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Spielstark, aber ...

Andreas Ziemons4. Juni 2008

Nach ihrem überraschenden dritten Platz bei der WM 2002, haben die Türken eine kleine Auszeit genommen und sind erst jetzt, nach sechs Jahren, wieder bei einem großen Turnier dabei. Es könnte ein kurzer Auftritt werden.

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Bei ihrer dritten EM-Teilnahme, nach 1996 in England und 2000 in Belgien und den Niederlanden, sind die Türken in Gruppe A diesmal wohl nur Außenseiter. Als erste Anwärter auf die beiden vorderen Plätze, die das Erreichen der nächsten Runde sichern, gelten Portugal und Tschechien. Beim dritten Gruppengegner der Türken, dem EM-Gastgeber Schweiz, gehen alle davon aus, dass die Mannschaft vor heimischer Kulisse über sich hinauswachsen und ebenfalls ein gewichtiges Wort ums Weiterkommen mitreden wird. Schlechte Aussichten also für die Türkei.

Hamit Altintop, der sowohl im Mittelfeld der Türken, als auch beim deutschen Meister Bayern München eine tragende Rolle spielt, rechnet sich für seine Mannschaft aber trotzdem etwas aus. "Das Entscheidende ist, dass wir jungen Spieler uns reinhängen und als Kollektiv funktionieren", erklärt er. "Wenn wir das mit unserem erfahrenen Trainer schaffen, können wir die erste Runde auf jeden Fall weiterkommen."

Streitlustiger Imperator an der Linie

Türkei nicht bei WM dabei
'Imperator' an der Linie - zur Not auch auf dem Feld: Fatih TerimBild: AP

Der erfahrene Trainer der Türken ist Fatih Terim, den sie in der Türkei nur den "Imperator" nennen. Er ist bereits zum zweiten Mal türkischer Nationalcoach, betreute die Mannschaft schon beim EM-Turnier 1996 in England. Sein größter Erfolg als Trainer war der Gewinn des UEFA-Pokals im Jahr 2000 mit Galatasaray Istanbul. So streitlustig er sich manchmal im Disput mit Trainerkollegen und Journalisten gibt, so beliebt ist er bei den Fans und seinen Spielern.

Die werden bei der EM auf ihre mannschaftliche Geschlossenheit setzen müssen. Zwar haben sie gute Einzelspieler in ihren Reihen, mit Emre (bisher Newcastle United), Tuncay (FC Middlesbrough) und Nihat (Villareal) spielen aber nur drei von ihnen in den europäischen Top-Ligen. Hinzu kommt aus der Bundesliga Hamit Altintop von Bayern München. Ein internationaler Topstar aber fehlt den Türken.

Kopflos und ohne Taktik

Hamit Altintop glaubt, dass gerade dies für seine Mannschaft auch ein Vorteil sein kann, da immer andere Spieler eine Spiel entscheidende Rolle übernähmen. "Unsere Stärke ist unsere Unberechenbarkeit", sagt er. "In manchen Spielen sind wir überragend. Da können wir spielerisch wie kämpferisch mithalten." Der große Nachteil: Läuft es auf dem Platz mal nicht so gut in der türkischen Mannschaft, fehlt den Spielern ein Leitwolf, an dem sie sich aufrichten können. Die Mannschaft liefe dann oft kopflos und ohne Rücksicht auf taktische Vorgaben nach vorne. "Diese Undiszipliniertheit hat uns auch immer wieder zurückgeworfen."

So schafften die Türken in der Qualifikation zur Europameisterschaft bei den Fußballzwergen Malta und Moldawien jeweils nur ein Unentschieden. Um bei der EM Erfolg zu haben, müssen die Türken ihre zeitweilige Undiszipliniert­heit unbedingt abstellen, ansonsten haben sie gegen die auf einem hohen taktischen Niveau agierenden Portugiesen im ersten und die Tschechen im dritten Spiel keine Chance.

Brisantes Aufeinandertreffen in Basel

Eine besondere Brisanz beinhaltet das zweite Vorrundenspiel der Türken. In Basel treffen sie dann auf Gastgeber Schweiz. Eine Paarung, die es in sich hat seit dem Aufeinandertreffen der beiden in der Relegation zur letzten WM im November 2005.

Polizeischutz für Schweizer Spieler
Polizeischutz für Schweizer Spieler beim Skandalspiel in IstanbulBild: AP

Die Türken gewannen das Rückspiel mit 4:2. Wegen des 0:2 im Hinspiel schieden sie aber in der Addition beider Partien aus. Frust machte sich breit. Es kam zu regelrechten Jagdszenen auf dem Platz. Einzelne Mitglieder der türkischen Mannschaft attackierten Schweizer Spieler beim Gang in die Kabine. Es gab mehrere Verletzte, der Schweizer Spieler Stephane Grichting musste sogar ins Krankenhaus. Er hatte einen Tritt in den Unterleib bekommen.

Auf all zu innige Gastfreundschaft dürfen die Türken in der Schweiz also nicht setzen. Vielmehr muss die Mannschaft mit Leistung überzeugen. Nutzt das türkische Team aber seine spielerischen Stärken, wird es mit Sicherheit auch in der Schweiz neue Anhänger finden. Hamit Altintop ist davon überzeugt, dass er und seine Mitspieler dies hinbekommen können: "Bei so einer Atmosphäre, bei so einer EM, bin ich sehr optimistisch, dass wir dann auch über uns hinauswachsen."