebiet von Berlin von der Fahrbereitschaft chauffieren lassen, haben eine Jahres-Freikarte für die erste Klasse bei der Bahn und bekommen Inlandsflugkosten ersetzt. Ein Schelm, wer da beim Wochenendflug zum heimischen Wahlkreis, in dem zufällig auch der Hauptwohnsitz liegt, vorwiegend private Motive unterstellt.

Bonusmeilen und Parkscheine

Mann vor Bildschirm mit 'Lufthansa - Miles & More'-Logo
Dienstlich erworbene Bonusmeilen aus dem Vielflieger-Programm der Lufthansa dürfen Abgeordnete eigentlich nur wieder für dienstliche Flüge einsetzenBild: AP

2002 wurde bekannt, dass einige Parlamentarier dienstlich angesammelte Lufthansa-"Bonusmeilen" für Privatflüge eingesetzt hatten. Gregor Gysi trat seinerzeit als Berliner Wirtschaftssenator zurück, der auch noch anderweitig angeschlagene Cem Özdemir von den Grünen gab sein Bundestagsmandat auf. Und 2008 wurde darüber diskutiert, ob Abgeordnete Gratis-Parkplätze an Flughäfen hätten nutzen dürfen.

Und was ist mit den Nebeneinkünften?

Zwar habe jedes ethisch verwerfliche Verhalten eines Politikers Potenzial, die Demokratie zu untergraben, sagt Christian Humborg: "Aber wenn man sich das Gesamtbild anguckt, dann muss man doch fragen, ob es nicht andere Dinge gibt, die eigentlich aus unserer Perspektive noch viel wichtiger sind. Wir sind nach wie vor sehr unzufrieden, wie ungenau die Nebeneinkünfte der Abgeordneten in Deutschland veröffentlicht werden."

Die Frage nach finanziell motivierten Interessenskonflikten gelte für den Bundestag wie für das Europaparlament, findet Humborg: "Wir haben viele Parlamentarier, die zusätzlich Tätigkeiten ausüben, bei denen man schon den Eindruck einer Befangenheit bekommen könnte", so Humborg.

Leichter Beigeschmack bei Direktspenden

Bestechen lassen dürfen sich deutsche Abgeordnete natürlich nicht, aber Spenden dürfen sie entgegennehmen, für die Partei oder für ihre eigene Arbeit. Christian Humborg und "Transparency International" fordern seit langem die Abschaffung dieser Direktspenden - allein schon um jedem bösen Anschein entgegenzuwirken.

Autor: Michael Gessat

Redaktion: Thomas Grimmer