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Spiel mit den Nerven

Peter Philipp12. November 2002

Trotz Ablehnung im Auswärtigen Ausschuss und im irakischen Parlament ist mit einer fristgerechten Zustimmung des Irak zur UN-Resolution zu rechnen. Ein Kommentar von Peter Philipp.

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Der Auswärtige Ausschuss des irakischen Parlaments hat am Montag (11.11.02) die jüngste Resolution des UN-Sicherheitsrates zu Waffen-Kontrollen im Irak abgelehnt. Auch das irakische Parlament sprach sich am Dienstag (12.11.02) einstimmig gegen die UN-Resolution für eine umfassende Abrüstung aus. Letztes Wort hat jetzt der Revolutionäre Kommando-Rat unter der Führung von Saddam Hussein. Bis Freitag (15.11.02) hat der Irak Zeit, der Resolution zuzustimmen. Wenn nicht, muss das Land mit militärischen Sanktionen rechnen.

Es gehört wohl mit zum Spiel mit den Nerven, dass Bagdad sich nicht gerade beeilt, der am vergangenen Freitag (8.11.02) verabschiedeten Resolution des UN-Sicherheitsrates zuzustimmen. Und dass die Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses des irakischen Parlaments diese Resolution verurteilen, als handle es sich bei ihr um eine Kriegserklärung - und nicht den wahrscheinlich letzten Versuch, den Krieg zu verhindern, auf den George W. Bush weiterhin zielstrebig zusteuert.

Natürlich bedeuten die Auflagen der UN-Resolution harte Einschränkungen der irakischen Souveränität. Heute mehr als früher. Denn die Souveränität des Zwei-Strom-Landes ist seit dem Kuwait-Krieg ohnehin schon stark reduziert - durch Sanktionen, Embargos, Flugverbotszonen und vieles andere mehr. Und immer schon war der Irak nicht bereit, den einzigen Weg einzuschlagen, der als Ausweg präsentiert wurde - nämlich, einer minütiös genauen Erfüllung früherer Resolutionen zuzustimmen.

Und der Irak - das heißt in erster Linie Saddam Hussein. Nicht nur in diesem Zusammenhang, hier aber mehr als sonst. Nicht ein Parlaments-Ausschuss entscheidet über Annahme oder Ablehnung der UN-Resolution. Solch eine Entscheidung liegt in den Händen des Diktators, der das Parlament nur als quasi-demokratische Institution braucht und nutzt.

Saddam Hussein wäre schlecht beraten, wenn er schon die erste Frist des UN-Terminkalenders ungenutzt verstreichen ließe. Natürlich könnte er die USA dadurch früher in Zugzwang bringen als diesen lieb ist - bevor ihr Aufmarsch in der Region nämlich abgeschlossen ist. Aber solch ein taktischer Vorteil wäre nur von sehr kurzer Dauer. Denn es scheint unverändert festzustehen, dass das Bagdader Regime den nächsten Krieg nicht überdauern wird.

Der irakische Führer hätte die letzten 23 Jahre nicht überlebt, wenn er nicht immer wieder mit Raffinesse Tricks gefunden hätte, um die einen Gegner auszuschalten und den anderen zu entschlüpfen. Selbst wenn er sich dabei auch gelegentlich eine "blutige Nase" geholt hat.

Diesmal steht ihm das Wasser bis zum Hals - Tendenz: steigend. Und es wäre sehr untypisch, würde Saddam nun in Untergangsstimmung verfallen. Deswegen darf man - ungeachtet der Diskussion im Parlament - wohl auch weiterhin davon ausgehen, dass der irakische Führer das in New York vorgezeichnete Szenario mitspielen wird. Zumindest eine Zeit lang. Und dass er nicht schon im ersten Akt abbricht.

Immerhin dürfte Saddam ja kaum entgangen sein, dass nicht nur der Erzfeind USA hinter der Resolution der letzten Woche steht, sondern auch Freunde im Sicherheitsrat - wie Russland oder Frankreich und selbst Syrien. Und dass auch die Arabische Liga dem Irak eine Befolgung der Resolution nahe gelegt hat. Nicht aus vollem Herzen und tiefer Überzeugung, sondern eher der Sorge vor unkontrollierbarer Eskalation - von der Jordanien gerade einen ersten Vorgeschmack zu spüren bekommt. Dort ist es in den letzten Tagen zu heftigen Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und extremistischen Gruppen gekommen.

Saddam steht also allein auf weiter Flur. Solche Isolation könnte zwar zu Kurzschluss-Reaktionen führen, jede Logik sagt jedoch, dass es dazu noch zu früh ist.