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Gefährliches Doppelspiel

1. Februar 2012

Die pakistanischen Sicherheitskräfte unterstützen einem geheimen NATO-Bericht zufolge die Taliban in Afghanistan. Der Bericht wirft erneut die Frage auf, ob Pakistan Verbündeter oder Gegner der USA in der Region ist.

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Pakistani halten eine brennende Amerika-Flagge (Foto: AP/DW; DW-Grafik: Simone Hüls)
Bild: AP/DW

Es ist eine wechselhafte Beziehung zwischen Pakistan und den USA: In den 1980er-Jahren pflegten Islamabad und Washington eine enge Partnerschaft. Zumindest bis zum Abzug der Roten Armee aus Afghanistan 1988/1989. Dann verlor Amerika das Interesse. Erst nach den Anschlägen vom 11. September 2001 geriet Pakistan wieder in die Aufmerksamkeit der USA - vor allem als Nachschubweg im Kampf gegen die Taliban und Al Kaida. In diese neue strategische Zusammenarbeit willigte Pakistan zwar ein - aber eher halbherzig, denn Islamabad pflegte gute Beziehungen zum Taliban-Regime und verfolgt bis heute eigene wirtschaftliche Ziele im Nachbarland.

"Das andere Interesse Pakistans ist es, die so genannte strategische Tiefe in Afghanistan zu haben. Für Pakistan geht es darum, in Afghanistan eine Regierung zu etablieren, die pakistanischen Interessen entspricht", erklärt Südasien-Experte Conrad Schetter. Pakistan habe deshalb auch kein Interesse daran, mit aller Härte gegen die Taliban, ihre einstigen Verbündeten, vorzugehen. Mit der strategischen Tiefe in Afghanistan ist ein Rückzugsgebiet für die pakistanische Armee im Falle eines Kriegs mit Indien gemeint. Drei Kriege haben die beiden Atommächte schon hinter sich. Die Grenzstreitigkeiten sind bis heute nicht gelöst. Die Rivalität zwischen den Ländern birgt Konfliktstoff für Jahrzehnte.

Verbündete gegen Indien

Islamabads aktuelle Strategie sei es, eine enge Zusammenarbeit mit fundamentalistischen Kräften zu suchen, erklärt der pakistanische Terror-Experte Rahimullah Yusufzai. Pakistan gehe davon aus, dass Fundamentalisten per se gegen Indien eingestellt sind, weil Indien kein mehrheitlich muslimischer Staat ist. Islamabad möchte im Falle eines erneuten Krieges mit Indien in Afghanistan einen Verbündeten haben. Die Taliban, mit ihrem Ziel einen Gottesstaat am Hindukusch zu gründen, würden deshalb gut in Pakistans Pläne für die Region passen.

Dreiergipfel-Washington: Barak Obama steht am Rednerpult, links und rechts von ihm Politiker (Foto: AP)
Keine einfache BeziehungBild: AP

Eine Politik, die nach Yusufzais Ansicht der Westen entweder nicht verstehen kann - oder nicht verstehen möchte: "Der Meinungsunterschied zwischen Pakistan und den USA sowie dem Rest des Westens besteht also in ihrer Politik gegenüber den Taliban. Pakistan strebt eine politische Lösung an und will mit den Taliban verhandeln. Außerdem will Pakistan eine entscheidende Rolle in diesen Verhandlungen spielen. Die USA aber wollen die Taliban weiterhin besiegen", sagt Yusufzai.

Klare Forderungen der USA

Auch die US-Regierung setzt inzwischen auf Verhandlungen. Doch zuvor sollen die Taliban sich vom Terrornetzwerk der Al-Kaida lossagen. Rund 100.000 US-Soldaten in Afghanistan sollen die Taliban zu Friedensgesprächen zwingen. Massive Drohnenangriffe auf die Rückzugsgebiete der Extremisten in Pakistan sind dabei Teil der amerikanischen Strategie. Die Botschaft aus den USA ist klar: Eine Zusammenarbeit zwischen Pakistan und den Terroristen wird nicht geduldet. Das ist nach Ansicht des Politologen Jochen Hippler bei manchen Regierungsvertretern in Islamabad inzwischen durchaus angekommen: "Viele der Gewaltopfer, die es in den letzten Jahren in Pakistan gegeben hat, hingen einfach damit zusammen, dass der Afghanistankrieg teilweise auf das eigene Land zurückgeschlagen hat. Aber Afghanistan instabil zu halten, das ist für Pakistan auf Dauer eher von Nachteil als von Vorteil."

Eine Karte von Waziristan, das zwischen Pakistan und Afghanistan liegt (DW-Grafik: Per Sander)
Jahrelang war Waziristan ein Rückzugsort für die Taliban

Dennoch bezweifeln Experten, dass die pakistanische Regierung in der Lage ist, ihren politischen Kurs um 180 Grad zu drehen. Die pakistanische Armee ist mächtig, der Geheimdienst einflussreich - manchmal auch tonangebend. Andererseits möchte das Land auch nicht auf die jährlichen Milliardenhilfen aus Washington verzichten. Die Regierung in Islamabad betreibt also ein gefährliches Doppelspiel, um sich gleichzeitig das Wohlwollen der fundamentalistischen Verbündeten und das der US-Regierung zu erhalten, glauben Experten. Ein Spiel, das man in den USA offenbar nicht mehr länger bereit ist, zu tolerieren.

Schwierige Partnerschaft

Doch um Pakistan zu einem Umdenken zu bewegen, müsste Washington schon sehr viel Geduld aufbringen, meint Henning Riecke, USA-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Der US-Regierung stünden dabei kaum Optionen zur Verfügung: "Die Amerikaner versuchen, mehr Druck auf Pakistan auszuüben. Gleichzeitig wissen sie aber auch: Wenn dieser Druck zu groß wird und die schwache Regierung in Islamabad den Boden unter den Füßen verliert, dann ist der Schaden insgesamt viel größer. Dann würden sich möglicherweise islamistische Kräfte durchsetzen." Und das, so Rieke, möchte man in Amerika natürlich auch nicht.

Washington und Islamabad verfolgen also in ihrem Kampf gegen die Taliban und gegen Al Kaida in Afghanistan durchaus unterschiedliche Interessen. Nichtsdestotrotz bleiben sie in der schwierigen Partnerschaft, die sie verbindet, aufeinander angewiesen. Diese Zwangsehe wird nun zusätzlich durch den neuen NATO-Bericht belastet.

Ein Trainingslager an der Grenze zu Afghanistan: Vermummte Männer halten Waffen in den Händen (Foto: AP)
Zu viel Druck auf die Regierung könnte islamistische Kräfte begünstigenBild: AP

Autor: Ratbil Shamel
Redakteur: Daniel Scheschkewitz/Ana Lehmann